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In der Nordsee nimmt Siemens derzeit seine ersten vier Offshore-Konverter-plattformen in Betrieb. Die Zeiten des holprigen Starts in das neue Geschäfts-feld scheinen sich damit dem Ende zu nähern


Sie heißen »HelWin1«, »BorWin2«, »Sylwin1« und »HelWin2«, und für Siemens waren sie bisher nicht gerade eine Erfolgsgeschichte: Es dauerte nur[ds_preview] ein gutes Jahr, da hatte sich der Technologiekonzern zwischen Juni 2010 und August 2011 vier von bis heute insgesamt neun Offshore-Netzanbindungen in HGÜ-Technik (Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung) gesichert, die Übertragungsnetzbetreiber Tennet zum Anschluss von Offshore-Windparks in der Nordsee realisiert. Damals war von der Bundesnetzagentur noch eine Anbindungsfrist von 33 Monaten vorgegeben, doch insbesondere der Bau und die Installation der hochkomplexen Konverterplattformen erwies sich als zeitaufwendiger als damals er­wartet.

Die Folge: Immer neue Verzögerungen und unter dem Strich gut 800Mio. €, die Siemens dadurch schon abschreiben musste. Rückblickend sei es unklug gewesen, ohne entsprechende Erfahrungswerte gleich vier solcher Großaufträge anzunehmen, räumt Patrick Weber, CEO des Geschäftsbereichs Grid Access, ein. »Aus heutiger Sicht war das sicher ein zu großes unternehmerisches Risiko.«

Plattformen sollen bis Mitte 2015 ihren Betrieb aufnehmen

Doch mit den Negativschlagzeilen soll jetzt Schluss sein. Im vergangenen Sommer wurde 35km nördlich von Helgoland die 576-Megawatt-Plattform »HelWin alpha« installiert, die seither auf ihren kommerziellen Betrieb vorbereitet wird (s. HANSA 10/2013). Im zweiten Halbjahr 2014 sollen die Arbeiten abgeschlossen werden, versichert Siemens. Im April dieses Jahres folgte die Installation von »BorWin beta« (800 MW), die bereits im August 2013 die Bauwerft Nordic Yards verlassen hatte und wenig später an ihrem Standort nordwestlich von Borkum angekommen war. Dann machte allerdings das Wetter den Technikern einen Strich durch die Rechnung: Weil die Wellen zu hoch waren, um die Plattform sicher auf ihrem Fundament befestigen zu können, musste sie zur Küste zurückgeschleppt werden und in Eemshaven überwintern. »Bis heute sind die Verzögerungen im Zeitplan nicht auf technische Probleme zurückzuführen, sondern auf logistische Probleme im maritimen Umfeld«, betont Weber. Dazu seien unter anderem auch die mehrstufigen Genehmigungsverfahren sowie langwierige Zertifizierungsvorgänge zu zählen, die man anfangs zu optimistisch kalkuliert habe.

Innerhalb eines Monats wurden im Juli schließlich auch »SylWin alpha« (864 MW) und »HelWin beta« (690 MW) installiert – letztere als einzige Plattform des Quartetts nicht bei Nordic Yards, sondern auf der niederländischen Heerema-Werft gebaut. Sukzessive sollen die Offshore-Konverter jetzt bis Mitte 2015 ihren Betrieb aufnehmen. Benötigt werden sie, weil die in der ausschließlichen Wirtschaftszone entstehenden Windparks so weit von der Küste entfernt sind, dass bei einem Transport des von den Windkraftanlagen erzeugten Drehstroms enorme Übertragungsverluste anfallen würden: Für eine verlustarme Übertragung muss er daher vorab hochtransformiert und in Gleichstrom umgewandelt werden. Zwar ist die HGÜ-Technik als solche nicht neu, mit der Installation der High-Tech-Systeme auf See – und damit in salzhaltiger Umgebung und auf engstem Raum – leisten aber sowohl Siemens als auch die beiden Wettbewerber ABB und Alstom derzeit Pionierarbeit.

Die Größe der Plattformen wird durch jeweils zwei Konverterhallen und die Gleichstrom-Schaltanlagen wesentlich mit-

bestimmt. So kommt »HelWin beta« auf Abmessungen von 98 x 42 x 26m bei einem Gewicht von 10.500t, während es bei »SylWin alpha« 83 x 56 x 26m und ein Gewicht von sogar 15.000t sind. Angesichts solcher Ausmaße ist nicht nur der Bau, sondern auch die Installation der Konstruktionen eine Herausforderung. Bei »HelWin beta« war das Schwerlastkranschiff »Thialf« im Einsatz, das die Plattform von der Transportbarge auf das vorbereitete Fundament hievte. Für »SylWin alpha« musste wegen ihres enormen Gewichts eine andere Lösung gefunden werden: Sie wurde auf einer maßgefertigten Barge zu ihrem Standort vor Sylt geschleppt und dort in das Jacket-Fundament hineingefahren. Anschließend wurde sie im Rahmen einer Floatover-Operation auf die Tragkonstruktion abgesenkt und dann mithilfe ihres Hubsystems in die Endposition 23m über dem Meeresspiegel gejackt.

Kostenreduzierung um bis zu 40 % angestrebt

Wie in allen Bereichen der Offshore-Windenergie hat sich Siemens auch bei den HGÜ-Netzanschlüssen zum Ziel gesetzt, die Kosten bis 2020 um 30 bis 40% zu senken. Wichtiger Ansatzpunkt sind hier die Konverterplattformen, in denen das Unternehmen trotz des schwierigen Starts auch für die Zukunft ein interessantes Geschäftsfeld sieht – nicht zuletzt mit Blick auf die Entwicklungen in Großbritannien, Asien und den USA, wo künftig ebenfalls mit HGÜ-Anbindungen von Offshore-Windparks zu rechnen ist. Der Schlüssel für die angestrebten Einsparungen soll in einer Verkleinerung der Anlagen liegen, die in einem ersten Schritt durch kompaktere Gleichstrom-Schaltanlagen in gasisolierter Technik erreicht werden soll. Bisher gab es gasisolierte Schalt­räume nur für Wechselstrom, während die Gleichstrom-Schaltanlagen bei erheblich größerem Platzbedarf luftisoliert wurden: Bei »SylWin alpha« beispielsweise ist jeder der beiden hierfür benötigten Räume 20m lang, 20m breit und 11m hoch. Mit der neuen Technik soll der Platzbedarf von 8.800m³ auf nur noch 200 m³ gesenkt werden. Weitere Schritte »in Richtung Minia­turisierung der Plattformen« würden folgen, heißt es aus der Konzernzentrale.

Ein gutes Zeichen dürfte es da für die Verantwortlichen sein, dass Tennet offenbar weiterhin auf eine Zusammenarbeit setzt. Zumindest hat sich der Übertragungsnetzbetreiber bei seiner jüngsten Vergabe einer HGÜ-Anbindung erneut den Marktführer ins Boot geholt, diesmal zusammen mit dem internationalen Offshore-Spezialisten Petrofac. Als Konsortialführer soll Siemens die komplette Technik zur Gleichstromübertragung für »BorWin3« liefern, während Petrofac Design, Bau, Transport und Installation der zugehörigen Plattform »BorWin gamma« verantwortet. »Mit diesem Projekt wollen wir dann auch endlich mal Profit machen«, kündigt CEO Patrick Weber an.

 


Anne-Katrin Wehrmann