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Wurde ein Schiff bereits vor Übernahme bei der Werft durch eine Einschiffsgesellschaft weiterveräußert, so ist unwiderlegbar davon auszugehen, dass keine Absicht bestand, es als im Sinne der Tonnage-steuer begünstigt einzusetzen.
Der Bundesfinanzhof hat mit seinem Urteil vom 26.09.2013 unter dem Aktenzeichen IV R 46/10 entschieden, dass die Tonnagegewinnermittlung die[ds_preview] Absicht eines längerfristigen Betriebs von Handelsschiffen im internationalen Verkehr voraussetzt und einige für die Praxis wichtige Vermutungsregeln aufgestellt.

Geklagt hatte eine 2001 gegründete Einschiffsgesellschaft in der Rechtsform einer KG, deren Gegenstand insbesondere der Erwerb und Betrieb der MS »A« war. Komplementärin war eine A-GmbH ohne vermögensmäßge Beteiligung. Als Kommanditisten zeichneten eine S-KG mit einer Einlage von 49.500€ zu 99% und eine B-KG (Bereederungsgesellschaft) mit einer Einlage von 500€ zu 1% verantwortlich.

Am 12. November 2002 schloss die Klägerin mit einer Werft in Polen einen Bauvertrag über die Herstellung des Container-Schiffs MS »A« zum Preis von 20,6Mio. $. Die Fertigstellung des Schiffs war für den Herbst 2003 geplant.

Mit Vertrag vom 26. September 2003 verkaufte die Klägerin die MS »A«, die sie ihrerseits erst elf Tage später am 6. Oktober von der Werft übernehmen sollte, zum Preis von 26Mio. $. Die Übergabe an den neuen Käufer sollte in Dänemark erfolgen. Nach Übernahme des Schiffs von der polnischen Werft am 6. Oktober 2003 wurde das Schiff am 7./8. Oktober 2003, beladen mit der Erstausrüstung und leeren Containern, von der Werft nach Dänemark überführt und dort am 9. Oktober 2003 an die Käuferin übergeben.

In dem Zeitraum der Übernahme des Schiffs bei der polnischen Werft bis zur Übergabe an den Käufer in Dänemark war die MS »A« in einem inländischen Schiffsregister eingetragen. Den durch die Veräußerung erzielten Gewinn verwendete die Einschiffsgesellschaft im Jahr 2005 in Höhe von 1.967.087€ für eine Anzahlung zum Kauf des Container-Schiffs »B«.

Am 18. Dezember 2002 stellte die Einschiffsgesellschaft einen Antrag auf Anwendung der Tonnagegewinnermittlung ab dem 1. Januar 2002. Der Unterschiedsbetrag wurde zum 31. Dezember 2001 auf 0€ festgesetzt. Der Tonnagegewinn für das Streitjahr 2003 wurde zunächst in Höhe von 2.746€ antragsgemäß festgestellt und später auf 20.158€ erhöht. Diese Erhöhung basierte auf der Berücksichtigung einer an eine V-KG gezahlten Verwaltungskostenpauschale in Höhe von 17.412,07€, die der S-KG, zu deren Gesellschaftern die V-KG gehörte, als Sonderbetriebseinnahme zugerechnet wurde.

Nun kam die Betriebsprüfung. Für das Streitjahr 2003 wurden Einkünfte aus Gewerbebetrieb nun in Höhe von 3.877.811€ festgesetzt. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb setzten sich zusammen aus laufenden Einkünften in Höhe des in der Bilanz der Einschiffsgesellschft zum 31. Dezember 2003 ausgewiesenen Jahresüberschusses von 3.076.134,46€ sowie Sonderbetriebseinnahmen der A-GmbH in Höhe der Haftungsvergütung von 2.500€ und solchen der B-KG als Bereederer in Höhe von 799.176,81€, die auf Provisionen der B-KG aus An- und Verkaufsvermittlung entfielen. Das Finanzamt vertrat hierbei die Ansicht, dass der Gewinn der Einschiffsgesellschaft nicht nach den Bestimmungen der Tonnagegewinnermittlung, sondern nach den allgemeinen Vorschriften zu ermitteln sei, da im Jahr 2003 kein Handelsschiff betrieben worden sei.

Der Bundesfinanzhof entschied, dass die Einschiffsgesellschaft die Voraussetzungen für die Tonnagegewinnermittlung nicht erfüllt habe und der Gewinn aus der Veräußerung des Schiffs nicht als steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn nach §§16, 34 EStG zu behandeln sei. Letztlich könne nicht abschließend beurteilt werden, ob eine Gewerbesteuerrückstellung gewinnmindernd zu berücksichtigen sei. Letzteres müsse das Finanzgericht feststellen. Die Einschiffsgesellschaft habe im Jahr 2003 weder mit dem Einsatz der MS »A« ein Handelsschiff i.S. des Tonnagegewinnermittlung betrieben, noch habe es sich bei der im Jahr 2003 erfolgten Veräußerung der MS »A« um ein Hilfsgeschäft zu einem mit dem Einsatz des neu angeschafften Schiffs MS »B« erfolgten Betrieb von Handelsschiffen gehandelt.

Die Tonnagegewinnermittlung setzt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs die Absicht des Steuerpflichtigen zum langfristigen Betrieb von Handelsschiffen voraus. Die Vorschrift sehe zwar explizit keine bestimmte Mindestzeit für den Betrieb von Handelsschiffen vor. Dies ergebe sich jedoch aus dem Sinn und Zweck der Regelung, wonach nur der langfristig angelegte Betrieb von Handelsschiffen begünstigt werden soll: Die »langfristige Bindung des aktiven Schifffahrtsbetriebs zur Sicherung des Schifffahrtstandorts Deutschland bildet die Rechtfertigung für die in ihren Wirkungen grundsätzlich gleichheitswidrige Steuerbegünstigung«. Die langfristige Bindungsfrist komme im Gesetz auch durch die zehnjährige Bindungsfrist bei einmal gewählter Tonnagegewinnermittlung zu Ausdruck. »Begünstigt werden soll danach nur der langfristig angelegte, nicht aber der lediglich vorübergehende Betrieb von Handelsschiffen, der etwa erfolgt, wenn eine Einschiffsgesellschaft ihr Schiff kurzfristig zur Beförderung von Gütern oder Personen einsetzt, um es bis zu seiner von vornherein beabsichtigten Veräußerung wirtschaftlich sinnvoll zu nutzen.«

Der Bundesfinanzhof stellt eine gestaffelte Vermutungsregel auf, wann nunmehr eine von vorn herein beabsichtigte Veräußerung vorliegt. In diesem Fall wurde das Schiff, die MS »A« ca. elf Tage vor der Ablieferung seitens der Werft bereits wieder durch die Einschiffsgesellschaft veräußert.

1. Vermutungsregel: Wird der schuldrechtliche Vertrag über die Veräußerung eines Schiffes (vorstehend der 26. September 2003) schon innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt geschlossen, zu dem erstmals alle übrigen Voraussetzungen der Tonnagegewinnermittlung vorlagen (sog. Jahresfrist, vorstehend »frühestens« der 6. Oktober 2003), so spricht nach Auffassung des Bundesfinanzhofs eine widerlegliche Vermutung dafür, dass die Einschiffsgesellschaft schon zu Beginn der Jahresfrist nicht die erforderliche Absicht zum langfristigen Betrieb von Handelsschiffen hatte.

2. Vermutungsregel: Die vorgenannte Vermutungsregel beansprucht keine Geltung, wenn das Schiff bei Beginn (vorstehend »frühestens« der 6. Oktober 2003) der Jahresfrist schon veräußert ist (vorstehend der 26. September 2003) oder – alternativ – wenn bei Beginn dieser Frist (vorstehend »frühestens« der 6. Oktober 2003) schon feststeht, dass das Schiff innerhalb der Frist veräußert werden soll und – kumulativ – es auch innerhalb der Frist veräußert wird. Dann steht vielmehr bereits unwiderlegbar fest, dass der Einsatz des Schiffs nicht im Rahmen eines Betriebs von Handelsschiffen erfolgte. Aber auch außerhalb dieser Zeiträume kann man sich nicht sicher sein.

3. Vermutungsregel: Veräußert die Einschiffsgesellschaft ihr Schiff erst nach Ablauf der Jahresfrist (vorstehend etwa am 10. Oktober 2004), wird widerlegbar vermutet, dass sie das Schiff zunächst in der Absicht eingesetzt hat, langfristig Handelsschiffe zu betreiben, die Veräußerung also ein Hilfsgeschäft zum Betrieb als Hauptgeschäft darstellt und insofern auch begünstigt ist. In diesem Fall obliegt es nunmehr der Finanzbehörde, die Vermutung durch den Nachweis zu widerlegen, dass die Veräußerung des Schiffs schon bei Beginn der Jahresfrist (also vorstehend »frühestens« am 6. Oktober 2003) beabsichtigt war.

Nach alledem dürfte klar geworden sein, dass wir uns im zu entscheidenden Fall im Bereich des Unwiderlegbaren befinden. Schon vor der Übernahme des Schiffs, der MS »A«, wurde dieses weiterveräußert. Der teilweise Einsatz des Erlöses aus dem Verkauf der MS »A« zum Erwerb der MS »B« – Anzahlung – ist irrelevant. Diese Verwendung des Erlöses führt nicht dazu, dass nunmehr die mangelnde Absicht des Betreibens der MS »A« beseitigt wird, denn die im Jahre 2003 erfolgte Veräußerung der MS »A« stellt nach Ansicht des Gerichts kein Hilfsgeschäft zu einem etwa mit dem Einsatz der MS »B« ab 2005 erfolgten Betrieb von Handelsschiffen dar. »Die Veräußerung eines Schiffs betrifft üblicherweise die Beendigung seines Einsatzes im Betrieb des Steuerpflichtigen. Sie erfolgt regelmäßig als letzter Akt im Anschluss an den Einsatz oder die Vercharterung des Schiffes. Ein Schiff zu erwerben und zu veräußern, um aus seinem Veräußerungserlös erst das Schiff zu erwerben, mit dem der Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr erfolgen soll, ist für einen solchen Geschäftsbetrieb nicht üblich. Eine entsprechende Veräußerung stellt daher kein Hilfsgeschäft … dar.« Das im Übrigen keine Möglichkeit zur Übertragung des Gewinns aus der Veräußerung der MS »A« auf die Anschaffungskosten der MS »B« nach §6b EStG bestand, stehe dem Ergebnis nach Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht entgegen, da diese Möglichkeit für Seeschiffe bewusst vom Gestzgeber gestrichen wurde.

Der nächste Schritt der Argumentation des Gerichts lässt sich unschwer nachvollziehen. Da der Betrieb der Einschiffsgesellschaft nicht insgesamt eingestellt wurde, sondern sogar in 2005 ein neues Schiff, die MS »B«, gekauft wurde, liegen keine begünstigten außerordentlichen Einkünfte vor (Stichwort: ermäßigte Besteuerung des Veräußerungsgewinns). Auch stelle die MA »A« keinen Teilbetrieb dar, weshalb auch es aus diesem Grund nicht zu einer begünstigten Besteuerung im gerade umschriebenen Sinne kommt.

Von Interesse ist, dass die Einschiffsgesellschaft von einer Tonnagegewinnermittlung ausging und sich im finanzgerichtlichen Verfahren nunmehr herausstellte, dass die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen. Sie hätte also ihren Gewinn nach allgemeinen Vorschriften ermitteln müssen. Aufgrund der Höhe des Tonnagegewinns hatte sie jedoch keine Gewerbesteuerrückstellungen gebildet. Hier hilft nunmehr der Bundesfinanzhof, indem er ausführt, dass für die Besteuerung die objektive Rechtslage maßgebend sei. »Entsprechen Bilanzansätze objektiv nicht den jeweils maßgebenden Vorschriften, ist das Finanzamt – und ggf. das FG – unabhängig von einem Recht oder einer Pflicht des Steuerpflichtigen zur Berichtigung der Bilanz gemäß §4 Abs. 2 Satz 1 EStG zu einer eigenständigen Gewinnermittlung berechtigt und verpflichtet. Die Verpflichtung des Finanzamts, die Gewinnermittlung des Steuerpflichtigen ausschließlich auf der Grundlage des für den Bilanzstichtag objektiv geltenden Rechts ohne Rücksicht auf Rechtsansichten des Steuerpflichtigen zu prüfen und ggf. zu korrigieren, besteht unabhängig davon, ob sich die unzutreffende Rechtsansicht des Steuerpflichtigen zu seinen Gunsten oder zu seinen Lasten ausgewirkt hat.«

Ausgehend von diesen Grundsätzen steht der gewinnmindernden Berücksichtigung der von der Klägerin begehrten Gewerbesteuerrückstellung nicht entgegen, dass sie bei Aufstellung ihrer Bilanz für das Streitjahr davon ausging, ihr Gewinn sei nach §5a EStG zu ermitteln und ihr (danach ermittelter) Gewerbeertrag führe nicht zur Festsetzung einer Gewerbesteuer, weshalb auch keine Gewerbesteuerrückstellung zu bilden sei. Da für die Frage, ob eine Gewerbesteuerrückstellung zu bilden ist, nach den insoweit maßgeblichen Verhältnissen am Bilanzstichtag davon auszugehen ist, dass eine entstandene Gewerbesteuer auch erhoben wird und die Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen deshalb erwartet werden muss, kommt es nicht darauf an, ob, wie im Streitfall das FA vorträgt, später keine Gewerbesteuer festgesetzt wurde und wegen zwischenzeitlich eingetretener Festsetzungsverjährung auch nicht mehr festgesetzt werden kann.«

Diese Ausführungen dürften über den zu entschiedenen Fall von Bedeutung sein, da hiernach feststeht, dass eine unterlassene Gewerbesteuerrückstellung selbst noch im finanzgerichtlichen Verfahren vom Gericht berücksichtigt werden muss und damit der Gewinn entsprechend zu korrigieren ist.

Da die für die Beantwortung der Frage, ob und in welchem Umfang eine Gewerbesteuerrückstellung zu bilden war, keine ausreichenden Feststellungen seitens des Finanzgerichts getroffen wurden, musste die Streitigkeit wieder dem Finanzgericht überlassen werden, damit die notwendigen Erkundigungen nachgeholt werden können.

Anmerkungen: Mancher wird sagen, dass man mit dieser Entscheidung leben muss. Die Frage ist, kann man dies auch? Zunächst ist vorauszuschicken, dass die Entscheidung die alte Antragsregel der Tonnagegewinnermittlung betraf. Sie erinnern sich. Erstjahr, Komi-Modell u.s.w.: Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Rechtssprechung auch für die Neuregelung der Antragsstellung (Stichwort: Antrag ab Indienststellung) gilt. Entschieden wurde über einen Fall, in dem das Schiff bereits vor Werftübernahme veräußert wurde. Hier soll unwiderleglich (!) gelten, dass keine Betriebsabsicht bestand. Das die Tonnagegewinnermittlung als solche die Absicht des Betreibens voraussetzt, dürfte einleuchten. Das Betreiben steht nicht beziehungslos neben den Personen, die Schiffe auf den Weltmeeren einsetzten. Warum aber sollte in dieser Fallkonstellation unwiderleglich (!) feststehen, dass nicht die Absicht des Betreibens besteht? Ein einfaches Beispiel beleuchtet die Fragwürdigkeit: Ändern wir den Sachverhalt um und nehmen an, dass trotz Verkaufs vor Werftabnahme in der Folgezeit sich herausstellt, dass das Schiff nicht an den Käufer herausgegeben werden kann (z. B. Insolvenz des Käufers), es also von unserer Einschiffsgesellschaft dann in der Folge betrieben wird. Es kommt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs auf den Zeitpunkt an, in dem alle Voraussetzungen der Tonnagegewinnermittlung erstmalig vorliegen. Soll auch in der gebildeten Fallabwandlung die unwiderlegliche »Vermutung« aufrecht erhalten werden? Wie steht es überhaupt mit dem Instrument der unwiderleglichen Vermutung? Bedarf es hierfür nicht einer gesetzlichen Bestimmung und wenn ja, worin soll diese bestehen? Fiktionen oder Analogien zulasten des Steuerpflichtigen sind wohl auch Finanzgerichten verwehrt. Man sollte dies noch einmal überdenken, zumal der Sachverhalt hierfür keine Veranlassung gab.

Nimmt man das Erfordernis der Absicht des längerfristigen Betreibens zur Kenntnis, konnte die Entscheidung wohl nicht anders ausfallen.

Die anderen Vermutungsregeln können selbstverständlich durch andersartige/atypische Sachverhalte widerlegt werden. Darüberhinaus seien noch ein paar andere Anmerkungen erlaubt. Man hat den Antrag auf Tonnagegewinnermittlung im Jahr des Abschlusses des Bauvertrags gestellt. Dies war nach der zutreffenden anderen Ansicht des Bundesfinanzhofs nicht notwendig. Die Frage der Zurechnung von Sonderbetriebseinnahmen im Rahmen doppelstöckiger Personengesellschaften wird gestreift. Die Notwendigkeit der Berücksichtigung der Gewerbesteuer selbst noch im finanzgerichtlichen Verfahren ist zu begrüßen. Die Fragen um die Tonnagegewinnermittlung, insbesondere im Zusammenhang mit sonstigen Bestimmungen des Unternehmensteuerrechts sind noch lange nicht geklärt. Es wird weitere Fälle gegen, so die Vermutung des Verfassers.

Klaus Voß