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Das Engagement der Reederei AG Ems beim Umweltschutz und nachhaltigen Schiffsbetrieb beschreibt Karl-Heinz Hochhaus


Einführung

Claus Hirsch und Cornel Thill hatten bereits im Herbst 2013 zur Hauptversammlung der STG in Berlin den[ds_preview] viel beachteten Vortrag »Konvertierung der ›MS Ostfriesland‹ zu einem Wattenmeer-LNG-Passagierschiff« [Hirsch, C.; Thill, C.: Konvertierung MS Ostfriesland zu einem Wattenmeer LNG Passagierschiff, Vortrag auf der 108. Hauptversammlung am 22.11.2013 in Berlin

Hochhaus, K.-H.: Schiffstechnik neu definiert« war des Motto der 108. STG-Hauptversammlung in Berlin, in: HANSA 2/2014] gehalten. Das Thema Umweltschutz, schärfere Umweltauflagen und auch wirtschaftliche Aspekte sind die wesentlichen Gründe, auf alternative und umweltfreundlichere Treibstoffe umzustellen.

Die Reederei AG Ems nimmt hier eine Vorreiterrolle ein und hat mit Partnern im Rahmen des Forschungsprojektes »MariTIM« die erste mit LNG (Liquefied Natural Gas) betrieben Wattenmeer-Passagierfähre Deutschlands geplant. Die derzeitige Reisegeschwindigkeit der »Ostfriesland« auf der Route Emden–Borkum beträgt bei einer Antriebsleistung von 2 x 950kW je nach Tide zwischen 13,5–14kn. Das verlängerte Schiff mit seinem neuen LNG-Antrieb (Abb. 1) wird voraussichtlich eine Geschwindigkeit von 16kn bei einer Leistung von 2 x 1.200kW haben. Darüber hinaus wird die Manövrierfähigkeit durch moderne Ruderpropeller verbessert.

Aktiengesellschaft Ems

Das in Emden beheimatete, kurz AG Ems genannte Unternehmen ist eine 1843 für den Seebäderverkehr zur Insel Borkum gegründete Reederei, die im Laufe der Zeit die Schiffsflotte vergrößerte und auch den Helgolandverkehr aufgenommen hat. Durch die Übernahme der Borkumer Kleinbahn erfolgte der Einstieg in den Bahnverkehr auf der Insel. Für den Luftverkehr im Küstenbereich wurde 1972 die Firma Ostfriesische Lufttaxi (OLT) übernommen und ausgebaut, die heute als Ostfriesischer-Flug-Dienst (OFD) firmiert. Mit der Firma Northern HeliCopter werden Krankentransporte, Rundflüge und Flüge in die Offshore-Gebiete durchgeführt.

Nach der Gründung der Ems Maritime Offshore ist die AG Ems in das Offshoregeschäft eingestiegen und hat sich im Bereich der maritimen Servicedienstleistungen für die Offshorebranche engagiert. Es werden Shuttledienste zwischen den Häfen und Offshore-Bauwerken durchgeführt. Die AG Ems ist heute ein Unternehmen mit insgesamt sechs Tochtergesellschaften aus dem Dienstleistungsbereich.

Forschungsarbeiten führen zum Umbau der »Ostfriesland«

Im Rahmen des »Interreg 4A«-F&E-Projektes »Maritim« steht die maritime Zusammenarbeit im deutsch-niederländischen Grenzraum im Mittelpunkt und konzentriert sich auf die Entwicklung zukünftiger Schiffsantriebssysteme. In der Modellregion Deutschland–Niederlande werden von 26 Projektpartnern in drei Teilprojekten umweltfreundliche Antriebe für Fahrgastschiffe, für Binnenschiffe und für Küstenschiffe mit einem geplanten Gesamtumfang von 8,7Mio. € untersucht. Mit zwölf Projektpartnern wurden im Teilprojekt »LNG Passenger Vessel« umfangreiche Forschungsarbeiten am Beispiel des Fahrgastschiffes »Ostfriesland« der AG Ems durchgeführt. Der Istzustand dieser Fähre wurde logistisch und messtechnisch untersucht und dokumentiert, um als Basis der bisherigen Situation zu dienen.

Nach der Analyse der Anforderungen an den zukünftigen nachhaltigen Schiffsbetrieb wurden verschiedene Antriebskonzepte unter den Randbedingungen der Wattenfahrt untersucht und bewertet. Als Ergebnis wurde ein umweltfreundlicher Antrieb mit Flüssiggas als Kraftstoff gewählt. Im Rahmen des Forschungsprojektes wurde aufgrund der ermittelten Daten eine Machbarkeitsstudie erstellt. Der sich daraus ergebende Umbau (Tabelle 1) beinhaltet ein komplett neues, 39m langes Hinterschiff mit optimierten Schiffslinien für eine energiesparende Anströmung der Ruderpropeller. Sie wurden in Modellversuchen beim Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme (DST) ermittelt [Hirsch, C.; Thill, C.: Konvertierung MS Ostfriesland zu einem Wattenmeer LNG Passagierschiff, Vortrag auf der 108. Hauptversammlung am 22.11.2013 in Berlin]. Die neue Antriebsanlage mit dem Tank und den notwendigen Hilfssystemen für den Schiffs- und Hotelbetrieb befindet sich in dem neuen Hinterschiff.

Neumotorisierung mit LNG als Kraftstoff

Als Ergebnis der F&E-Arbeiten wurde eine diesel-gas-elektrische Antriebsanlage aus insgesamt vier Generatoraggregaten und zwei Ruderpropellern gewählt. Sie besteht aus zwei Drehstromgeneratoren antreibende Wärtsilä-Dieselmotoren, die als Wechselmotoren mit verdampften LNG oder Gasöl (Dual-Fuel Gensets 6L20 DF) über eine Nennleistung von jeweils rund 1.060kW verfügen.

Zur Stromerzeugung stehen außerdem zwei Generatoren zur Verfügung, die von Mitsubishi Gasmotoren (GS6R2-MPT) mit je 390kW Nennleistung angetrieben werden. Alle vier Generatoraggregate versorgen eine elektrische Schaltanlage der niederländischen Firma Cofely, welche nach Prioritäten die einzelnen Verbraucher bedient und mit Hilfe des Power Management Systems die Anzahl der benötigten Generatoren vorgibt. Somit können die zwei Schottel Ruderpropeller (STP 1010) mit der Nennleistung von 1.150kW effizient mit dem jeweils benötigten Strom versorgt werden. Auch ein Bugstrahler mit 300kW Leistung zum schnelleren Manövrieren, die allgemeinen Stromverbraucher der schiffstechnischen Hilfssysteme und die Hotellast werden über diese Anlage versorgt.

Aufgrund dieser komplexen Anlage wurde die gesamte installierte Leistung niedrig gehalten, was wiederum dem Umweltgedanken Rechnung trägt. Das komplexe als LNGPac bezeichnete Tanksystem beinhaltet das Kraftstoffsystem für verflüssigtes Erdgas (-163 °C) mit dem eigentlichen Speichertank, der als Vakuum isolierter Typ »C« Tank ausgeführt wurde. Weiterhin gehört dazu die Gasregulierungseinheit mit den entsprechenden Sicherheits- und Steuerungselementen. Das Kraftstoffsystem wurde von Wärtsilä entwickelt, ebenso das als »Cold Recovery« bezeichnete patentierte System zur Verdampfung des LNG. Somit kann die Verdampfungswärme des Flüssiggases im Sommer zur Kälteversorgung der Klimaanlage genutzt werden, wodurch auch der Strombedarf der Kälteverdichter eingespart wird.

Kraftstoffversorgung

Die zukünftige LNG-Versorgung deutscher Häfen wurde in bereits beim STG-Sprechtag [3] vorgestellt. Dabei wurde die Preisentwicklung für Zeebrügge gezeigt (Abb. 2). Da in Deutschland bisher kein LNG-Terminal und keine LNG-Bunkerboote zur Verfügung stehen, erfolgt die Bebunkerung mit einem Tank-Lkw. Im Vortrag [1] wurden auch die für die Planung zugrunde gelegten LNG-Preise von 2010 bis 2030 genannt. Mit rund 20$/MM BTU lagen sie für 2013 deutlich unter dem MGO-Preis und etwa 5–10% über dem Schwerölpreis. AG Ems und Bomin Linde LNG haben im Januar 2014 den ersten Vertrag zur Lieferung von LNG in Deutschland unterzeichnet.

Die Umbauwerft BVT

Der Umbauauftrag wurde an das Unternehmen Brenn- und Verformtechnik Bremen (kurz BVT) vergeben, deren Zentrale sich in Bremen auf dem Industriegebiet der ehemaligen Bremer Vulkan Werft befindet. Hier wurde auch das neue Achterschiff gebaut, ausgerüstet und anschließend zur BVT-Niederlassung in Bremerhaven transportiert (Abb. 3). In Bremerhaven wird das bisherige Heck abgetrennt und das Vorderschiff mit dem neuen Achterschiff verschweißt.

Zusammenfassung

Im Rahmen des Forschungsprojektes »Maritim« hat sich die Reederei AG Ems stark im Teilprojekt »LNG Passenger Vessel« engagiert. Sie hat als Ergebnis mit dem Auftrag zum Umbau der »Ostfriesland« in eine LNG Wattenmeer Passagierfähre eine Pionierfunktion eingenommen. Der Umweltschutz und nachhaltige Schiffsbetrieb, aber auch wirtschaftliche Aspekte, haben den Ausschlag gegeben. Nach Aussagen der Reederei wird die Fähre im September zerschnitten und mit dem neuen Achterschiff zusammengefügt. Im Spätherbst 2014 wird sie den Probebetrieb aufnehmen und Ende 2014 ist die Wiederindienststellung geplant.


Dr.-Ing. Karl-Heinz Hochhaus