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Die großen Containerhäfen an Europas Nordrange sind – außer Bremerhaven – zurück auf Wachstumskurs. Hamburg hebt sich trotz vieldiskutierter Probleme positiv ab. Die Ursachen für die unterschiedlichen Entwicklungen sind nicht ganz klar

Rotterdam und Antwerpen haben nach Rückgängen im Gesamtjahr 2013 wieder positive Umschlagzahlen gemeldet. Während Europas größter Standort in den Niederlanden[ds_preview] ein kleines Plus von 1,9% auf 6,01Mio. TEU verzeichnete, betrug die Steigerung im belgischen Hafen immerhin 2,9%. Insgesamt gingen von Januar bis Juni an der Schelde 4,4Mio. TEU über die Kaikanten. In Bremerhaven mussten die Verantwortlichen ein erneutes Minus um 2,8% auf 2,84Mio. Standardcontainer hinnehmen. Deutschlands wichtigster Umschlagplatz Hamburg hat an der Nordrange dadurch weitere Marktanteile hinzugewonnen: Im ersten Halbjahr gab es ein Wachstum von 6,8% auf 4,8Mio. TEU.

Angesichts der Probleme, mit denen der Elbehafen konfrontiert ist, erscheint der Vergleich der Standorte auf den ersten Blick etwas überraschend. Die Diskussionen um die dringend benötigte, aber immer noch nicht in Angriff genommene Elbvertiefung ebben seit Jahren nicht ab. Die seewärtige Zufahrt ist für viele der ganz großen Containerschiffe entweder gar nicht oder nur mit zum Teil großen Einschränkungen möglich. Neben der Tiefe der Fahrwasserrinne wird auch die Breite der Elbe kritisiert. Die gerichtliche Auseinandersetzung mit Umweltschutzorganisationen um die Baggerarbeiten dauert an. Schon seit einiger Zeit heißt es, dass die Reedereien sich mit jedem Tag, an dem eine Einigung auf sich warten lässt, intensiv nach Alternativen zu Hamburg umschauen und ihre Frachter in andere Häfen umleiten (werden).

Hinzu kamen zuletzt große Schwierigkeiten in der landseitigen Abfertigung und Weiterleitung der Warenströme. Auf den Terminals stockte der Verkehr im ersten Halbjahr immer wieder, weil die Mengen nicht effektiv genug ins Hinterland weitertransportiert werden konnten. Ursächlich dafür sind unter anderem Infrastruktur-Baustellen, aber auch Verspätungen vieler Schiffe. Nach wie vor dominiert mit 59% der Abtransport auf der Straße. Mit Binnenschiffen werden lediglich 2% aus dem Seehafen ins Hinterland befördert. Die übrigen 39% entfallen auf die Bahn. Hier sehen sich die Verantwortlichen an der Elbe besonders gut aufgestellt, zumal dieses Segment erneut zulegen konnte – immerhin um 5,3%. Es wird betont, dass Hamburg Europas größter Bahnhafen ist.

Im Wettbewerb an der Nordrange ist das ein wichtiger Aspekt – und es verbessert die ökologische Bilanz, die in Hamburg als Stadthafen ebenfalls wichtig ist. Mit diversen Maßnahmen zur Verbesserung der Abläufe auf den Terminals versucht man an der Elbe mittlerweile, Verstopfungen zu vermeiden. So wurden die Prozesse optimiert und zusätzliche Hafenarbeiter eingestellt, um die Container schneller und effektiver abfertigen zu können.

Trotz dieser Probleme hat Hamburg dennoch keine Container an die Konkurrenz verloren. Nach offiziellen Angaben stieg der Marktanteil sogar. In Branchenkreisen ist man sich über die ausschlaggebenden Gründe dafür nicht ganz sicher. Unter Experten werden verschiedene Ursachen angeführt.

Zum einen wird die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands genannt. Das ist für den Umschlag in Hamburg ein entscheidender Faktor. Hinzu kommt – etwa im Vergleich zu Bremerhaven – dass Hamburg selbst eine große Metropole ist, in deren Umfeld einige Absatz- und Konsummärkte liegen.

Auf der anderen Seite ist aber auch bekannt, dass Antwerpen und vor allem Rotterdam ebenfalls wichtige Umschlagplätze für deutsche Märkte in Südwest- und Westdeutschland sind. Dort sind nicht wenige der Mittelständler ansässig, die mi ihren Exporten einen gewissen Anteil an der Wirtschaftskraft Deutschlands haben. Viele Güter gelangen per Bahn, Lkw oder Binnenschiff über die BeNeLux-Staaten auf die globalen Märkte. Hamburg wiederum hat gute und viele Verbindungen nach Mitteldeutschland sowie Nord-, Mittel- und Osteuropa, dessen Entwicklungen sich auf den Elbehafen auswirken. So stellt der Containerverkehr über Schiff und Bahn mit diesen Regionen ein wichtiges Standbein dar. Der Containerumschlag für Ostseeverkehre beispielsweise wuchs im ersten Halbjahr um 4,5% und ist mit 1,17Mio. TEU – nach Nordostasien – das zweitstärkste Segment. Unter den zehn wichtigsten Handelspartnern für Container befinden sich auf Rang 2 Russland, auf Rang 4 Polen sowie Finnland (5.) und Schweden (8.). Die Polen-Verkehre wuchsten gar um 33,5% auf 199.000TEU. Die im Zuge der Ukraine-Krise gegen Russland verhängten wirtschaftspolitischen Sanktionen haben sich laut der Organisation Hafen Hamburg Marketing (HHM) im ersten Halbjahr (noch) nicht signifikant auf die Gütermengen ausgewirkt. Dennoch gab es einen Rückgang um 3,8% auf 330.000TEU. Das Minus führen die Verantwortlichen auf einen schwachen Rubel und die Inflationsentwicklung in Russland zurück. Sollten sich die Sanktionen verschärfen, könnten weitere Rückgänge folgen. Russland ist wie erwähnt nach China der zweitwichtigste Container-Handelspartner des Hafens.

Ein weiterer Aspekt ist, dass nicht nur Hamburg, sondern auch Rotterdam im Jahresverlauf mit zum Teil großen Problemen bei der Abfertigung zu kämpfen hatte. Weil viele der Schwierigkeiten durch bis zu 70-stündige Verspätungen von Containerschiffen verursacht wurden, leiden die betroffenen Häfen der Nordrange in ähnlichem Maße. In Rotterdam wurde zur Abfederung eigens ein Aktionsplan für die Binnenschifffahrt entwickelt. Von den Staus waren besonders das ECT Delta Terminal und das Euromax Terminal betroffen. Die Beteiligten einigten sich auf drei Maßnahmen, in deren Rahmen Containervolumen auf verschiedene Terminals verteilt werden. Sie sind zwar primär auf die Binnenschifffahrt bezogen. Die Verantwortlichen erhoffen sich aber auch positive Effekte auf die Abfertigung von Hochseeschiffen. Mittlerweile hat sich die Situation stark verbessert, heißt es.

Rotterdam ist als Europas größter Hafen außerdem und noch stärker ein Universalumschlagplatz – mit Verbindungen in viele Teile der Welt. Dementsprechend wirken sich auch mögliche Veränderungen und Entwicklungen aus vielen Regionen auf den Umschlag in den Niederlanden aus. Hamburg ist zwar ebenfalls ein großer Universalhafen. Doch hier ist der Fokus auf Fernost noch stärker, sagen Experten. Die Fahrtgebiete »übriges Europa« ohne die Ostsee, sowie Nord- und Lateinamerika sind mit 0,36 Mio, 0,27Mio. und 0,26Mio. TEU für Hamburg weit weniger wichtig. Daher schlagen sich Trends aus China und eben Deutschland an der Elbe möglicherweise auch stärker in den Abfertigungsbilanzen nieder. So verzeichnete man für Chinaladung ein Plus von 12,9% auf 1,4Mio. TEU, für Nordostasien insgesamt steht ein Umschlag von 1,79Mio.TEU in der Bilanz. Die Volksrepublik ist maßgeblicher Akteur beim Containerumschlag. So lagen 2013 sechs der zehn größten Häfen in China – wobei hierzu zu sagen ist, dass auch der innerasiatische Verkehr stark zugenommen hat und sich entsprechend auswirkt.

Verschiedene Schwerpunkte

Auch Antwerpen und Bremerhaven sind etwas anders aufgestellt. Im belgischen Hafen sind laut Auskunft der verantwortlichen Behörde Verbindungen innerhalb Europas sowie mit Nord- und Zentralamerika zum Teil bedeutender als nach Fernost – auch wenn für dieses Fahrtgebiet zuletzt starke Wachstumszahlen gemeldet wurden. Für Bremerhaven und Rotterdam liegen zwar noch keine genauen Zahlen für einzelne Regionen vor. An den Meldungen für 2013 kann man aber eine Tendenz ablesen. So waren die USA der wichtigste Partner vor China, Russland, Finnland, Polen und Mexiko. Der wichtige Hub Singapur liegt auf Rang 10.

Zudem hatte Hamburg in den vergangenen Jahren teilweise mehr Volumen verloren als die Konkurrenten. Daher sei es normal, dass sich die Situation jetzt wieder »einpendelt« und Hamburg bessere Zahlen vorweist, heißt es in der Branche. Die Elbmetropole hat im Wettbewerb Vorteile – noch, wie Kritiker meinen. Insgesamt sind die Servicequalität und die gute Hinterlandanbindung ein wichtiges Pfund, mit dem Reeder davon abgeschreckt werden, in großem Umfang Liniendienste umzuleiten.

Außer Acht gelassen werden dürfen aber nicht mögliche künftige Aspekte. Dazu gehört neben der Elbvertiefung auch das neue Terminal Maasvlakte II in Rotterdam sowie der nach wie vor schwach genutzte JadeWeserPort und auch die Hubs in Gdansk, Tanger oder in Südeuropa. Wie sich die dortigen Entwicklungen auswirken, ist schwer vorherzusehen. Dafür haben sich einige Prognosen über Rückgänge oder das Aufstreben kleinerer Standorte schon diverse Male nicht oder nur zum Teil bewahrheitet.

Es bleiben Unwägbarkeiten. Der JadeWeserPort steht prinzipiell bereit. Im marokkanischen Tanger und in Gdansk an der Ostsee wachsen die Mengen, unter anderem durch die starke Verbindung zur weltgrößten Linienreederei Maersk. Schon im vergangenen Jahr meldeten die Standorte Zuwächse um 40,1% beziehungsweise 27%. Der polnische Hafen wird etwa von den Triple-E-Schiffen der Maersk Line angelaufen. Auch Piräus verbuchte ein starkes Plus um 15,7%. In Gioia Tauro waren es 13,4%. Nicht wenige Beteiligte erwarten, dass der italienische Hafen zum wichtigsten Hub für das Mittelmeer werden könnte.

Das dänische Unternehmen hatte jüngst den deutschen Häfen in der nordeuropäischen Konkurrenz einen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit attestiert. Der JadeWeserPort habe kein zukunftsweisendes Hafenkonzept und sei in einer konjunkturellen Hochphase zu optimistisch geplant worden, sagte Jens-Ole Krenzien, Managing Director von Maersk Line Germany. In Hamburg sei für die Reederei nicht nur die Tiefe der Fahrrinne, sondern auch die Breite von enormer Bedeutung, da der Begegnungsverkehr zunehmend Sorge bereite.

Auch ist eine stärkere Versorgung von südost- und mitteleuropäischen Volkswirtschaften über Häfen wie Piräus möglich. Zumal dort mit COSCO ein Konzern massiv investiert, der für einen signifikanten Anteil der chinesischen Warenströme verantwortlich ist. Hinzu kommt die Entwicklung zu immer größeren Containerschiffen, die entsprechende seeseitige Zufahrten benötigen. Die sich hinziehende Elbvertiefung ist neben den Infrastrukturbaustellen an Brücken und Straßen für Hamburg immens wichtig. Jedoch dürften die Grenzen dieser Zufahrt irgendwann erreicht sein.
Michael Meyer