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Zusammen mit der Bugsier-Reederei arbeitet das finnische Unternehmen Wärtsilä derzeit an einem neuartigen Logistikkonzept für die Offshore-Windbranche, das einen deutlichen Beitrag zur Kostenreduzierung leisten soll.


Die neueste Generation von Offshore-Installationsschiffen ist nicht günstig zu haben. Mit Charterraten von 150.000€ pro Tag ist es bei[ds_preview] diesen Hightech-Geräten oft nicht getan – viel Geld, das auch dann fällig wird, wenn die Schiffe zwischen Baufeld und Basishafen pendeln, um sich dort neue Komponenten abzuholen. Denn so läuft es bisher: Einen guten Teil ihrer Einsatzzeit können die Jack-up Vessels nicht ihrem eigentlichen Job, der Installation von Windenergieanlagen, widmen, weil sie mit Pendelfahrten und Umschlagvorgängen im Hafen beschäftigt sind. Wertvolle Wetterfenster für die Errichtung bleiben dabei häufig ungenutzt. Das könnte sich demnächst ändern, wenn es nach Wärtsilä und Bugsier geht. Gemeinsam arbeiten die beiden Unternehmen derzeit an einem neuen Logistikkonzept für die Offshore-Branche, das auf einem Feedersystem basiert und den Bau von Meereswindparks nicht nur insgesamt effizienter, sondern vor allem auch kostengünstiger machen soll. Im Zentrum steht dabei das eigens hierfür entwickelte J-LASH (Jackable Lighter Aboard Ship) – ein Installationsschiff, das im Baufeld bleibt und sich die Komponenten von kleineren Transporteinheiten zuliefern lässt.

Installationsschiff mit Dock zur sicheren Übergabe der Ladung

Die Idee, beim Bau von Offshore-Windparks mit Feederkonzepten zu arbeiten, ist nicht neu. In der Praxis sind entsprechende Vorhaben bislang allerdings daran gescheitert, dass ein fest stehendes Jack-up Vessel die mehrere hundert Tonnen schweren Fundamente und Turbinen nur bei sehr geringem Seegang gefahrlos von einer schwimmenden Zubringerbarge übernehmen kann. Die ebenfalls schon angedachte Idee, Bargen zu diesem Zweck mit eigenen Hubsystemen auszustatten, hat sich bisher offensichtlich als nicht wirtschaftlich erwiesen. Beim J-LASH-Konzept soll die Problematik nun so gelöst werden, dass das Installationsschiff anstelle eines Ladedecks ein Ladedock hat und somit selbst als »Basishafen« dient. Die mit Komponenten beladene Barge fährt in das Dockschiff ein, wodurch eine sichere Übergabe der Ladung losgelöst vom Seegang ermöglicht wird. Nach dem Verbauen der angelieferten Fuhre wird die Barge ausgedockt und durch eine andere ersetzt, die direkt aus einem Produktionshafen kommend das Baufeld just in time erreicht.

Durch diese Entkoppelung von Transport und Errichtung lasse sich viel Zeit und Geld sparen, betont Bugsier-Abteilungsleiter Sven Schröder: »Wir gehen davon aus, dass der Bau eines Offshore-Windparks mit unserem Konzept 30% schneller gehen kann und in der Errichtungslogistik 15% günstiger wird.« Ein Gutachten des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) habe kürzlich ergeben, dass die Installation von 80 Fundamenten in einem 100sm vom Basishafen entfernten Windpark bei realem Wetter mit dem neuen System 165 statt der mit einem pendelnden Errichterschiff benötigten 263 Tage dauere und statt 59,4 nur noch 48,6Mio. € koste. »Und das, obwohl wir für die Berechnung davon ausgegangen sind, dass sich bei beiden Konzepten die Schiffe ihre Ladung aus einem Basishafen holen«, so Schröder. Faktisch sei es mit dem J-LASH jedoch gar nicht erforderlich, die Komponenten von ihren jeweiligen Produktionsstätten zunächst zu einem schwerlastfähigen Hafen zu bringen, der von den großen Installationsschiffen angelaufen werden könne. »Wir können direkt aus dem Produktionshafen liefern und brauchen dadurch letztlich keinen ertüchtigten Basishafen mehr, das wird am Ende die Kosten noch weiter senken.« Es sei geplant, dass das ISL demnächst noch einmal neu kalkuliere und dann auch Sekundäreinsparungen wie diese mit einrechne.

Arbeitsteilung auf See: Spezialisten für jede Aufgabe

Auch bei Wärtsilä erhofft man sich viel von der Neuentwicklung. »Die Offshore-Windenergie wächst langsam aus den Kinderschuhen heraus«, meint Henning von Wedel, bei Wärtsilä Deutschland zuständig für den Bereich Konzeptentwicklung und Innovation. »Die Parks werden immer größer, die Serienfertigung kann beginnen: Dadurch wird es einfacher, die vorhandenen Einsparpotenziale zu heben.« Zur Industrialisierung gehöre es auch, dass Arbeiten aufgeteilt würden und jeder innerhalb seines Spezialgebiets das mache, was er am besten könne – so seien letztlich drei unterschiedliche Spezialschiffe Bestandteil des J-LASH-Systems: neben dem Installationsdockschiff, das ausschließlich zur Errichtung eingesetzt werde, eben die Transportbargen mit flexiblem Stauraum sowie Schlepper mit speziellen Manövriereinrichtungen, die die beladenen Bargen ins Baufeld und wieder zurück brächten. »Diese Arbeitsteilung in einem größer werdenden Markt ist der Hauptvorteil unseres Konzepts«, sagt von Wedel. »Die ISL-Studie belegt, dass es funktioniert und tatsächlich deutlich effizienter ist.«

Schon lange ist das finnische Unternehmen nicht mehr nur als Produzent von Schiffsmotoren, Propellern und Automationssystemen bekannt, sondern hat sich auch im Schiffsdesign und bei der Entwicklung von innovativen Speziallösungen für die maritime Branche einen Namen gemacht. »Im Bereich Schiffbau wird der Wettbewerb nur dann in Europa zu halten sein, wenn hier weiter in Technologie investiert wird und die Technologieführerschaft gesichert werden kann«, betont von Wedel. Insofern sei Innovation lebensnotwendig für den hiesigen Markt: Wärtsilä habe sich unter anderem durch die Erarbeitung neuer Konzepte wie diesem darauf eingestellt. »Wir schauen nicht nur auf den Motor oder das Schiff, sondern auf die komplette Transportlösung. Durch eine Minimierung der Schnittstellen können wir sicherstellen, dass das Ganze im System funktioniert und ein Schiff langfristig verfügbar ist.« Man hoffe natürlich, bei einer erfolgreichen Vermarktung des J-LASH-Systems am Ende auch die eigenen Produkte liefern zu können.

Erster Kunde soll noch in diesem Jahr unterschreiben

Nachdem der Entwurf fertiggestellte wurde, wird derzeit das Basic Design vorbereitet. Das Konzept geht pro Installationsschiff von zwei Schleppern und drei Bargen aus, von denen jeweils eine im Dockschiff gelöscht wird, eine weitere auf dem Weg ins Baufeld ist und die dritte im Hafen beladen wird. Die Bargen sollen 85m lang und 30m breit sein und bei einer verfügbaren Decksfläche von 2.400m² bis zu 2.500t zuladen können. Zwar ist die Tagescharterrate für die Gesamtflotte nach Angaben von Sven Schröder etwa 15 bis 20 % höher als bei den bisher gängigen Logistikkonzepten: Durch die vorgesehene enorme Verkürzung des Errichtungszeitraums steht unter dem Strich aber schließlich dennoch die oben erwähnte Kostenreduzierung, wie sie das ISL berechnet hat. »Die gesamte Branche hat sich zum Ziel gesetzt, die Stromgestehungskosten zu senken«, sagt Schröder. »Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht.«

Auch wenn derzeit kein Engpass an Errichterschiffen auf dem Markt zu erkennen ist, gehen Wärtsilä und Bugsier davon aus, noch in diesem Jahr einen ersten Kunden für ihr System präsentieren zu können. »Der Bedarf an effizienten und kostensparenden Lösungen ist auf jeden Fall da und wird sich über kurz oder lang durchsetzen«, zeigt sich Schröder überzeugt. Als Abnehmer kommen nach seiner Aussage vor allem Installationsdienstleister und große Energieversorger mit eigenen Offshore-Projekten in Frage. Dabei hat das Entwicklerteam nicht nur den deutschen Markt im Blick, der mit zwei neuen Offshore-Windparks pro Jahr – so gibt es das reformierte Erneuerbare-Energien-Gesetz ab 2020 vor – wohl auch zu klein wäre für ein solches Konzept. Vielmehr sei derzeit bei allen Nordsee-Anrainern ein Interesse zu erkennen, berichtet Schröder: »Langsam kommt auch international Musik in das Geschäft.« Einen Vorteil sieht der Bugsier-Abteilungsleiter darin, dass das J-LASH-System zugleich spezialisiert und sehr flexibel sei. So

sei es nicht nur für die Offshore-Windenergie geeignet, sondern könne auch

bei der Inbetriebnahme und Stilllegung von Öl- und Gasplattformen eingesetzt werden.


Anne-Katrin Wehrmann