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Der Verdrängungswettbewerb unter den Linienreedern hat eine Konsolidierungswelle in Gang gesetzt. Analyst Andreas Mietzner zeigt Ursachen, Geschehnisse und Konsequenzen auf
Waren ihre Pioniere in den 1950er- Jahren teilweise noch belächelt worden, gilt die Containerschifffahrt heute als Herzstück der Globalisierung. Rund[ds_preview] 90% aller Nicht-Massengüter werden heute mit Containerschiffen transportiert. Die Entwicklung des Containertransports stellt eine beispiellose Erfolgsgeschichte dar. Trotz ihrer relativ kurzen Existenz hat die Containerschifffahrtsbranche schon mehrfach verschiedenste Konsolidierungsprozesse erlebt. Doch noch nie waren die Konsolidierungen so allumfassend wie heute.

Gegenwärtig ist die Branche durch einen harten Verdrängungswettbewerb gekennzeichnet. Frachtraten auf niedrigem Niveau und hohe Bunkerpreise haben den Kostendruck zunehmend steigen lassen. Zwar sind die Bunkerpreise in den letzten zwei Monaten stark gefallen, doch befinden sie sich noch immer auf einem historisch niedrigem Niveau. Es bleibt fraglich, wie nachhaltig der Preisrückgang sein wird.

In den vergangenen Jahren kam es bedingt durch historisch niedrige Neubaupreise, die Erweiterung des Panamakanals, den Bunkerkostendruck und die globale Liquiditätsschwemme zu einer Neubaubestellungswelle, die aus Sicht der Linienreeder vornehmlich ein Ziel verfolgte: das Erlangen von Skalenerträgen.

Das Marktumfeld hat sich in den letzten Jahren verändert. Das globale Wachstum der Post-Lehmann-Ära hat sich verlangsamt. Zum einen wächst das Bruttoinlandsprodukt der überschuldeten westlichen Industrieländer nur sehr langsam und die diversen geldpolitischen Stimuli zeigen nur bedingt die gewünschte Wirkung. Zum anderen ist das Wirtschaftswachstum in den Schwellenländern, insbesondere in China, nicht mehr so stark wie im letzten Jahrzehnt. Während das geringere Wachstum in China u.a. auf hohe Zinsen und eine den Binnenkonsum fördernde Wirtschaftspolitik zurückzuführen ist, kann in vielen westlichen Ländern eine »Reindustrialisierung« beobachtet werden.

Hinzu kommt, dass der Prozess der so genannten »Containerisierung« nahezu abgeschlossen ist. Das Potenzial an Gütern, die noch nicht von einem anderen Transportträger zur Verschiffung mit dem Container gewechselt sind, nimmt zunehmend ab. Lag der Multiplikator des Verhältnisses von Bruttoinlandsproduktwachstum zum Wachstum im Containerumschlagvolumen in der ersten Hälfte der Nullerjahre noch über drei, dürfte er sich gegenwärtig nur noch bei ca. 1,6 befinden.

Diese Entwicklungen haben deutliche Auswirkungen auf die Ladungsvolumina der verschiedenen Handelsrouten. Insbesondere auf den Strecken zwischen Fernost und Europa, auf der die neu abgelieferten Ultra Large Containerschiffe (ULCS) fahren, übersteigt das Angebot die Nachfrage. Dies hat negative Effekte auf die Ertragssituation der Branche.

In den letzten fünf Jahren waren die durchschnittlichen Betriebsergebnisse der Linienreedereien mehrheitlich negativ. Zwar konnte man nach einem katastrophalen Geschäftsjahr 2009 in 2010 wieder satte Gewinne erzielen, doch kam es 2011 zu einem deutlichen Rückfall der Betriebsergebnisse. 2012 konnte branchenweit im Mittel Gewinn erwirtschaftet werden. Seitdem dümpelt die durchschnittliche Gewinnmarge im niedrigen negativen Bereich. Der Hauptgrund für die schlechten Ergebnisse ist in den niedrigen Frachtraten zu sehen.

Während die Branche insgesamt kontinuierlich Verluste einfährt, gibt es einzelne Marktteilnehmer, die es schaffen, trotz der schwierigen Einnahmesituation ein positives Ergebnis zu erzielen. Zwar gibt es auch wenige kleine Linienreeder wie beispielsweise die taiwanesische Wan Hai oder die japanische K-Line, doch sind es hauptsächliche Branchenriesen wie Maersk Line oder neuerdings auch CMA CGM, die deutliche Gewinne realisieren. Der Rest der »kleinen« und »mittelgroßen« Linienreeder hat Schwierigkeiten, auf einen grünen Zweig zu kommen. Bei detaillierter Analyse ist ein deutlicher Zusammenhang zwischen Profitabilität und Größe feststellbar.

Offenbar haben es die größeren Marktteilnehmer besser geschafft, ihre Kostenstruktur zu verschlanken. Nur eine entsprechende Flottengröße und Flottenkomposition versetzt einen Carrier in die Lage, seine Servicenetzwerke zu optimieren und seine Schiffskapazitäten effizienter einzusetzen. Eine effizientere Kapazitätsauslastung geht mit einer Stückkostenreduktion einher. Das Erzielen von Größenvorteilen und Kostenreduktionen durch strategische Allianzen oder gar Akquisitionen oder Fusionen stellt somit in der gegenwärtigen Marktsituation die günstigste (und oft die einzige) Möglichkeit dar, die wirtschaftliche Existenz zu sichern, bis wieder bessere Zeiten kommen.

Durch einen Zusammenschluss können mehr Häfen in einer höheren Frequenz angelaufen- und die Routenplanung flexibler gestaltet werden. Ein weiterer Synergieeffekt ist u.a. eine deutliche Bunkerkostenersparnis, da Häfen nicht mehr doppelt angelaufen werden müssen und Schiffe aufgrund der größeren Flotte teilweise langsamer fahren können. Seit knapp drei Jahren sind vermehrt Konsolidierungsaktivitäten zu beobachten.

Als Reaktion auf den drastischen Frachtratenverfall schlossen sich Ende 2011 die Grand Alliance bestehend aus Hapag-Lloyd, der NYK Line und OOCL und die New World Alliance, mit den Mitgliedern American President Line, Hyundai Merchant Marine und Mitsui O.S.K. Lines zur G6-Allianz zusammen.

Zur gleichen Zeit wurde eine Zusammenarbeit bekannt gegeben, die noch mehr Aufmerksamkeit auf sich zog: Die zweitgrößte Containerlinienreederei der Welt, MSC und der weltdrittgrößte Liniendienstanbieter CMA CGM gaben eine Kooperation auf den Ost-West-Verkehren bekannt.

Ebenfalls seit Ende 2011 hatten die CKYH-Allianz bestehend aus COSCO, K-Line, Yang Ming und Hanjin mit Evergreen auf den Fernost-Europa-Verkehren kooperiert. Gut zwei Jahre später, im Februar 2014, wurde angekündigt, dass Evergreen der CKYH-Allianz beitritt. Die neue Allianz heißt CKYHE.

Nachdem die Konsolidierungsaktivitäten 2012 zurückgegangen waren, setzten die drei größten Linienreeder im Juni 2013 einen Paukenschlag. Die Ankündigung der P3-Allianz versetzte die Branche in Aufregung. Eine Allianz zwischen der Maersk Line, der Mediterranen Shipping Company und CMA CGM würde es für die Konkurrenz sehr schwer machen, im harten Verdrängungswettbewerb zu bestehen. Aber es kam bekanntlich anders als erwartet. Wenige Monate vor dem geplanten Start und genau ein Jahr nach Bekanntwerden der angestrebten Allianz wurde den Initiatoren der P3 vom Handelsministerium der Volksrepublik China (MOFCOM) ein Strich durch die Rechnung gemacht. Mit einem Marktanteil von ca. 47% auf den Fernost-Nordeuropa-Verkehren hätte die P3-Allianz eine extrem dominante Stellung eingenommen.

Das kartellrechtliche Veto der chinesischen Behörden kam überraschend. Doch es dauerte nicht lange, bis zwei der drei Parteien eine Reaktion zeigten. Maersk und MSC kündigte schon drei Wochen später an, zukünftig unter dem Namen 2M auf allen Haupt-Ost-West-Verbindungen zu kooperieren. Nach erfolgreicher Genehmigung durch die verschiedenen Kartellbehörden soll das »vessel sharing agreement« Anfang 2015 starten. Es ist für einen Zeitraum von zehn Jahren angelegt.

Die Bildung der 2M-Allianz brachte CMA CGM in eine schwierige Situation. Trotz ihrer Größe wäre es für die französische Reederei schwer geworden, auf sich alleine gestellt auf den wichtigen Ost-West-Verkehren konkurrenzfähig zu bleiben. In dieser Situation lag es nahe, nach Partnern Ausschau zu halten, die sich in einer ähnlichen Situation befinden: zu groß um nicht auf den Ost-West-Verkehren engagiert zu sein, jedoch zu klein, um alleine im Verdrängungswettbewerb bestehen zu können. Der Kreis möglicher Kandidaten war klein und so waren die neuen Partner relativ schnell gefunden. Im September 2014 kündigten CMA CGM, UASC und CSCL die Gründung der neuen Ocean Three-Allianz an.

Auf der Strecke zwischen Fernost und Europa ist somit nahezu der gesamte Markt zwischen vier Allianz-Gruppen aufgeteilt. Dies ist eine beachtliche Entwicklung, wenn man bedenkt, dass 2009 noch zehn voneinander unabhängige Anbieter auf diesen Strecken verkehrten. 2 M, CKYHE, G6 und Oceans Three kontrollieren insgesamt 96% der Containerschiffskapazitäten auf den Haupt-Ost-West-Routen von und nach Europa. Auf den Ost-West-Strecken in und aus den USA stellen die vier großen Allianzen 93% der Containertransportkapazität. Diese Zahlen verdeutlichen, dass diejenigen, die nicht zu einer dieser Allianzen gehören, es schwer haben werden, auf den West-Ost-Strecken zu überleben.

Der Konsolidierungsprozess schreitet aber nicht nur in Form von Allianzbildung voran. In Deutschland und Südamerika scheinen »Mergers & Aquisitions« in diesem Jahr en vogue zu sein. Im Frühjahr 2013 waren die Verhandlungen über einen Zusammenschluss von Hapag-Lloyd und Hamburg Süd »auf Eis« gelegt worden. Kein Jahr später gaben Hapag-Lloyd und CSAV im Januar dieses Jahres ihre Fusion bekannt. Die Reaktion der Hamburg Süd, die genau wie Hapag-Lloyd ihr Streckennetzwerk nach und von Südamerika verbessern möchte, folgte ein halbes Jahr später. Im Juli 2014 wurde öffentlich, dass Hamburg Süd die Linienaktivitäten des chilenischen Carriers CCNI übernimmt. Somit bauen die beiden in Hamburg ansässigen Reedereien ihre Kompetenzen im Südamerikaverkehr weiter aus.

Wie Neil Dekker, Leiter des Container Research von Drewry, kürzlich sagte, liegt der Schlüssel zum Überleben im langfristigen Management und im Teilen von Kosten. Die Strategie der Stückkostensenkung wird nicht zwangsläufig zu einer besseren Auslastung führen, da alle Linien ihre Kapazitäten ausweiten. Ein zukünftiger Schlüsselfaktor werden die Kostensenkungseffekte durch die Bildung von Allianzen sein.

Es wird sich zeigen, ob es allen Allianzen bzw. deren Mitgliedern gelingen wird, ihre Profitabilität zu sichern bzw. wiederherzustellen. Der Konsolidierungsprozess führt zur Bildung eines Angebotsoligopols auf den Ost-West-Strecken. Am Chartermarkt, wo die Linienreeder als Nachfrager agieren, ist ein Nachfrageoligopol (Oligopson) entstanden.

Während die Marktmacht der Linienreeder am Chartermarkt schon lange wahrnehmbar ist, ist am Frachtmarkt noch nicht viel davon zu spüren. So lange die schon getroffenen und geplanten Konsolidierungsmaßnahmen keinen nachhaltigen Erfolg zeigen, wird der Konsolidierungsdruck fortbestehen.

Unlängst haben Hamburg Süd und UASC bekannt gegeben, dass sie in Zukunft zusammen arbeiten werden. Während Hamburg Süd so die Strecken zwischen Asien und Europa bedienen kann, bekommt UASC die Möglichkeit, ihr Netzwerk nach Südamerika auszubauen. Es ist wahrscheinlich, dass auch dies nicht der letzte Zusammenschluss gewesen sein wird.