Unerledigte Hausaufgaben

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Die deutsche Schifffahrt ist lange im Meer aus KG-Geld geschwommen. Doch als die Ebbe kam, standen viele Reeder plötzlich[ds_preview] nackt da. In der Kälte einer Krise zeigt sich, wie gut man sich in der Vergangenheit gekleidet hat. »Der Standort Deutschland glich auf einmal einem FKK-Strand«, sagte Christoph Toepfer, CEO von Borealis Maritime, auf dem 18. »HANSA-Forum Schifffahrt & Finanzierung« in Hamburg.

Es ist keine neue Erkenntnis, aber sie bleibt – wohl noch auf längere Zeit – aktuell: Die Akteure der deutschen maritimen Wirtschaft müssen ihre Hausaufgaben machen, wenn sie ihre Position halten beziehungsweise (wieder) verbessern wollen. Mit Blick auf die derzeitigen Bedingungen auf den Märkten ist diese Erkenntnis möglicherweise aktueller denn je. In einigen Segmenten ist die Notwendigkeit besonders groß.

Zu denen, die wieder mehr Engagement zeigen sollten, gehören die deutschen Reedereien. »Aussitzen« und »Abwarten« kann nicht die Devise sein. »Agieren« statt (bestenfalls) »Reagieren« ist gefragt. Das wurde auf dem jüngsten HANSA-Forum betont. An der wiederholt großen Resonanz bei der Veranstaltung lässt sich jedoch auch ablesen, dass Chancen und Wille durchaus vorhanden sind. Auf den internationalen Kapitalmärkten gibt es nach wie vor Finanzierungsmöglichkeiten – beispielsweise in Oslo oder in den USA. Zwar ist klar, dass eine gute Entwicklung von einer Vielzahl von Faktoren abhängt. Da spielt das Verhalten von Banken ebenso eine Rolle wie politische Rahmenbedingungen – Stichwort »Versicherungssteuer auf Pools«.

In der neuen Realität müssen die Reeder allerdings auch bereit sein, ihre Strukturen den Gegebenheiten anzupassen und ein Stück Kontrolle einem kapitalstarken Partner zu übertragen. Der fragmentierte deutsche Tramp-Wettbewerb mit seinen vielen »kleinen« Akteuren hat nach Ansicht einiger Experten noch keine Antwort auf die Konsolidierungswelle in der Containerlinienschifffahrt gefunden. Wie es in der deutschen Reedereilandschaft künftig aussehen wird, hängt auch davon ab, inwiefern sich die Beteiligten aufstellen und ob die richtigen Lehren aus der Vergangenheit gezogen werden.

Aber nicht nur die Reedereien stehen weiter vor großen Herausforderungen. Auch die deutschen Werften dürfen sich nach der vielerorts erfolgten Umstellung auf Nischenmärkte keine Pause gönnen. Ein wichtiges Betätigungsfeld ist das Reparatur- und Umbaugeschäft. Hier ist man allerdings ebenfalls einem starken Wettbewerb ausgesetzt.

Am europäischen Kontinent fokussiert sich mittlerweile eine Vielzahl von Standorten auf dieses Segment, so dass Flexibilität und Knowhow gefragt sind. Die Schiffbauer hierzulande genießen noch immer einen guten Ruf. Dass dieser Ruf aber nicht immer ausreicht, ist am Beispiel der Scand­lines-Fähren zu sehen, die nach einigen Baumängeln in der mittlerweile insolventen Stralsunder P+S-Werft eigentlich bei Blohm + Voss um- und fertiggebaut werden sollten. Da man sich aber nicht einigen konnte, ging der Auftrag schließlich nach Dänemark. Die Fayard-Werft hat für sich einen eigenen Weg gefunden, um im Wettbewerb punkten zu können: mit einem großen Industriepark, in dem sich eine Vielzahl maritimer Unternehmen angesiedelt hat.

Es bleibt dabei: Für die deutsche Schifffahrt gibt es viel zu tun. Sie muss den FKK-Strand verlassen und sich gegen den rauen Wind warm anziehen, sonst droht eine gefährliche Grippe.

Viel Spaß beim weiteren Lesen wünscht


Michael Meyer