Print Friendly, PDF & Email

Vergütungen, die auf schuldrechtlicher Basis an Gesellschafter einer Schifffahrtsgesellschaft vor der Anschaffung oder Herstellung eines Schiffs zu leisten sind, müssen gewinnwirksam erfasst werden.
Vor dem Bundesfinanzhof (Aktenzeichen: IV R 19/10) war die Bestimmung des § 5a Abs.3 des Einkommenssteuergesetzes (EStG) streitig: Nach[ds_preview] dieser Bestimmung in ihrer aktuellen Fassung ist der Antrag auf Anwendung der Tonnagegewinnermittlung im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung (Indienststellung) mit Wirkung ab Beginn dieses Wirtschaftsjahres zu stellen. Vor Indienststellung durch den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr erwirtschaftete Gewinne sind in diesem Fall nicht zu besteuern; Verluste sind weder ausgleichsfähig noch verrechenbar. Bereits erlassene Steuerbescheide sind insoweit zu ändern.

Geklagt hatte eine Einschiffsgesellschaft in Form einer GmbH & Co. KG mit dem üblichen Geschäftsgegenstand. Die Indienststellung des Schiffs erfolgte im Oktober/November 2008. Die Einschiffsgesellschaft optierte zur Tonnagegewinnermittlung. Die Komplementärin und drei der Kommanditisten der Klägerin erhielten 2007, also ein Jahr vor der Option zur Tonnagegewinnermittlung, vor der Indienststellung vermittels Anschaffung bzw. Herstellung des Schiffs, von der Einschiffsgesellschaft Vergütungen auf schuldrechtlicher Basis, die sogenannten Sondervergütungen, die das Finanzamt mit Feststellungsbescheid für 2007 als Sonderbetriebseinnahmen (Vergütungen auf schuldrechtlicher Grundlage) festgestellt hatte. Diese sollten also versteuert werden. Den dagegen gerichteten Einspruch der Klägerin wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung zurück. Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Mit der in HANSA 09/2011 besprochenen Entscheidung änderte das Finanzgericht die Bescheide für das Jahr 2007 dahingehend, dass die Sondervergütungen nicht zu erfassen und die dementsprechenden Bescheide mithin auf Null zu stellen seien.

Bundesfinanzhof gibt Finanzamt Recht

Der Wortlaut scheint dem Finanzgericht Recht zu geben. Nach der erwähnten gesetzlichen Bestimmung heißt es doch, dass erwirtschaftete Gewinne vor Infahrtsetzung nicht zu besteuern sind. Was soll dies anderes bedeuten, als das die Steuerbescheide auf Null zu stellen sind? Dem folgte der Bundesfinanzhof nicht und gab dem Finanzamt Recht. Die Einschiffsgesellschaft als Klägerin wandte sich in dem Gerichtsverfahren nicht gegen die Höhe ihres (auf der Ebene GmbH & Co.KG festgestellten) laufenden Gewinns (oder Verlusts). Dieser war ebenfalls mit 0 € festgestellt worden. Dies hätte aber nach Ansicht des Autors nahegelegen, da die streitigen Sondervergütungen offensichtlich auf der Ebene der Einschiffsgesellschaft als Aufwand behandelt wurden und das Schiff erst im Jahr 2008 Erträge erwirtschaftete. Der Gesamtgewinn nach allgemeinen Grundsätzen wäre demnach wohl ebenfalls mit 0 € anzusetzen gewesen. Hierzu musste sich das Gericht nicht äußern. Es ging nur um die Sondervergütungen. Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs verträgt sich der Wortlaut der erwähnten Bestimmung jedoch nicht mit den Gesetzesmaterialien und dem Sinn und Zweck des §5a Abs.4a Satz 3 EStG.

Was steht in der zuletzt genannten Bestimmung? Nun, nach dieser Vorschrift sind Sondervergütungen dem Tonnagegewinn hinzuzurechnen. Diese Bestimmung betrifft jedoch eigentlich erst den Zeitraum nach Infahrtsetzung, im streitigen Fall also erst das Jahr 2008 und nicht 2007. Jetzt dürfte auch klar sein, warum man den Sinn und Zweck dieser Bestimmung benötigt. Eigentlich greift diese Regelung eben erst nach Infahrtsetzung. »Man will sie aber schon vorher angewandt wissen.« Und so geschieht es auch.

Schiff muss »qualifiziert« betrieben werden

Der Bundesfinanzhof stellt zunächst fest, dass die Anwendung der Tonnagegewinnermittlung u. a. voraussetzt, dass (mindestens) ein Handelsschiff in der gesetzlich geforderten qualifizierten Art und Weise betrieben wird. Zu diesem Betrieb gehören u. a. auch die Hilfsgeschäfte. Dies sind »solche Geschäfte, die der Geschäftsbetrieb üblicherweise mit sich bringt und die die Aufnahme, Fortführung und Abwicklung der Haupttätigkeit erst ermöglichen«. Hilfsgeschäfte können dem Hauptgeschäft damit auch zeitlich vorausgehen. Dementsprechend können auch schon vor der Indienststellung des (ersten) Handelsschiffs Einkünfte aus dem »Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr…erzielt werden.« Mit anderen Worten, die den Sondervergütungen zugrundeliegenden Tätigkeiten – z. B. die vorbereitende Bereederung – kann schon vor der Infahrtsetzung als Hilfsgeschäft fungieren.

Mit der obigen streitigen Bestimmung will der Gesetzgeber erreichen, dass im Fall einer wirksamen Option zur Gewinnermittlung auch diese vor dem Wirtschaftsjahr der Indienststellung erzielten »Einkünfte aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr« im Ergebnis so besteuert werden, als wenn auch für sie schon eine Gewinnermittlung nach §5a EStG durchzuführen wäre. Mit anderen Worten: Eigentlich hätte es der Bestimmung – mit Ausnahme ihrer Funktion als Festlegung des Zeitpunkts, ab dem man zur Tonnagegewinnermittlung optieren muss bzw. kann – gar nicht bedurft.

Im Ergebnis kann man sich das auch an den Fällen der gewerblichen Vermietung klar machen. Es soll ein Haus gebaut werden, welches später gewerblich vermietet werden soll. Angewandt

auf den vorstehenden Fall soll das Mietobjekt in 2007 errichtet worden sein. Man wollte aber bereits in 2007 die Vorsteuern aus den Bauhandwerkerleistungen gegenüber dem Finanzamt geltend machen, obschon das Haus erst in 2008 vermietet werden konnte. Erst im Jahr 2008 kam es dann zur gewerblichen Vermietung. Somit stand fest, dass die Vorsteuern zu Recht geltend gemacht worden waren. Der Fall wird so behandelt, als ob das Mietobjekt schon von vornherein (im Jahr 2007) gewerblich vermietet wurde, obschon es seinerzeit noch an der zu vermietenden Substanz fehlte.

Dass vor Indienststellung erzielte Gewinne nach der streitigen Bestimmung »nicht zu besteuern« sind, meint, dass diese so gestellt werden, »als wäre für diese Wirtschaftsjahre ebenfalls der Gewinn schon nach §5a Abs. 1 EStG zu ermitteln; denn dies ergäbe mangels im Betrieb geführter Tonnage und mangels Betriebstagen Einkünfte in Höhe von 0 €.«

Sondervergütung hinzuzurechnen

Nach allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften ermittelte Verluste sind »weder ausgleichsfähig noch verrechenbar«. Dies ist in der Diktion des Bundesfinanzhofs so zu verstehen, dass sie im Ergebnis so gestellt werden, »als wäre für dieses Wirtschaftsjahr ebenfalls der Gewinn schon nach §5a Abs. 1 EStG zu ermitteln; denn nach dieser Gewinnermittlungsmethode kann sich kein Verlust ergeben, also auch kein ausgleichsfähiger oder verrechenbarer Verlust«. Hieraus ergibt sich nach Ansicht des Bundesfinanzhofs dann auch die Konsequenz, dass Sondervergütungen genauso dem Tonnagegewinn hinzuzurechnen sind, wie dies nach der Infahrtsetzung explizit zu geschehen hat.

Als Resümee lässt sich sagen, dass der Bundesfinanzhof über diese Verfassungsmäßigkeit der neuen Antragsregelung zur Tonnagebesteuerung nicht entscheiden musste, da sowohl die alte – Stichwort »Kombi-Modell« – als auch die neue Regelung im streitigen Fall zum gleichen Ergebnis führten. Es stellt sich die Frage, wann es auf die Verfassungsmäßigkeit der neuen Antragsregelung ankommt. Man kann sich den Fall einer verspäteten Antragsstellung zur Tonnagegewinnermittlung vorstellen – Stichwort: »Rein ins Kombi-Modell?!«.

Zur Gewerbesteuer musste sich das Gericht nicht äußern. Dies dürfte aber wohl konsequent zu Ende zu denken sein. Entscheidend ist, entgegen manch anderer Interpretationen des Urteils, dass es bei der neuen Antragsstellungsregelung nicht beziehungsweise nicht nur um die Abschaffung des vormals möglichen Kombi-Models geht. Wer sich von diesem Gedanken leiten lässt, wird wohl in die Irre geführt werden.

Autor: Klaus Voß, Fachanwalt für Steuerrecht

www.kanzlei-voss.de

Klaus Voß