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Die in der Schifffahrt genutzten Entschwefelungstechnologien werden

in Expertenkreisen kontrovers diskutiert. Ein alternativer Ansatz sind mit Bicarbonat arbeitende Verfahren.
Die Umweltvorschriften in der Schifffahrt werden von den IMO-Mitgliedsländern gestaltet und treten erst nach zeitlich aufwendiger Ratifizierungsprozedur in Kraft[ds_preview]. So ist zu verstehen, dass in besonderen Fahrtgebieten erst jetzt die für Landanlagen vergleichbaren Schwefelbegrenzungen für Brennstoffe gelten. Dr. Bernd Morun von der Essener Firma DrysoTec verglich jetzt beim STG-Reedereisprechtag landseitige Abgasentschwefelung mit der schiffsseitigen und stellte ein kritisches Zeugnis aus (Morun, B.: Stand der Entschwefelung im Land- und Schiffsbetrieb – ein »up-date«, Vortrag beim STG-Reedereisprechtag im Oktober 2014).

Landseitige Abgasentschwefelung

Für neue Steinkohlekraftwerke ist seit 1974 in Deutschland die Rauchgasentschwefelung vorgeschrieben. Mit Übergangsfristen müssen auch die deutschen Braunkohlekraftwerke ab 1983 die Rauchgasentschwefelung durchführen. Es gibt mehr als hundert verschiedene Verfahren zur Entschwefelung.

Schiffsseitige Abgasentschwefelung

1997 hat die IMO den Anhang VI von Marpol 73/78 beschlossen. Regel 14 beinhaltet die Grenzwerte für Schwefel in den Kraftstoffen für Schiffe, die auf 4,5 %, ab 2012 auf 3,5 % und ab 2020 auf 0,5 % Schwefel limitiert wurden. In einigen Emissionskontrollgebieten (ECA) wurde der Grenzwert auf 1 % und ab 2015 auf 0,1 % gesenkt. Das heißt, dass entweder zwei Kraftstoffe gebunkert und die Kraftstoffversorgung der Motoren umgeschaltet wird oder es werden zertifizierte Abgasreinigungsanlagen eingebaut, die den Schwefelgehalt im Abgas auf vergleichbare Werte reduzieren.

Entschwefelungsanlagen

Die bisher für Schiffe zertifizierten Anlagen arbeiten als nasse Entschwefelung im offenen Meerwasser-Kreislauf (open loop), im geschlossenen Frischwasserkreislauf mit Zugabe von Natronlauge (closed loop), als kombiniertes System oder als trockene Entschwefelungsanlage mit Kalksubtrat (Hochhaus, K.-H.: Abgasentschwefelung in der Seeschifffahrt, in: Hansa 7/2012.

Reuß, H. J.: Nachrüstung von Abgaswäschern, in: Hansa 8/2014).

Im offenen Meerwasser-Kreislauf wird der Schwefel mit Meerwasser ausgewaschen und ins Meer eingeleitet. Der pH-Wert wird durch die Verdünnung mit großen Seewassermengen gesenkt. Im Abgas enthaltenen Schwermetalle, organische Reste und ein geringer Teil Ruß werden auch »verdünnt« ins Meer geleitet. Die benötigte Seewassermenge zur Verdünnung auf ca. pH 6,5 beträgt rund 50 m3/h pro 1.000 kW. So ergeben sich bei einer Motorleistung von 35.000 kW ca. 1.750 m3/h. Die Methode ermöglicht die Einhaltung der Vorschriften, wenn man das Meer als Deponie betrachtet.

Die nasse Entschwefelung mit Meerwasser würde ab 2020 bedeuten, dass bei globalem Verbrauch der Schifffahrt von rund 350 Mio. t/a Schweröl rund 10,5 Mio. t/a Schwefel bzw. rund 21 Mio. t/a schwefelige Säure bzw. rund 33 Mio. t/a Schwefelsäure im Meer landet. Morun stellt die kritische Frage, ob nicht die bisherige großflächige Verteilung durch Luft und Regen besser ist.

Im geschlossenen Frischwasserkreislauf mit Zugabe von Natronlauge dient Meerwasser zur Rückkühlung. Die mit dem Frischwasser aus dem Abgas gewaschenen Anteile an Ruß und Schwermetalle werden durch Zentrifugen oder Filter nass abgetrennt und später an Land abgegeben. Der weitere Umgang wird z. B. in dem EU-Forschungsvorhaben »motorways of the seas« untersucht.

Morun berichtet von Erfahrungen, die eine eigene Sprache sprechen: Danach kann das trockene Entschwefelungsverfahren (Couple-System) mit Schüttschichtfilter aus Kalkgranulat die ab 2015 in ECA-Gebieten vorgeschriebenen Werte von 0,1 % Schwefel im Abgas nach dem Scrubber nicht erreichen.

Alternativen

Als einfachste Alternative empfiehlt er schwefelfreie Kraftstoffe. Für Schiffe mit viel Platz wie große Containerschiffe, Tanker oder Bulker könnte das in Landanlagen mit Bicarbonat arbeitende Verfahren Anwendung finden. Es wurde für ein 10.500-TEU-Schiff der Hamburg-Süd konzipiert. Bisher wurden Entschwefelungsanlagen, die mit der Trockenabsorption von Natron arbeiten, nur an Land und noch nicht auf Schiffen eingesetzt. Im Normalfall ist laut Morun pro 1.000kW Motorleistung mit ca. 25 kg Ruß/Tag zu rechnen. Das sind im täglichen stationären Betrieb ca. 875 kg Ruß. Bei Startvorgängen und plötzlichen Lastzuschaltungen erhöht sich die Menge. Ruß besteht aus kleinsten Teilchen. Die Partikel sind häufig zu kettenförmigen, teils klumpigen Aggregaten verwachsen, die mit flüchtigen Bestandteilen versetzt sind. Ruß schwimmt daher in Wäschern auf und verstopft die Tropfenabscheider.

Autor: Dr. Karl-Heinz Hochhaus

Meckelfeld, hochhaus@tuhh.de


Karl-Heinz Hochhaus