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In jedem Hafen ist eine reibungslose Kommunikation zwischen Schiffen und Terminals eine Herausforderung. Viele Faktoren und Akteure sind zu berücksichtigen. Antwerpen setzt für die gesamte Abwicklung auf eine zentrale Plattform

Der Hafen Antwerpen ist der größte Hafen in Belgien und beschäftigt in seinem Umfeld mehr als 150.000 Menschen. Im Jahr[ds_preview] 2014 wurden hier insgesamt knapp 199Mio.t Fracht umgeschlagen. Das ist eine Steigerung um 4,2% und eine neue Höchstmarke für den Hafen. Der Zuwachs wurde hauptsächlich vom Containerverkehr (+ 5,6%) und dem flüssigen Massengut (+ 5,4% ) getragen. Der arbeitsintensive Stück- und Massengut-Umschlag sank hingegen um 3,3 respektive 4,9%.

Bei der Organisation der Hafenabläufe müssen neben Anläufen und Liegezeiten auch Umweltbedingungen wie Wetter oder Tidenhub bedacht werden. Eine zentrale Plattform, die Abhilfe schaffen soll, wurde zusammen von den Behörden des Antwerpener Hafens, den Zollbehörden und zahlreichen Unternehmen entwickelt. Das Antwerp Port Community System (APCS) ist ein ausgedehntes Netzwerk, bei dem ein effizienter Austausch von Nachrichten und Informationen zwischen dem Hafen, Terminaloperateuren sowie See- und Binnenschiffen gewährleistet wird.

Dabei werden alle notwendigen Bereiche, wie Business-to-Government (B2G), Business-to-Business (B2B) und Government Agencies (G2G) abgedeckt. Das Netzwerk nutzt EDI- und XML-Versionen der elektronischen Standardnachrichten und unterstützt zudem den Versand vieler anderer Formate und gescannter oder anderweitig erstellter Dokumente und bringt dadurch den gesamten Ablauf auf einen Nenner.

Hafenbehörden, Zollbehörden, Verlader, Schifffahrtsunternehmen, Schiffsagenturen, Spediteure, Terminaloperatoren, Straßen- und Schienentransporteure, Binnenschiffbetreiber und Logistikdienstleister werden durch das Antwerp Port Community System (APCS) miteinander verbunden. Es stellt allen Nutzern zahlreiche Anwendungsprogramme zur Verfügung und erleichtert die Nachrichtenübermittlung zwischen Geschäftspartnern und staatlichen Behörden – und zwar lange, bevor ein Schiff den Hafen überhaupt erreicht.

»Das APCS wird derzeit von rund 5.000 Nutzern verwendet«, erklärt APCS-Direktor John Kerkhof. Im Hafen selbst hat die Maßnahme nicht nur seit Jahren großen Anklang gefunden, sie hat es auch geschafft, das Aufkommen an Papierdokumenten um mehr als 60% zu verringern und den gesamten Hafenbetrieb effektiver zu gestalten. So gibt es zum Beispiel eine »Track & Trace«-Funktion für Container, die Möglichkeit Inlandstransporte zu buchen oder Zollerklärungen inklusive Steuern oder Rechnungen und Versandanweisungen für Frachtbriefe papierlos zu erstellen.

Das APCS hat ein einziges Ziel: eine transparente und effiziente Supply Chain für alle Beteiligten zu schaffen. Ein reibungsloser Ablauf spart Zeit – und Zeit ist Geld. Durch die Zusammenfassung der verschiedenen Player auf einer Plattform wird die effiziente Verarbeitung von täglichen Verwaltungs- und operationellen Aktivitäten erleichtert. Wichtige Informationen können schneller verarbeitet und der genaue Status der Waren und die aktuelle Verarbeitungsphase von allen Gliedern der Logistikkette jederzeit abgerufen werden. Da alle importierten Daten gesammelt und direkt oder zu einem späteren Zeitpunkt weiter verwendet werden können, verringern sich die Kosten genau so wie mögliche Fehler in der Übertragung. »Wir befinden uns in einer stetigen Weiterentwicklung«, erklärt Kerkhof, »Als nächstes Projekt steht bei uns ein Breakbulk Handling Process und ein Maritime Single Window für Schiffreporte an.« Aus den vielen Anwendungen, die das APCS bietet, stechen zwei besonders hervor.

e-Desk

Das e-Desk ist eine Web-Applikation, die vom Hafen Antwerpen kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Sie ermöglicht es, einen Terminalbetreiber über eintreffende Fracht zu informieren und alle notwendigen Exportdeklarationen auf elektronischem Weg zu übermitteln. Alle Zolldaten für Container und den »rolling stock« können vorab eingereicht werden. Der gesamte Prozess kann von allen Beteiligten in Echtzeit verfolgt werden. Das erleichtert die Planung beim eigentlichen Umschlag und verkürzt die Liegezeiten der Schiffe an den Terminals.

Die Anwendung ist denkbar einfach: Der Schiffer nutzt das e-Desk, um ein Terminal über die eingehende Fracht zu informieren und sendet ein Datenpaket mit allen notwendigen Dokumenten und Informationen, wie MRN-Nummern und Container- oder VIN-Nummer. Zusätzlich kann auch eine Terminal- und Auftragsreferenz angegeben werden. Auch der Zoll erhält die notwendigen Dokumente, sodass der gesamte Freigabevorgang bereits in Gang ist, wenn der Frachter – egal ob See- oder Binnenschiff – am Kai anlegt. Die Freigabe erfolgt so deutlich schneller, mit weniger Fehlern und komplett papierlos. In Zukunft, so APCS-Director Kerkhof, werde die e-Desk App auch in der Lage sein, EDI und E-Mail-Bestätigungen über die Zollfreigabe zu erhalten – etwas, das derzeit nur über das Webtool möglich ist.

Barge Traffic System

Besser bekannt als das relativ neue e-Desk (seit 2012 erhältlich) ist das bereits seit 2007 aktive Barge Traffic System (BTS). »Alle international agierenden Binnenschiff-Betreiber haben Zugang zum BTS«, sagt Kerkhof. »Sie können mit dem System direkt mit den Hafenbetreibern Kontakt aufnehmen, um die Abwicklung vor Ort zu optimieren.« Vorwiegend für den Containerverkehr gedacht, ermöglicht das BTS den Schiffsführern zudem auch Zugriff auf das Schleusensystem im Hafen, sodass sie eventuell nötige Schleusungen optimal planen können.

Die Terminalbetreiber können Feedback geben und bei der Planung behilflich sein. Die Schiffsführer haben über das Barge Traffic System ebenfalls Zugriff auf die Öffnungszeiten der Terminals und die nautischen Bedingungen vor Ort. Wenn mehrere Terminals während eines Besuches angelaufen werden sollen, unterstützt das BTS die Planung, indem es die geplanten Ankunftszeiten mit den voraussichtlichen Fahr- und Aufenthaltszeiten an den einzelnen Terminals abgleicht. Die Terminalbetreiber zeichnen die für den Vorgang tatsächlich benötigte Zeit sowie die genauen An- und Ablegezeiten auf und tragen auf diese Weise dazu bei, spätere Berechnungen zu präzisieren.

Das BTS ist für Binnenschiffer ein wichtiges Werkzeug zur Planung ihrer Fahrten, da die Anmeldung lange vor ihrer eigentlichen Ankunft erfolgen kann. Ist ein Terminal zum Beispiel belegt, so kann ein Schiffsführer sich mehr Zeit auf der Fahrt lassen und damit Treibstoff sparen. Öffnet sich ein früherer Slot, so ist es unter Umständen möglich, diesen mit einem anderen Schiff zu füllen. So werden Leerläufe an den Terminals minimiert und die Binnenschiffe können ihre Fahrt optimal planen.

Durch das APCS mit seinen zahlreichen Anwendungen kann der Hafen Antwerpen schneller Ladung löschen als jeder andere – den Ruf, der schnellste Hafen der Welt zu sein, fußt also zu einem nicht unwesentlichen Teil auf der gut geplanten Digitalisierung der Abläufe an den Terminals.

Bis 2030 verfolgt der Hafen Antwerpen das Ziel, den Anteil seiner Transporte per Binnenschiff im Modal Split von bisher 36 auf 42 % zu steigern. Insbesondere die Transporte über die Wasserstraßen spielen nach Ansicht der Hafenstrategen eine wichtige Rolle, um im Hinterlandverkehr den logistischen Warenfluss zu gewährleisten. Dabei versucht die Hafenbehörde nach Angaben von Philip Govers, Chief Operations Officer bei BCTN Benelux und Direktor der ICBO, alle beteiligten Parteien der Transportkette zusammen zu bringen.

Wöchentlich legen mehr als 915 Binnenschiffe, beladen mit Containern, Trocken- und Flüssiggut im Hafen Antwerpen an. Die Schiffe kommen aus Nordfrankreich, den Niederlanden, Deutschland, der Schweiz und Österreich. Damit dieser Binnenschiffsverkehr stets reibungslos läuft, müssen alle Partner der Lieferkette effizient zusammenarbeiten. Mit Hilfe weiterer digitaler Tools sollen die Abläufe künftig effizienter organisiert werden.

In der Instream-Kampagne wurden verschiedene Initiativen gebündelt, um die Abfertigung zu verbessern.

Die Koordination von Binnenschiffsbewegungen über das automatische Identifikationssystem (AIS) trägt zum reibungslosen, transparenten und sicheren Binnenschiffsverkehr bei. Außerdem wird die Umschlagzeit dank effizienter Planung und der Nutzung verfügbarer Schleusenkapazitäten verringert.

Mit dem »Premium Barge Service« bietet der Hafen Antwerpen einen besonderen Service: Wenn gewünscht, können Binnenschiffe ausgewählte Terminals im Hafen anlaufen. Ein Container-Shuttle nimmt die Fracht auf und verteilt sie auf die übrigen Terminals oder bringt sie an den vorgesehenen Bestimmungsort. Die Anzahl der Schiffsanläufe werde dadurch verringert – was wiederum die Umschlagzeit im Hafen verkürzt.

Der Hafen Antwerpen hat außerdem das Online-Tool »Connectivity Platform«, das vor zwei Jahren in Betrieb gegangen ist, erweitert. Das Programm informiert die Hafennutzer über die verschiedenen Transportmöglichkeiten zum und vom Hafen Antwerpen. Mit dem Upgrade habe das Online-Tool eine neue Suchfunktion erhalten, die eine klare Übersicht über die Deepsea- und Shortsea-Verbindungen zum und vom Hafen Antwerpen biete, heißt es beim Hafen. Nutzer können nach Verbindungen pro Hafen, Land oder Route suchen. Gleichzeitig zeige eine handliche Google-Karte die genauen Standorte der einzelnen Häfen. Für jeden Hafen gibt es eine Liste der Schiffsagenturen und Reedereien, die Verbindungen zum Hafen Antwerpen haben sowie wichtige Informationen, wie die verschiedenen Verkehrswege und die Frequenz der Verbindung.

Zudem bietet die Plattform eine neue Suchfunktion in Bezug auf das Hinterland, mit der die Nutzer das Netzwerk der Depots durchsuchen können, sortiert nach Endbestimmungsort und Schifffahrtsgesellschaft. Für jede Schifffahrtsgesellschaft gibt es eine Liste der Abhol- und Zustellservices für 20- und 40-Fuß-Container. Zurzeit haben zwölf Reedereien ihre Depots auf der Plattform aufgelistet, heißt es bei der Hafengesellschaft.
Lars Eggers