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Neue Schiffe, ein strikter Sparkurs, dazu eine Vertriebsoffensive: Die Hamburger Linienreederei Hapag-Lloyd will nach der Fusion mit CSAV schnell in die Gewinnzone zurückkehren.

Seit gut 200 Tagen sitzt Rolf Habben-Jansen als Nachfolger des langjährigen Vorstandschefs Michael Behrendt bereits im Chefsessel von Hapag[ds_preview]-Lloyd. In dem ebenso repräsentativen wie weitläufigen Unternehmenssitz am Ballindamm finde er auf der Suche nach einem seiner Mitarbeiter bis heute noch nicht jedes Büro auf Anhieb, gesteht der gebürtige Niederländer. Dabei wirkt Habben-Jansen alles andere als orientierungslos. Der Spitzenmanager ist fest entschlossen, mit seinem eher umgänglichen und unprätentiösen Führungsstil das Traditionsunternehmen konsequent auf einen Spar- und Modernisierungskurs zu trimmen.

Eine schwierige Mission. Die Reederei steckt wie viele andere Unternehmen der Branche seit Jahren in den roten Zahlen. 2013 schrieb das Unternehmen einen Nettoverlust von 97 Mio. €. In den ersten neun Monaten 2014 summierten sich die Verluste auf 224 Mio. €, vier Mal soviel wie im Vorjahr – trotz einer gestiegenen Transportleistung (plus 240.000 TEU gegenüber dem Vorjahr). Auch der neue Haupt-Gesellschafter, die chilenische Compañia Sud Americana de Vapores (CSAV), rutschte im 3. Quartal mit 35 Mio. € ins Minus. Die Zahlen bei der Vorlage der Jahresbilanz Ende März dürften kaum positiv ausfallen, und auch das gerade begonnene Jahr werde eher mit Verlusten enden. »Wir wollen und müssen schnellstmöglich schwarze Zahlen schreiben«, lautet daher die Devise von Habben-Jansen.

Wieder in die Erfolgsspur finden

Zurück in die Gewinnzone, lautet nur eine von drei Aufgaben für den neuen CEO. Parallel steht die Integration der CSAV ins Unternehmensgeflecht der Hapag auf der Agenda. Drittens dann der Börsengang, der nicht nur den Zugang zu frischem Kapital, sondern auch eine deutliche Entlastung von den immensen Zinszahlungen der mit 3,5 Mrd. $ verschuldeten Reederei bringen und gleichzeitig dem seit langem trennungswilligen Gesellschafter TUI den Ausstieg ermöglichen soll.

Als möglicher Zeitpunkt ist Anfang 2016 angepeilt, vielleicht ein bisschen früher, vielleicht ein paar Wochen später. Je nachdem, wie groß der Druck der Gesellschafter wird und wie sich das Klima an der Börse entwickelt. »Wenn wir Erfolge nachweisen können, sollten wir an der Börse auch einen fairen Preis bekommen.« Die Aktien sollen auf jeden Fall in Deutschland ausgegeben werden – das passe einfach zu Hapag-Lloyd als Ur-Hamburger Unternehmen, sagt Habben-Jansen.

Investitionen in eigene Flotte

Noch vor dem Börsengang wird die Reederei nach Jahren der Zurückhaltung wieder in ihre Flotte investieren. Denn sie steht unter Zugzwang. Dafür sorgen nicht nur die Weltmarktführer Maersk und MSC, die deutlich größere Schiffe (Ultra Large Container Vessels – ULCV) im Einsatz haben und mit ihrer »2M«-Allianz etwa ein Drittel des weltweiten Containermarktes beherrschen. Zudem hat die französische CMA CGM, die Nummer 3, ihre Kräfte mit China Shipping (CSCL) und der arabischen UASC im Bündnis »Ocean Three« gebündelt. Hapag-Lloyd muss und will mit den 200 eigenen und gecharterten Schiffen und einer Transportkapazität von jährlich rund 7,5 Mio. TEU gegenhalten – als selbständige Reederei, aber auch als Partner der drittstärksten Kraft in der Linienfahrt – der G 6-Allianz.

Deswegen ziehen die Hamburger jetzt nach. Bereits im 2. Quartal 2015 sollen neue Schiffe geordert werden. »Wir prüfen sehr genau, wann und wo wir wie viele Schiffe bestellen«, kündigt Habben-Jansen an. Es werden Einheiten mit einer Kapazität von mehr als 13.000 TEU, so viel steht fest. Ob es sich um Schiffe mit 18.000 TEU oder sogar mehr als 20.000 TEU handeln könnte, lässt er nach wie vor offen. Bei einem anhaltend niedrigen Ölpreis, woran Habben-Jansen nicht glaubt, könnte sich die Investition in energieeffiziente, teure Schiffe nicht lohnen. Mehr Kapazität im Dienst könnte theoretisch auch geschaffen werden, wenn die Schiffe wieder schneller fahren. »Wir schauen uns an, was am besten in unsere Fahrtgebiete passt«.

Die Dienste zwischen Europa und Fernost sind zwar auch für Hapag-Lloyd das wichtigste, aber bei weitem nicht das einzige relevante Fahrtgebiet. Auch die Transatlantik-Routen, jene nach Afrika und selbst der Intra-Asien-Verkehr müssen berücksichtigt werden. Ebenso die neuen Abmessungen des Panamakanals nach seinem Ausbau. Für Habben-Jansen steht fest, dass die bisherigen Panamax-Schiffe (max. 294 m lang, 32 m breit, bis 5.000 TEU) wohl endgültig ausgedient haben und durch größere Einheiten ersetzt werden müssen.

Reedereien ordern weiter

Auch die Bedürfnisse der Allianz-Partner gilt es zu beachten. »Wir stimmen uns derzeit sehr intensiv ab«, sagt Habben-Jansen. Nachdem MOL, NYK und dem Vernehmen nach auch OOCL (Orient Overseas Container Line) im Mega-Carrier-Segment aktiv geworden sind, dürften jetzt vermutlich die anderen G 6-Partner wie Hapag-Lloyd folgen. In Branchenkreisen ist es ein offenes Geheimnis, dass bereits entsprechende Anfragen bei asiatischen Werften vorliegen und mit Trampreedereien Gespräche über langfristige Charterverträge begonnen wurden.

Ein gängiges Verfahren: Partner beim Bau von sechs Schiffen für die Reederei Mitsui O.S.K. Lines (MOL) sind dem Vernehmen nach die griechische Reederei Costamare und die japanische Werft Shoei Kisen. Auch MSC hat jüngst das Orderbuch für je 150 Mio. $ teure 19.000er Schiffe von drei auf sechs Neubauten erhöht – gemeinsam mit dem Reederei-Konsortium aus Quantum (Idan Ofer) und Scorpio (Emanuele Lauro).

Die Finanzierung der Neubauten sei, so Habben-Jansen, kein Problem, trotz der seit Jahren angesammelten Verluste. »Unsere Bilanz ist gut und die Liquidität ausreichend«, sagt er. Zudem hatte Hapag-Lloyd durch eine Kapitalerhöhung kurz vor Weihnachten die finanzielle Basis um 370 Mio. € aufgestockt. 259  Mio. € stammten von CSAV, mit 34 % größter Anteilseigner an der Hamburger Reederei, weitere 111 Mio. € vom Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne (20,8 %). Mit den Gesellschaftern gebe es »gute und konstruktive Gespräche«.

Die drei Haupt-Aktionäre – CSAV, Kühne Maritime und die Stadt Hamburg (23,2 %) – hatten im Zuge der Fusion nicht nur ihre Anteile zu einer Mehrheitsbeteiligung von 51 % gebündelt, sondern sich auch verpflichtet, ihr Engagement bei Hapag-Lloyd über die nächsten zehn Jahre aufrecht zu erhalten. Daher könne die Reederei in Ruhe planen, sagt Habben-Jansen.

Zusätzliche Maßnahmen geplant

Die Flottenmodernisierung ist nur ein Schritt zum Börsengang. Denn zur »richtigen« Story für mögliche Investoren braucht es die Hoffnung auf steigende Aktienkurse oder verlässliche Dividenden. Auch dafür hat Habben-Jansen einen Plan, der auf Synergieeffekte mit CSAV und eine rigide Kostenverringerung setzt. Mit 300 Mio. € beziffert er die Effekte durch die Fusion.

Ein »dreistelliger« Millionenbetrag deutlich über 100 Mio. € komme hinzu, wenn alle geplanten Sparmechanismen greifen würden, unter anderem bei den Bunkerkosten. Mittelfristig soll auch Personal abgebaut werden. Das habe jedoch nicht oberste Priorität. Bei einem Kostenanteil von rund 5 % seien die Effekte zudem überschaubar. Zunächst soll die Zahl der Mitarbeiter in Hamburg durch den Ausbau der Unternehmenszentrale sogar steigen.

Außerdem will Habben-Jansen den Vertrieb stärken. Hapag-Lloyd hatte in der jüngeren Vergangenheit stärkere Verluste bei den Frachtraten hinnehmen müssen als die Konkurrenz. Außerdem habe die Reederei in angestammten Märkten wie bei Breakbulk Anteile verloren. Der neue CEO will jetzt gegensteuern und verlorenes Terrain zurückerobern. »Wir waren durch eigene Probleme sehr stark abgelenkt«, sagt er mit Blick auf die gescheiterten Fusionspläne mit Hamburg Süd, die Übernahme-Ambitionen von NOL (Neptun Orient Lines) sowie den mehrfach verschobenen Börsengang. »Jetzt müssen wir uns wieder mehr um unsere Kunden kümmern.«

Der ausgewiesene Logistiker, der zuvor bei Danzas, DHL und Damco beschäftigt war, sieht Hapag-Lloyd als Dienstleister, der mit passenden Angeboten einen Mehrwert zum reinen Containertransport über die Weltmeere bieten muss. »Wir reden zu viel über Preise und zu wenig über das, was wir können.« In der Bündelung der Stärken von Hapag-Lloyd und CSAV, die bislang weitgehend unterschiedliche Kundengruppen und Fahrtgebiete bedienen, stecke großes Potenzial. Auch die Zusammenarbeit in der G 6 könne noch deutlich verbessert werden. Mit der Fahrplantreue sei er nicht zufrieden. Die ersten eingeleiteten Maßnahmen zeigten aber schon Wirkung.

Habben-Jansen, der mit einem Fünf-Jahres-Vertrag ausgestattet ist, will auch im Hapag-CSAV-Verbund Liniendienste und Inlandverkehre optimieren, die Auslastung der Schiffe und den Ladungsmix verbessern sowie Marktnischen stärker besetzen, etwa beim Transport von Kühlcontainern im Lateinamerika-Verkehr oder in den schnell wachsenden Trades nach Afrika oder Indien. Steige die Rendite um 2 %, wären 250 Mio. $ mehr in der Kasse – bei einem Jahresumsatz von 12 Mrd. $.

Mittelfristig rechnet Habben-Jansen wieder mit steigenden Frachtraten. Derzeit fährt kaum eine Containerreederei, mit Ausnahme von Maersk, Gewinne ein. Läge das Ratenniveau nur um 5 bis 7 % höher, wären die größten Probleme für die Branche gelöst, sagt der Niederländer. Er könne keine verlässliche Prognose treffen, »aber es ist eine Frage der Zeit, wann die Preise wieder anziehen«.

Auch einen weiteren Zusammenschluss mit einer weiteren Reederei schließt er langfristig nicht aus. »Wir halten Augen und Ohren offen, ob sich eine gute Gelegenheit ergibt.« Derzeit sehe er aber nicht viele Möglichkeiten. »Wichtiger ist für mich Stabilität.« Im eigenen Unternehmen und in der Allianz. Denn noch sind längst nicht alle Hausaufgaben erledigt.

Krischan Förster