Man rauft sich und braucht sich

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Die internationale maritime Industrie sieht sich als globales Cluster mit grenzüberschreitendem und grenzenlosem Charakter. Doch die (seeseitigen und regulatorischen) Grenzen[ds_preview] ignorieren können auch Schiffe nicht – selbst wenn sich die Branche auch immer wieder über umweltpolitische, kartellrechtliche oder anderweitige Vorgaben ärgert. Auf der anderen Seite hat die maritime Wirtschaft eine zum Teil enorme Bedeutung für Regionen und Staaten.

Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich die Industrie immer wieder bei politischen Entscheidern die Klinke in die Hand gibt, um ihre Interessen durchgesetzt zu wissen. Wie dem auch sei. Beobachten lässt sich derzeit eine Menge Gesprächsbedarf. Und zwar über den ganzen Globus verteilt.

Geht es etwa um deutsche Rüstungsexporte – beispielsweise Marineeinheiten – ärgert sich mancher Schiffbauer hinter den Kulissen über staatliche Regulierung und Vorbehalte. Das Tauziehen um einen Milliarden-Auftrag aus Saudi-Arabien ist bekannt. Auf der anderen Seite nimmt man derzeit gerne Wirtschaftsminister Gabriel zur Seite, um im Wettbewerb um U-Boot-Aufträge aus Australien und Ägypten eine stärkere Stimme zu haben. In diesen Tagen beginnen außerdem die Foren zur Vorbereitung der nächsten Nationalen Maritimen Konferenz. Dort dürften die Versicherungssteuer auf Erlöspools und die deutsche Flagge oben auf der Agenda stehen.

Zu den hervorstechendsten Beispielen politischer Einflussnahme gehört das Mit- und Gegeneinander um den griechischen Hafen Piräus. Seit langem ist bekannt, dass der chinesische COSCO-Konzern in den Standort investieren will, um ein besseres Einfallstor für chinesische Exporte nach Europa zu schaffen. Doch kaum war die linksgerichtete Syriza-Partei an der Macht, gab es Pläne, die Privatisierung vorerst auf Eis zu legen. Im fernen Osten war die Empörung groß. »Traditionell« sind dort Staat und Wirtschaft aufs Engste verbunden – wie man nicht zuletzt am jetzt bekannt gewordenen Regierungsplan sieht, die gleichfalls in der Schifffahrt aktiven Ölkonzerne CNPC und Sinopec einer Zwangsfusion zu unterziehen… Peking ließ jedenfalls seine Muskeln spielen – und Ministerpräsident Tsirpas knickte ein. Er lobte die »guten Beziehungen« und gab der Privatisierung seinen Segen. Ob sich die nordeuropäischen Hafenkonkurrenten darüber freuen, sei mal dahingestellt.

Zu den wichtigsten Standorten in diesen Gefilden gehört Hamburg. Dass es auch hier Bedarf an einem politischen Engagement gibt, davon ist die Wirtschaft überzeugt. So forderte die Interessenvertretung Hafen Hamburg Marketing unlängst vom neuen Senat, die Infrastruktur auszubauen und trotz einer möglichen Regierungsbeteiligung der Grünen an der Elbvertiefung festzuhalten.

Die US-Hafenwirtschaft ist ein weiteres Beispiel. Hier sind vor allem Los Angeles und Long Beach als Hubs für Fernost-Verkehre im Fokus. Sie sind von schweren Arbeitskämpfen stark beeinträchtigt. Die Verstopfungen sind so verheerend, dass der Chartermarkt für Containerschiffe sprübare Verbesserungen erfährt, weil die vor den Häfen wartende Flotte durch kurzfristige Charter ersetzt werden muss. Mittlerweile hat sich sogar Präsident Obama in den Streit eingeschaltet und seinen Arbeitsminister Perez zur Schlichtung nach Kalifornien geschickt.

Politik und Wirtschaft sind sich oft nicht einig, können aber auch nocht ohne einander. Man rauft sich, und man braucht sich eben.

Viel Spaß beim Lesen wünscht


Michael Meyer