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Studierende des Franzius-Instituts für Wasserbau, Ästuar- und Küsten­ingenieurwesen der Leibniz Universität Hannover reisten im Rahmen der Internationalen Wasserbauexkursion nach Taiwan


Das Franzius-Institut steht in der Tradition, internationale Exkursionen und Studienreisen durchzuführen, um den Studierenden sowohl fachspezifische als auch kulturelle[ds_preview] Einblicke in andere Länder zu ermöglichen. Im März 2015 reisten vierzehn Studierende gemeinsam mit Prof. Schlurmann sowie den Wissenschaftlichen Mitarbeitern Dr. Hildebrandt und Sandra Wöbse nach Taiwan. Aufgrund von mehr als drei Jahrzehnte währenden Verbindungen zwischen dem Franzius-Institut und den dort ansässigen Universitäten stand auch diese Studienreise im Zeichen außergewöhnlicher Exkursionsziele sowie im fachlichen und freundschaftlichen Austausch.

Die Exkursion startete am 21. März 2015 am Hauptbahnhof Hannover und führte die Reisegruppe zunächst in die Hansestadt Hamburg. Von dort ging es mit dem Flugzeug über die Wüstenstadt Dubai auf die »Ilha Formosa – Die schöne Insel« nach Taiwan.

Nach der Ankunft am Taipeh International Airport und der Begrüßung durch Studierende der National Taiwan Ocean University (NTOU) ging es mit Bus und Metro zum Hostel in die Haupt- und Millionenstadt Taipeh. Die Gruppe nutzte den ersten Abend, um bei einem gemeinsamen Besuch des Shilin Night Market in das bunte Treiben der Großstadt einzutauchen und erste kulinarische Erfahrungen mit der landestypischen Küche zu machen. Der nächste Tag begann regnerisch. Das sollte sich aufgrund des Monsuns in den nächsten Tagen nicht ändern, und den bekamen die Teilnehmer »hautnah« zu spüren. Dazu passend folgte nach dem Frühstück eine Besichtigung des 10th River Management Office der Water Ressource Agency (WRA). Dieses ist für die Entwässerung und den binnenländischen Hochwasserschutz im Norden der Insel zuständig. Vom besuchten Kontrollzentrum aus werden alle notwendigen Anlagen überwacht und gesteuert. Insgesamt 70 Angestellte nutzen u. a. Wetter- und Pegeldaten, um für den reibungslosen Betrieb zu sorgen und im Hochwasserfall betroffene Gebiete evakuieren zu lassen. Beim anschließenden Besuch des Longshan Tempels, dem mit etwa 250 Jahren ältesten Tempel Taipehs, bot sich die Gelegenheit, etwas über chinesische Götter und Religionen zu erfahren. Aber auch die faszinierende Bauweise und insbesondere die farbenfrohen Verzierungen boten ein imposantes Bild. Ebenso eindrucksvoll zeigte sich die moderne Architektur des höchsten Wolkenkratzers Taiwans, dem Taipeh 101. Der schnellste Aufzug der Welt beförderte die Teilnehmer mit einer Geschwindigkeit von etwa 10m/s auf eine Höhe von 390m. Einige wenige Wolkenlücken gaben von dort oben die beeindruckende Sicht auf die nächtlich beleuchtete Stadt frei.

Die Station für die folgenden Tage lautete Keelung im Norden der Insel. Auf dem Weg in die alte Hafenstadt gab es zunächst die Möglichkeit, die Baustelle des Linkou Kohlekraftwerks und der zugehörigen Hafenbaustelle für den zukünftigen Kohleumschlag zu besichtigen. Etwa drei bis fünf Mal jährlich auftretende Taifune erzeugen hier nördlich der Insel, in der sogenannten Taiwanstraße, signifikante Wellenhöhen von bis zu 15m. Im Kontrast zu deutschen Hafenbauwerken sind die hier notwendigen Schutzanlagen wie Molen und Wellenbrecher daher nicht nur sehr massiv ausgeführt, auch die angewendete Caissonbauweise weicht von den in Deutschland üblichen Bauweisen ab.

Im nahegelegen Yehliu-Geopark bot sich im Kontrast dazu eine beeindruckende Aussicht über natürlich belassene, schroffe Felslandschaften und Gesteinsformationen, die sich aufgrund unterschiedlicher Gesteinslagen entwickelt haben. Dieser Besuch gewährte einen kleinen Einblick in die einstmals unberührte Natur in einer der heutzutage am dichtesten besiedelten Regionen der Erde.

Das Tagesprogramm am zweiten Tag in Keelung führte die Gruppe an die National Taiwan Ocean University (NTOU) und in das zugehörige Wasserbaulabor, bevor im National Museum of Marine Science and Technology eine Führung Wissenswertes über den Einfluss des Meeres auf die Landschaft und das Ökosystem sowie das Leben und Arbeiten der Inselbewohner vermittelte. Die Zeit an der NTOU nutzten die Studierenden außerdem zum Austausch von fachlichen Themen im Rahmen von studentischen Seminaren (»Student Conference«). Beim abendlichen Welcomedinner wurde der Austausch fortgeführt und die gemeinsame Zeit mit den Professoren und Studenten aus Taiwan genutzt, um bei frischem Seafood und landestypischen Getränken die Kontakte zu vertiefen.

An den folgenden Tage reiste die Gruppe von Keelung über Yilan und Hualien entlang der Ostküste bis in den Süden der Insel bis nach Kenting. Im Fokus stand dabei die Erkundung der dort vorhandenen Küstenschutzanlagen am Pazifik. Dieser Bereich der Insel wird am stärksten von Taifunen getroffen, die vor der Küste Wellenhöhen von bis zu 25m erzeugen und eine ständige Bedrohung für die Pazifikküste Taiwans darstellen. Die zu Fuß und per Fahrrad besichtigten Deckwerke und Wellenbrecher stehen für die zahlreich und beispielhaft berechneten Konstruktionen während des Studiums und zeigten den Studierenden auf, dass derart massive Anlagen nicht nur auf dem Papier existieren und dass der Küstenschutz, insbesondere in derart dicht besiedelten Gebieten, ein existenzielles Bedürfnis zur Daseinsvorsorge darstellt. Trotz des gemäßigten Wetters zeigte sich der Pazifik von seiner rauen Seite und bot ein imposantes Wellenbild, das in einer solchen Form selbst bei Sturm­ereignissen nur selten an den deutschen Küsten zu erleben ist.

Eine Vielzahl an sediment- und geschiebereichen Flüssen ließ den Blick stets ins Landesinnere und auf die mächtigen Bergformationen des Zentralmassivs fallen. Besonders der Besuch des Taroko-Nationalparks beeindruckte durch steile Gebirgswände, tiefe Schluchten und nicht zuletzt durch atemberaubende Flora und Fauna. Entlang des sich durch die Taroko-Schlucht schlängelnden Central Cross-Island Highway mit seinen unzähligen Tunneln und Brücken konnte die Schönheit der taiwanesischen Natur erlebt werden.

Von den feuchten Regenwäldern an der Ostküste ging es nach Kenting, in den heißen Süden der Insel. Dem dortigen Klima geschuldet ist diese Region stark touristisch geprägt. Dies nutzte die Reisegruppe, um einen Badeausflug an den Strand zu unternehmen und dem Element Wasser bei sonnigen 35 °C noch etwas näher zu kommen. Auch fachlich hatte der Süden der Insel einiges zu bieten. Die Besichtigung des Kühlwasserauslasses eines Kernkraftwerks zeigte wiederum, wie massiv derartige Anlagen ausgeführt werden müssen, um den vorherrschenden Belastungen ausreichend Widerstand zu bieten.

Sowohl hier als auch am nächsten Tag während der Station im Hafen von Kaoh­siung hinterließen besonders die angewendeten Bauverfahrenstechniken bleibende Erinnerungen. Der Hafen von Kaohsiung entwickelte sich insbesondere Anfang des 20. Jahrhunderts und ist heute mit seinen fünf Containerterminals und einem jährlichen Umschlag von etwa 10Mio. TEU einer der weltweit bedeutendsten Häfen. Hier hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, die Baustelle der Hafenerweiterung zu besichtigen und in einem Vortrag genauere Informationen über die speziell entwickelte Produktions- und Transporteinrichtung für landseitig gefertigte Caissons sowie das zugehörige Schwimmdock zum Absenken der Kästen zu erhalten.

Den Tagesabschluss bildeten eine Fährfahrt im historischen Teil des Hafens und ein Rundgang durch die Altstadt, von der aus der Blick über die Stadt, den Hafen und den Sonnenuntergang über der Straße von Taiwan genossen werden konnte.

Am nächsten Tag stand der Besuch des Coastal Ocean Monitoring Center (COMC) der National Cheng Kung University (NCKU) in Tainan auf dem Programm. Das COMC wurde von Prof. Kao gegründet, der bereits im Jahre 1984 am Franzius-Institut promovierte. Die fachliche Zusammenarbeit sowie die persönlichen Freundschaften bestehen somit bereits seit mehr als 30 Jahren und werden von der neuen Generation fortgeführt. Das COMC betreibt im Küstenraum 17 Wellenbojen und 33 weitere Messstationen, um die Eigenschaften der Taifune und Tsunamis zu erforschen sowie die Veränderungen der Küstenlinie und des Seegangs zu erfassen.

Anschließend bot sich auch an der NCKU die Möglichkeit, im Rahmen der Student Conference mit Studierenden in Kontakt zu treten und über aktuelle wasserbauliche Themen zu diskutieren.

Am letzten Tag der Studienreise öffneten sich die Tore des Tainan Hydraulic Laboratory der NCKU außerhalb der Stadt. Die dort vorhandenen Wellenkanäle und Wellenbecken gaben einen Überblick über die Arbeit des Labors und dessen Forschungsprojekte. Bevor es mit dem Taiwan-High-Speed-Rail von Tainan zurück zum Flughafen ging, stand ein Besuch der Altstadt Tainans auf dem Programm. Hier konnte man neben traditionell taiwanesischen Tempelanlagen auch den Einfluss der europäischen Seefahrer auf die dortige Architektur erfahren. Die darauf folgende Fahrt mit dem 300km/h schnellen Zug war ein abschließender Höhepunkt der Exkursion, bevor es am 1. April am Taipeh International Airport hieß, Abschied zu nehmen. Zeit, um das Erlebte zu verarbeiten, blieb jedoch nicht, denn auch der Rückflug schickte sich an, in Erinnerung zu bleiben. Ein Sandsturm in der Wüste Dubais verlängerte den dortigen Zwischenstopp und lieferte beeindruckende Bilder eines Naturschauspiels, das weder in Deutschland noch im fernen Taiwan zu finden ist.

Die Exkursion war für alle Beteiligten sowohl in fachlicher als auch in kultureller Hinsicht eine große Bereicherung und wird nicht nur die Gespräche der nächsten Wochen und Monate füllen. Für viele Studierende wird diese Reise ein Studienhöhepunkt bilden und sich auch auf die berufliche Zukunft auswirken. Auch diese Exkursion zeigte, dass die Herausforderungen im Wasserbau und Küsteningenieurwesen globale Aufgaben sind, die Menschen weltweit verbinden und freundschaftlich zusammenrücken lassen.

Ohne Unterstützung wäre diese Reise nicht zustande gekommen und wichtige Erfahrungen für die Studierenden nicht zugänglich gewesen. Ein herzliches Dankeschön gilt daher allen Unterstützern für die konstruktive Mitarbeit an dieser Fachstudienreise. Insbesondere ist an dieser Stelle jedoch für die finanzielle Unterstützung zu danken und die Bedeutung der verschiedenen Förderer und Fördereinrichtungen hervorzuheben, ohne die Fachstudienreisen dieser Art nicht durchgeführt werden können und in der Zukunft nicht realisierbar sein werden. Diese Exkursion konnte dank der Gesellschaft der Förderer des Franzius-Instituts e. V. und der Hafentechnischen Gesellschaft e. V., dem International Office der Leibniz Universität Hannover sowie den Unternehmen Hülskens Wasserbau GmbH & Co. KG, Peute Baustoffe GmbH, Boskalis Hirdes sowie der grbv Ingenieure im Bauwesen GmbH & Co. KG durchgeführt werden.

An der Exkursion teilgenommen haben: Julia Benndorf, Andreas Both, Fabian Danner, Jens Hucklenbroch, Johanna Metge, Jan Neuendorff, Nico Ommen, Andrea Siebert, Christian Themer, Luisa-Bianca Thiele, Thi Anh Van Tran, Jennifer Ullrich, Mathias Wien und Hauke Heinrich Willems sowie Prof. Schlurmann, Dr. Hildebrandt und Sandra Wöbse. Wir bedanken uns im Namen aller Studierenden des Franzius-Instituts für die wertvolle finanzielle Unterstützung.

 


Mathias Wien, Nico Ommen