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Bei der IMO arbeitet man weiter an einem Regelwerk zur Vermeidung von Havarien durch Fatigue. Doch die Staaten­gemeinschaft ist sich nicht einig. Birgit Nolte-Schuster

gibt einen Überblick über den Stand der Dinge
Es war mangelhafte Schiffsführung infolge von Fatigue – also Ermüdung der Besatzung – die im April 2010 den chinesischen Frachter »Shen Neng[ds_preview] 1« im Great Barrier Reef auf Grund laufen ließ.

Die Untersuchung der australischen Behörden ergab, dass der Chief Mate in den 38 Stunden vor dem Unfall weniger als drei Stunden geschlafen hatte. Auch unter dem Eindruck dieses Ereignisses in einem der sensibelsten Ökosysteme der Erde, welches einmal mehr die Bedeutung von Fatigue als Unfallursache belegt, steht die Überarbeitung der 2002 verabschiedeten »Leitlinien zur Verringerung und zum Management von Fatigue« nunmehr auf der Agenda der International Maritime Organisation (IMO). Bis 2017 sollen das Maritime Safety Committee (MSC) und das Sub-Committee on Human Element, Training and Watchkeeping (HTW) dazu einen entsprechenden Entwurf erstellen.

Die bisherige Sichtweise war dadurch gekennzeichnet, dass vier unterschiedliche Bereiche bei der Entstehung von Fatigue als ursächlich betrachtet wurden: der mannschaftsbezogene Bereich, Aspekte des Managements, schiffsspezifische Determinanten und Umweltaspekte. In den jetzt eingereichten Änderungsvorschlägen von Großbritannien, Australien, Norwegen und anderen Beteiligten soll ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt werden, der das Phänomen multikausal beschreibt. In der Sitzung des MSC-Ausschusses im Juni lieferte insbesondere der vorgelegte Entwurf von Großbritannien dazu vielfältigen Diskussionsstoff.

Vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse, die britische Forschungseinrichtungen im Projekt »Horizon« zu den Ursachen von Fatigue gewinnen konnten, sieht der Richtlinienvorschlag dementsprechend eine Reihe von grundlegenden Änderungen vor. So wird beispielsweise auch die Einrichtung eines Fatigue-Management-Systems mit praxisbezogenen Instrumenten als zielführend angesehen.

Als besonders kritischer Punkt bestimmte die Frage nach dem Zusammenhang von Bemannungsstärke und Fatigue die Diskussion. Der britische Änderungsentwurf, der im Kern auch von deutscher Seite mitgetragen wurde, hatte hier anfangs noch eine stärkere Herausstellung des Zusammenhanges zwischen Mannschaftsstärke, Arbeitsbelastung und Fatigue vorgesehen. Unter dem Eindruck der sich abzeichnenden Vorbehalte wurde die Forderung nach verbindlichen Verordnungen hinsichtlich der Mannschaftsstärke jedoch gestrichen.

Zwar wurde diese Sichtweise, dass die IMO verbindliche Verordnungen entwickeln solle, die für die Mannschaftsstärke ein Sicherheitsminimum festlegen, in der abschließenden Diskussion nochmals von einigen Delegationen deutlich gemacht. Andere Beteiligte hingegen waren dagegen. Entsprechend wurde festgehalten, dass keine Erweiterung der bestehenden SOLAS V/14 Vorschrift und Resolution A.1047(27) betreffs der Bemannungsrichtlinien erfolgt.

Nach abschließender Diskussion wurde zwar für das weitere Vorgehen entschieden, dass »alle Fatigue bedingenden Faktoren, einschließlich Mannschaftsstärke« berücksichtigt werden sollen. Zudem soll die Überarbeitung dieser Leitlinien die Entwicklung von Ratgebern und praktischen Hilfsmitteln für alle Bereiche von Fatigue bedingenden Faktoren, einschließlich Mannschaftsstärke, umfassen.

Es wurde jedoch auch festgehalten, dass es sich um nicht-verbindliche Leitlinien handelt. Dabei wäre hier mehr Verbindlichkeit wünschenswert gewesen. Zum Schutz der Meere vor Havarien wie der »Shen Neng 1« und der auf ihnen arbeitenden Menschen.

Birgit Nolte-Schuster