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Das Ingenieurbüro HeavyLift@Sea hat mit SeaRenergy ein neues Design

für ein Offshore Assistance Vessel (OAV) entwickelt. Beachtenswert ist der Verzicht auf »moderne Hochleistungs­elektronik«.
Dass die Nachfrage aus der Wind-Industrie nach modernen Einheiten zunehmen wird, gilt in der Branche mehr oder minder als[ds_preview] Konsens. Oft werden daher pro-aktiv Designs ohne konkreten Auftrag entwickelt. Nicht so in diesem Fall. Anlass für das Projekt der beiden Hamburger Unternehmen war eine Ausschreibung des Energiekonzerns Dong Energy. Die Dänen sind auf der Suche nach einem Schiff für Service- und Wartungsarbeiten. SeaRenergy wollte es bauen lassen und dann an Dong verchartern. Für die Entwicklung holte man HeavyLift@Sea mit ins Boot – deren Flexibilität hatte mehr überzeugt als die vorgefertigten Designs größerer Dienstleister. Letztlich konnte der Auftrag zwar nicht gewonnen werden. Von dem Design sind Projekt-Ingenieurin Katharina Voigt und HeavyLift@Sea-Geschäftsführer Hendrik Gröne aber nach wie vor überzeugt. Auch wenn es derzeit keine konkreten Gespräche mit möglichen Auftraggebern gibt. »Wir bekommen aber immer wieder Interesse signalisiert. Außerdem werden zum Herbst neue Tender erwartet, die in diese Richtung gehen«, ist Voigt zuversichtlich.

Die Unterscheidungsmerkmale zu anderen Designs liegen laut Voigt und Gröne in den Abmessungen und im Propulsionssystem. Es sei kleiner als die der meisten Wettbewerber. »Das hat zwei Gründe«, so Gröne, »zum einen versuchen wir, die kleinstmögliche Lösung zu finden, weil das gleichzeitig die kostenoptimale ist. Zum anderen sind die für die Nordsee entwickelten Designs auf dem Markt meist zwischen 90 und 100m lang. Dort ist die am häufigsten vorkommende Wellenlänge rund 100m. Wenn Schiffe ungefähr so lang sind wie die Wellen, kann es zu Resonanzeffekten kommen. Daher wollten wir signifikant darunter bleiben.« Das Konzept sieht eine Länge von 71,4m vor, wodurch es nach Meinung der Entwickler sehr gut in die Wellenfrequenzen der Nordsee passt. Gleichzeitig sei es groß genug, um alle geforderten Voraussetzungen der Kunden zu erfüllen. »Es gibt genauso Platz für 60 Personen wie auf anderen Schiffen. Auch die Kapazitäten für Ladung, Stores und Techniker-Räume sind absolut ausreichend«, erläutert Gröne. Er sehe daher keinen Grund, das Schiff größer zu bauen.

Angetrieben wird ein möglicher Neubau von zwei jeweils 1.400 kW leistenden Hauptmaschinen und drei jeweils 1.200 kW leistenden Hilfsdieseln. Laut den Partnern wurde auf ein Design mit niedrigem Kraftstoffverbrauch und kosteneffizientem Antriebssystem Wert gelegt, mit einem Fokus auf geringen Betriebs- und Wartungskosten sowie Verlustminimierung. So sollen geringere Reise- und längere Arbeitszeiten ermöglicht werden.

Erreicht werden soll dies durch einen »neuen alten« Ansatz. Das Propulsionssystem ist einfach gehalten. Es gibt drei Querstrahler vorne und zwei hinten. »Zum Beispiel haben wir zwei konventionelle Propeller, einen dieselmechanischen Antrieb und Tunnelstrahler – im Gegensatz zu vielen anderen, die ausfahrbare Azimuth-Strahler oder ›swingable Thruster‹ haben«, begründet Gröne. Die seien viel anfälliger und ergäben einen höheren Wartungsaufwand. Zwar gäbe es einige Vorteile und ihr Einsatz habe gute Gründe. »Wir haben uns aber für eine kostenoptimierte Variante entschieden – sowohl in der Beschaffung mit günstigeren Tunnelstrahlern als auch bei Wartung und Betrieb.« Das Propulsionssystem ist seiner Meinung nach auch verantwortlich für eine geringere Ausfallwahrscheinlichkeit. »Es gibt andere Systeme, bei denen sehr viel hin- und hergeschaltet werden kann, wenn mal etwas ausfällt. Das versuchen wir aber von vornherein zu vermeiden, auch wenn es dazu führt, dass wir mehr Leistung einbauen als andere. Da denken wir eher traditionell robust als in moderner Hochleistungselektronik«, sagt der gelernte Schiffbau-Ingenieur.

Für die Arbeit auf See enthält das Konzept ein dynamisches Positionierungssystem DP2, dass die Anforderungen ERN 99,99,99,95 erfüllt. Die Environmental Registration Numbers geben Umweltbedingungen wieder, bei denen das Schiff Position halten kann, auch wenn mal ein Strahler ausfällt. Im Fall dieses OAV könnte sich das Schiff noch bei bis zu 6,1m hohen Wellen und 1,5kn Strömung halten.

Das Design sieht einen Kran vor, der im Hafen bis zu 25t heben kann – etwa zum Be- oder Entladen oder zur Hantierung der Lukendeckel. Im Windfeld selbst ist die Kapazität eingeschränkter, bei bis zu 2,5m Wellengang können maximal 5t schwere Komponenten gehoben werden, die nicht über die Gangway oder das Tochterboot an die Windanlagen oder Plattformen befördert werden können. Ladungsteile mit bis zu 300 kg Gewicht können über einen barrierefreien Übergang ohne Kraneinsatz aufgenommen werden.

Die ebenfalls bei bis zu 2,5m Wellengang nutzbare Gangway an Backbord kann ausgefahren werden. Im Schiff ist ein Lift zwischen dem Arbeitsdeck und dem Übergangsraum zur Gangway installiert, mit dem die Techniker sich und ihre Ladung schnell und einfach bewegen können. 2,5m ist mittlerweile die Standardgrenze. Das liegt laut Gröne daran, dass diese Bedingung bei 98% der Einsatzzeit in der Nordsee nicht überschritten wird. Zusätzlic h zur Gangway gibt es ein Tochterboot mit eigenem Hangar, mit dem Plattformen erreichbar sind.

Die Form des Schiffes wurde entworfen, um Bewegungen zu reduzieren und den Komfort der Techniker zu erhöhen – letztlich sollen so Ausfallzeiten durch Seekrankheit oder Witterung reduziert werden. »Problemlos« könne das OAV 30 Tage im Feld bleiben, bevor es zur Be- und Entladung, Proviant und Vorratsaufnahme wieder in einen Hafen muss, im Notfall auch bis zu 5 Tage länger. In der Regel müssen die Techniker alle 14 Tage ausgetauscht werden. Dies geschieht mittels eines Crew Transfer Vessels (CTV). »Der Komfort schlägt sich auch in der Klassifizierung als Passagierschiff nieder. Lärm und Vibrationen sind reguliert und entsprechend gering – tatsächlich vergleichbar mit Kreuzfahrern. Andere Offshore-Schiffe sind meist lediglich als SPS (Special Purpose Ship) klassifiziert«, erläutert der HeavyLift@Sea-Geschäftsführer.

Die Preisskala für derartige Projekte ist recht breit. Für den Dong-Tender mussten die Hamburger einen bindenden Werftpreis vorlegen. Die Baukosten für »ihr« Schiff betrugen je nach Werftangebot zwischen 21Mio. € und 42Mio. €. Die niedrigen Preise kamen vor allem aus Asien. »Das Schiff wurde beispielsweise in China angefragt. Hier sieht man einen finanziellen Vorteil, muss aber im Gegenzug den qualitativen Aspekt sehr stark im Auge behalten, um das Schiff mit seinen komplexen und anspruchsvollen Systemen voll funktionsfähig abgeliefert zu bekommen«, so die Ingenieurin weiter.

In Europa waren Schiffbau-Unternehmen in Deutschland, Spanien, in Polen und in der Türkei angefragt worden. Alternativ wird darüber nachgedacht, den Kasko im asiatischen Raum bauen zu lassen und die Endausrüstung auf einer europäischen Werft auszuführen. Dies sei aber aufgrund der Komplexität schwierig umsetzbar und daher nicht zwingend günstiger als ein Komplettbau in Europa.

Die Baupreise der europäischen Werften sind im Gegensatz zu den chinesischen Werften zwar höher, aber hier sind die qualitativen Standards für solch ein Projekt gegeben. Auch eine kürzere Lieferzeit könnte durch größere Flexibilität in Europa eher realisiert werden.
Michael Meyer