Print Friendly, PDF & Email

Am 5. November 2015 fand in der Handwerkskammer Hamburg vor ca. 120 Zuhörern ein weiterer Workshop des Fachausschusses für Korrosionsfragen (FA KOR) der Hafentechnischen Gesellschaft e.V. (HTG) zum Thema Korrosionsschutz im maritimen Bereich statt
In seinen einleitenden Worten wies Dr. Günter Binder (BAW/HTG) auf die traditionelle Kompetenz dieses Fachausschusses der HTG in vielen[ds_preview] Fragen des Korrosionsschutzes hin, die sich unter anderem in Form von Fachvorträgen, Publikationen und Handbüchern des FA KOR der letzten Jahrzehnte belegen lässt. Seit drei Jahren beschäftigt sich der Ausschuss intensiver mit dem Korrosionsschutz im Offshore-Bereich, speziell mit den Strukturen der Windkraftanlagen (OWEA). Als kein ungünstiges Zeichen für den Korrosionsschutz generell wertete Dr. Binder den Umstand, dass die im Workshop 2014 aufgeworfenen Fragen zum Korrosionsschutz, hier Aluminiumfreisetzung von Opferanoden, auch im Bundestag thematisiert worden sind. Nachdem der Fachausschuss mit dem Tag des Workshops 2015 die Arbeit am Handbuch des Korrosionsschutzes durch organische Beschichtungen für Stahl im Wasserbau beendet hat, werden neue Arbeitsschwerpunkte in den Mittelpunkt gestellt: Überarbeitung des Korrosionsschutzkapitels E 35 der EAU und Neubearbeitung des Handbuchs für den Kathodischen Korrosionsschutz – zwei fast schon traditionelle Aufgaben des Fachausschusses. Für den Workshop 2015 konnten wieder kompetente sowie erfahrene Korrosionisten als Vortragende gewonnen werden, deren Vortragsinhalte nachfolgend zusammenfassend wiedergegeben werden:

Dr. Andreas Burkert (BAM, Berlin) erläuterte die Eigenschaften sog. Nichtrostender Stähle und deren Eingruppierung hinsichtlich ihrer Einsatzmöglichkeiten. Im Zusammenspiel von Legierungszusammensetzung, der daraus ableitbaren Korrosionswiderstandsklasse und letztlich dem einzuschätzenden Korrosionsrisiko kann eine Optimierung der Materialauswahl erfolgen, die den Einsatzbelastungen entspricht. Die Vorbehandlung der Stähle und die Konstruktion selbst sind ebenso zu berücksichtigen. Dr. Burkert führte an einigen Schadensbeispielen die Notwendigkeit der Berücksichtigung aller angeführten Faktoren beim Einsatz von hochlegierten Stählen aus – Nichtrostende Stähle gibt es nicht per se!

Eines der Grundlagenthemen des Korrosionsschutzes – das Galvanische Element – behandelte Ferdi Rickenbacher (Kontra Korrosion, Schweiz). Auf Basis der physikalischen Chemie wurden die Mechanismen der Bimetallkorrosion und der Korrosion durch Konzentrationselemente ausführlich und nachvollziehbar geschildert. Die Überlegungen führen letztlich zur Betrachtungsweise des »Korrosionssystems«, d. h. das Zusammenwirken der Komponenten, die die spezifischen Umstände des jeweiligen Korrosionsschadens erschließen – Schadensvermeidung im Sinne der Prävention ist damit möglich, wie umgekehrt anhand einiger plausibel geschildeter Schadensfälle klargemacht wurde.

Mit speziellen Fragen der Optimierung von Prüfverfahren von Korrosionsschutzstoffen für OWEA beschäftigte sich der Vortrag von Mario Hörnig (Fraunhofer-IWES, Bremerhaven). Hierbei werden in verschiedenen Forschungsvorhaben Prüfstände im Technikumsmaßstab entwickelt, die die Korrosionswirklichkeit im maritimen Bereich abbilden sollen. Beginnend mit der Applikation werden zunächst alle denkbaren Einflüsse wie Aushärteprozess, Probenhandling, Ausbildung der künstlichen Verletzung und schließlich Belastungsdauer von Beschichtungen und der Korrosionsfortschritt beobachtet, um schließlich die Korrosionsprüfungen zu optimieren.

Aufgrund seiner vielfältigen Gutachtertätigkeit konnte Andreas Schneider (ISL, Leipzig) eine Fülle interessanter Schadensbeispiele zeigen und erläutern. Es ist hierbei wichtig, die Schadensursache zu klären, um – neben der Zuordnung nach dem Verursacherprinzip – die richtigen Maßnahmen bei der Behebung von Korrosionsschäden zu ergreifen. Häufig neigen nämlich sachunkundige Beteiligte zu Wiederholungsfehlern. Aus dem Erfahrungsschatz können folgende prinzipielle Fehler aufgezählt werden: Nichteinhaltung der Überarbeitungszeit, mangelhafte Flächenvorbereitung, mangelnde Berücksichtigung der HV-Verbindungen, mangelhafter Abriebwiderstand, Überschichtdicken bei Zinkstaub-Grundierung sowie Haftfestigkeitsmangel. Die Haftfestigkeitsanforderungen sind noch zu diskutieren, da sie z. B. bei Abscherungen keine Aussage bieten.

Dr. Andreas Momber (Muelhan, Hamburg) griff in seinem Vortrag Schadensfälle auf, um die Notwendigkeit der Verbesserung bzw. Optimierung einsatzgemäßer Eigenschaften von Beschichtungen auszuführen. Hier sind zunächst Prüfungen der Schlagfestigkeit und der Abriebeigenschaften zu nennen. Möglicherweise ist noch auf die Temperaturabhängigkeit zu achten. Eine Abfolge von notwendig erachteten Arbeitsgängen der Reparatur von OWEA vor Ort wurde aufgelistet. Im Detail wurden von Dr. Momber noch Inspektions- und Instandhaltungsmodelle, letztere mit Zustandsbestimmung, vorgestellt. Beobachtungen der Korrosion erfolgten u. a. durch die durch Drohnenflug erzielten Fotografien.

Dr. Günter Binder (BAW/HTG) stellte die Verbindung von Prüfungen, Systemaufbau und Zulassung von Beschichtungssystemen für den Bereich der deutschen OWEA her. Zunächst ist festzustellen, dass die Interessen der Beteiligten notgedrungener Weise nicht unbedingt dem optimalen Korrosions- wie auch Umweltschutz dienlich sind. Hinsichtlich der Auswahl von bestmöglichen Schutzsystemen sind vor allem die Ergebnisse von Langzeitauslagerungen in der Natur entscheidend. Entgegen der Vorstellung mancher Lackhersteller sind z. B. die Systeme A.7 der NORSOK M 501 keinesfalls optimal. Hinzu kommt das Problem, dass die Systeme ohne gut formulierte Grundbeschichtungen nicht den Anforderungen des Kathodischen Korrosionsschutzes genügen. Schließlich empfahl Dr. Binder, die Listung zugelassener Systeme der Öffentlichkeit, insbesondere hier den Ausschreibenden, zur Verfügung zu stellen.

Henning Hansen (FROSIO, Oldenburg) erläuterte das Ausbildungssystem von Beschichtungsinspektoren mit dem Schwerpunkt der Qualitätssicherung von Strukturen der OWEA. Recht plausibel erschien es den Zuhörern, dass ein mehrwöchiger Kurs noch keinen Korrosionsschutzfachmann hervorbringt – auch nicht bei bestandener Abschlussprüfung. Hansen empfiehlt daher, neben der beruflichen Erfahrung, weitere fachspezifische Fortbildungen wie z. B. den KOR-Schein, Grundlehrgang Korrosionsschutz, Strahler- und Beschichtungslehrgang, um ausgewiesene Korrosionsschutzinspektoren zu »erzeugen«. Es ist auch zu beachten, dass es verschiedene Stufen bzw. Levels bei entsprechenden Fortbildungsmaßnahmen gibt, die oftmals die Qualität bestimmen.

Joachim Pflugfelder (Sika/HTG) berichtete über das vom BMBF geförderte Forschungsprojekt REPAKORR, welches die Ressourceneffizienz durch Materialinnovation steigern soll. Eine Reihe von Teilnehmern wirkt dabei in der Entwicklung der Stoffe, der Reparaturkonzepte, der Zertifizierung, der Inspektion, der Konstruktionsverbesserung und der Einhaltung von Umweltvorgaben bei Baumaßnahmen in der OWE-Industrie mit. Kosteneinsparungen bei Reparaturarbeiten können u. a. durch eine einfache, aber sichere Verarbeitung der neuentwickelten Stoffe erzielt werden. Im Frühjahr 2016 werden die Resultate vorgelegt.

Oliver Heins (EnBW/HTG) stellte das neue Handbuch für Beschichtungsarbeiten des FA KOR vor. Auf gut 150 Seiten stellte der Fachausschuss die Grundlagen der Beschichtungsarbeiten sowie die Spezifität der Arbeiten im Stahlwasserbau dar. Nicht ausgelassen wurden die Beschreibung der Grundsätze der Korrosionsmechanismen sowie die Auflistung geeigneter Korrosionsschutzsysteme für den schweren Korrosionsschutz im nassen Bereich. Im Mittelpunkt stehen die Flächenvorbereitung, die Applikation und die Überwachung. Ergänzt wurde der Inhalt noch mit Berichten zu bemerkenswerten Schadensfällen. Das Handbuch, ebenso wie die Vortragsfolien des Workshops 2015, werden digital ins Netz gestellt (www.htg-online.de/Fachausschüsse/FA KOR… ).

Heins bedankte sich abschließend noch bei der Zuhörerschaft für die rege Beteiligung und für die engagierten Diskussionsbeiträge. Der Dank gilt auch Frau Greve (HTG-Sekretariat) und Herrn Kiegeland (WTM/HTG), die in ihrer Mitwirkung auf organisatorischer Ebene einen perfekten HTG-Workshop sicherstellten.

Zum Abschluss des Workshops wurde noch auf zwei weitere Veranstaltungen zum Korrosionsschutz hingewiesen:

Workshop des FA KOR am 10. November 2016 in Hamburg

BAW-Kolloquium »Stahlbau und Korrosionsschutz« am 8./9. Februar 2017 in Karlsruhe.

Autor: Dr. Günter Binder

Bundesanstalt für Wasserbau

Vorsitzender des FA Korrosionsfragen

guenter.binder@baw.de


Dr. Günter Binder