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Seit zwei Jahren arbeitet die Maritime LNG Plattform daran, den Einsatz von verflüssigtem Erdgas in der Schifffahrt voranzutreiben. Ein Überblick über Erreichtes und Ausstehendes
Rund 70 nationale und internationale Unternehmen, Häfen, Verbände und Initiativen haben sich der Maritimen LNG Plattform mittlerweile angeschlossen. Seit Anfang[ds_preview] 2015 arbeitet die Plattform dabei offiziell mit dem Bundesverkehrsministerium zusammen, dem sie sowohl im Rahmen der Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie der Bundesregierung als auch für den nationalen Bericht zur Umsetzung der EU-Richtlinie »Clean Power for Transport« fachlichen Input liefert. »Wir haben uns bei diesem Thema inzwischen als Scharnier zwischen maritimer Wirtschaft und Politik etabliert und sind der Hauptansprechpartner für alle Beteiligten«, zeigt sich Geschäftsführer Georg Ehrmann überzeugt.

Der Impuls zum Aufbau der Plattform war aus der maritimen Branche gekommen, die die Arbeit des Vereins seit seiner Gründung im Februar 2014 durch Mitgliedsbeiträge finanziert. War es im ersten Jahr nach dem offiziellen Startschuss im Juni 2014 noch darum gegangen, die passenden Mitglieder an Bord zu holen und das Verhältnis zu den involvierten Verbänden wie dem Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM), dem Verband Deutscher Reeder (VDR) und dem Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) zu klären, steht nun die inhaltliche Arbeit im Mittelpunkt. Schnell waren drei wesentliche Hemmnisse ausgemacht: die Genehmigungspraxis, die Förderkulisse und die Frage der Infrastruktur.

In der Etablierung eines funktionierenden Genehmigungsmanagements sieht Ehrmann aktuell die größte noch zu lösende Herausforderung. »Das ist ein nicht zu unterschätzendes Momentum«, betont er und nennt als Negativbeispiel die Genehmigung der LNG-Hybrid-Barge »Hummel« zur Stromversorgung von AIDA-Kreuzfahrtschiffen im Hamburger Hafen, für die man 23 Behörden miteinander habe koordinieren müssen und die nun wegen eines Vetos der Hamburger Feuerwehr nicht innerhalb des Hafens bebunkert werden dürfe. Dabei seien die benötigten Regelwerke längst da: Es gebe internationale Standards, die nur angewandt werden müssten. »Da gibt es Unsicherheiten und Ängste in den Köpfen, die auf reiner Unkenntnis beruhen«, meint der Plattform-Geschäftsführer. Dies sei in den kommenden zwei Jahren dringend zu ändern, denn zum Beispiel die beiden von AIDA Cruises bei der Meyer Werft georderten LNG-Kreuzfahrtschiffe könnten Hamburg nur dann wie geplant als Heimathafen anlaufen, wenn es dort auch die entsprechende Infrastruktur gebe. Die Plattform hat es sich darum zur Aufgabe gemacht, einen Wissenstransfer zu organisieren: So sollen die Feuerwehren aus Mannheim, wo Ende 2013 die erste Betankung eines Binnenschiffs mit LNG stattfand, und Göteborg, wo dies schon seit Jahren zum Hafenalltag gehört, den Feuerwehr-Verantwortlichen aus norddeutschen Hafenstandorten von ihren Erfahrungen berichten. Ziel der Bemühungen ist es, in Zusammenarbeit mit den Behörden Mustergenehmigungen zu entwickeln, in denen die meisten Fragen schon beantwortet sind und nur noch die ortsspezifischen Gegebenheiten geklärt werden müssen.

Einen großen Schritt weiter ist man mittlerweile bei der Förderung durch den Bund. Im Rahmen der Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie hat das Verkehrsministerium voriges Jahr einen Fördertopf gefüllt, aus dem schon Gelder für die Umrüstung eines Containerschiffs der Reederei Wessels, den Bau einer gasbetriebenen Fähre auf dem Bodensee sowie den Einsatz von LNG PowerPacs zur Stromversorgung von Containerschiffen während der Liegezeiten im Hafen bewilligt worden sind. Für letztere hat Becker Marine Systems Mitte Februar einen Zuwendungsbescheid in siebenstelliger Höhe bekommen. Im Rahmen eines Pilotprojekts sollen nun in Hamburg erstmals Containerschiffe mit Strom durch die LNG PowerPacs versorgt werden, die an Bord abgesetzt werden und das Bordnetz während der Liegezeit mit Energie versorgen. Für die aktuelle Förderrunde hat die Maritime LNG Plattform Anfang dieses Jahres weitere vielversprechende Projekte vorgeschlagen, über die zeitnah entschieden werden soll. Insgesamt stehen dafür 2016 mindestens 8Mio. € zur Verfügung. Aktuell arbeitet das Ministerium an einer Förderrichtlinie, um für künftige Projekte den Rahmen abzustecken.

In Sachen Förderung sei damit ein Meilenstein gesetzt, betont Ehrmann. Wer sich jetzt auf den Weg mache, habe realistische Chancen, von dem Programm zu profitieren. Die Branche weiß aber auch: Nach einer Übergangszeit, in der die Bundesgelder beim Anschieben von Leuchtturmprojekten helfen sollen, muss es ohne finanzielle Unterstützung gehen. »Vorerst werden allerdings größere Investitionen in LNG ohne intelligente Förderkulisse nicht möglich sein«, meint Ehrmann, »und da hat die Politik ihre Hausaufgaben durchaus ordentlich gemacht.« Der Geschäftsführer geht davon aus, dass sich Flüssigerdgas – abhängig von der weiteren Entwicklung des Ölpreises – in fünf bis zehn Jahren so weit auf dem Markt etabliert haben wird, dass keine Förderung mehr notwendig ist. »First Mover« wird dabei nach seiner Ansicht die Kreuzschifffahrt sein: »Da ist der Erwartungsdruck der Kunden viel größer. In anderen Bereichen wird es sicher noch etwas länger dauern, aber auch da setze ich auf die Verbraucher, die verstärkt saubere Transporte fordern.«

Ei oder Henne?

Ausführlich diskutiert wurde in den vergangenen Jahren die »Henne-Ei-Problematik«: Braucht es zuerst eine entsprechende Infrastruktur in den Häfen, damit Reeder in Gasantriebe investieren? Oder müssen zuerst die Schiffe gebaut werden und so den Bedarf für LNG-Terminals schaffen? Für Ehrmann ist es an der Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen. »Wir sollten mit diesem Henne-Ei-Mythos aufräumen, denn die Frage ist schon längst gelöst: Jeder, der sich für einen Gasantrieb entscheidet, wird auch versorgt.« Mit Shell, Bomin Linde, Gazprom und Gasunie gebe es genügend Anbieter, die LNG mit Lkw in jeden Hafen Deutschlands liefern könnten: »Und wenn die Nachfrage steigt, werden sie auch in entsprechende Tankstellen und Terminals investieren«, ist er überzeugt. Bis es so weit sei, gehe der Trend jedoch erst einmal zu großen Bunkerschiffen.

Als die Plattform vor zwei Jahren ihre Arbeit aufnahm, stand die Einführung der neuen Schwefelgrenzwerte in den Emissionskontrollgebieten in der Nord- und Ostsee kurz bevor. Es war davon auszugehen, dass sich LNG in einem überschaubaren Zeitrahmen zu einer preiswerten Alternative entwickeln würde. Doch dann begannen die Ölpreise zu sinken. »Im Moment ist der wirtschaftliche Druck auf die Reeder nicht so groß«, räumt Ehrmann ein. »Aber Schiffe werden ja für 30 Jahre gebaut und nicht für fünf, darum geht es zwar gerade etwas langsamer voran – aber insgesamt ist sich die Branche inzwischen weitgehend einig, dass LNG in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird.«

Wenn es gut läuft, wird sich die Plattform in drei bis fünf Jahren selbst überflüssig gemacht haben, meint ihr Geschäftsführer. Läuft die Genehmigungspraxis erst einmal rund und sind die Reeder zum Investieren bereit, bleibt aus seiner Sicht nur noch eine größere Aufgabe zu erledigen: Banken davon zu überzeugen, die rund 20% teureren LNG-Schiffe zu finanzieren. »Da ist es dann gegebenenfalls an der Politik, die Rahmenbedingungen für die Schiffsfinanzierungen zu schaffen«, sagt Ehrmann, der sich insgesamt optimistisch für die weitere Marktdurchdringung von Flüssigerdgas gibt – auch wenn andere Länder schon weiter sind. Mit Norwegen zum Beispiel müsse sich die hiesige Branche nicht vergleichen, weil LNG-Projekte dort seit 2007 durch den staatlichen NOx Fund massiv subventioniert würden. Und bei den Niederländern müsse man anerkennen, dass die maritime Wirtschaft vorausschauender gewesen sei und früh die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen habe: »Aber wir holen da gerade ganz enorm auf. Das ist der Vorteil unserer deutschen Strukturen: Wenn ein Prozess erst einmal angelaufen ist, dann läuft das auch.«
Anne-Katrin Wehrmann