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Auch die deutschen »Schifffahrtsanwälte« müssen auf die Krise und die Entwicklung der hiesigen Branche reagieren. Das tun sie, indem sie eine schnellere Beilegung von Streitfällen planen. Man folgt damit einem Beispiel aus England.
Juristische Verfahren dehnen sich auch im maritimen Geschäft zum Teil über sehr lange Zeiträume aus. Durch die Struktur des deutschen[ds_preview] Rechts sind Streitfälle mit hiesigen Regularien zwar teilweise schneller abgewickelt als es beispielsweise in Großbritannien möglich ist. Dennoch gibt es auch in Deutschland Verkürzungspotential. Die Branchenvereinigung GMAA (German Maritime Arbitration Association) hat sich dies nun zum Ziel gesetzt.

Auf der jüngsten Mitgliederversammlung in Hamburg wurde beschlossen, ein sogenanntes – im englischen Recht bereits existierendes – »Fast Track«-Verfahren einzuführen. Es soll Zeit und Kosten sparen und nicht zuletzt eine Reaktion auf die veränderten Rahmenbedingungen sein, die sich durch die schwere Schifffahrtskrise herausgebildet haben.

Heute gibt es viel mehr Fälle über kleinere Streitigkeiten und Schadenswerte als es noch in der Vorkrisenzeit der Fall war. Seinerzeit wurde etwa über fünfstellige oder kleinere sechsstellige Summen eher selten mit anwaltlichem Beistand gestritten. Vielmehr einigte man sich untereinander, da die Beträge angesichts der guten wirtschaftlichen Lage nicht sonderlich ins Gewicht fielen und der Fortführung der geschäftlichen Beziehungen Vorrang eingeräumt wurde. Mittlerweile müssen viele der Schifffahrtstreibenden aber jeden Euro oder Dollar umdrehen. »Es wird um mehr ›Kleinigkeiten‹ gestritten, die man früher informell geklärt hat. Heute haben wir außerdem eine Vielzahl von Fällen, die überhaupt erst durch die Krise hervorgerufen worden sind, nämlich die kritische Durchleuchtung der Bereederungsverträge«, sagt der GMAA-Vorsitzende Jan Wölper im Gespräch mit der HANSA. Aus den einstmals so beliebten Kommanditgesellschaften für Schiffe werde immer häufiger die Frage gestellt, ob das eingezahlte Geld richtig ausgegeben worden sei. »Das hat früher nicht so eine prominente Rolle gespielt, weil reichlich Kapital vorhanden war«, so Wölper weiter. Die Bandbreite reicht von der Hinterfragung der Zuliefererauswahl bis zu schwerwiegenderen Vorwürfen, laut Wölper geht es dabei zum Teil auch um Veruntreuung.

Eine weitere Folge der drastisch geschrumpften, mancherorts aufgebrauchten Liquidität sind vermehrte Schiffsschäden, die auf mangelnde Wartung zurückzuführen sein können. Gerade deutsche Reeder hatten hier in der Vergangenheit stets einen sehr guten Ruf. Doch viele wurden von der Krise derart hart getroffen, dass die Mittel für die Instandhaltung der Schiffe zurückgefahren werden mussten. »Rein statistisch ist der Zusammenhang zwischen weniger Geld und mehr Schäden zwingend, daher gibt es auch mehr Streitfälle«, erläutert Wölper. Versicherungen würden dazu beitragen: »Früher wurde mangelnde Wartung schon mal eher hingenommen. Heute gucken sie genauer hin, ob ein Schaden auf Wartungsmängeln beruht. Dann wird unter Umständen die Deckung versagt«, so der GMAA-Vorsitzende. Der Markt sei viel härter geworden, auch wenn es in diesen Fällen immer noch viele Vergleiche gebe.

Ob Wartungsmängel oder nicht – die große Masse an Streitfällen um vergleichsweise kleine Summen ist nach Ansicht der GMAA sehr gut geeignet für »Fast Track«-Verfahren. In England bei der London Maritime Arbitrators Association (LMAA) gibt es ein ähnliches Prozedere schon länger. Dort ist ein volles Schiedsverfahren sehr aufwendig, langwierig und teuer. Daher hat man die Notwendigkeit schnellerer Verfahren bei Streitwerten bis 50.000 $ erkannt: ohne größere Ermittlungen, mit nur einem statt drei Schiedsrichtern, ohne Zeugenvernehmung vor Ort und mit einer stark reduzierten Anzahl an Schriftsätzen.

Laut Wölper ist das deutsche System im Vergleich zwar ohnehin weniger aufwendig. Dennoch wolle man hier jetzt ebenfalls ein »Fast Track«-Verfahren einführen. »Erstens haben in einem Schiedsverfahren nicht immer beide Parteien ein Interesse daran, dass es schnell geht. Dem Beklagten kann es manchmal gar nicht lange genug dauern, wenn er zahlen muss – gerade in Krisenzeiten. Dem könnte man mit vornherein festgelegten Fristen entgegenwirken, von denen es nur im Extremfall Ausnahmen gibt«, sagt der Jurist. Eine endgültige Entscheidung wurde noch nicht gefällt, möglich ist aber dass man sich darauf verständigt, dass drei Wochen nach Bestellung des Schiedsrichters – durch beide Seiten – die Klage eingereicht werden muss, spätestens drei Wochen später die Klageerwiderung. Der Schiedsrichter müsste in sehr kurzer Frist die Anhörung durchführen. »Eine kurze Frist bedeutet in der Regel auch geringere Kosten, weil man sich beschränken muss und keine Klageschrift mit mehreren Hundert Seiten verfassen kann.« Selbst eine Beschränkung der Zeichenzahl bei Aussagen, Gutachten etc. ist geplant.

Anders als in England ist bei der GMAA jedoch auch künftig noch ein persönliches »Hearing« vorgesehen. »Hier gilt noch immer sehr stark der Grundsatz der mündlichen Verhandlung als Kern eines fairen Verfahrens«, begründet Wölper. Auch hat der Schiedsrichter so die Möglichkeit, sich selbst zur Sache zu äußern, bevor er entscheidet, um so unter Umständen einen Vergleich anzustoßen. Das sei in England nicht vorgesehen.

Eine Neuerung könnte nach Ansicht von Wölper durchaus zu Diskussionen führen: »Wir haben an allen Fronten gekürzt, besonders an Zeiten und festen Fristen. Dazu gehört auch, dass schriftliche Zeugenaussagen möglich sein werden, wie es in England absolut üblich ist. Das wird für Aufruhr sorgen, weil es typischerweise zum Rechtsverständnis am Kontinent gehört, Zeugen persönlich zu hören. Mancher meint, es sei völlig abwegig, dies schriftlich zu machen. Aber in der Schifffahrt kann man das Problem bekommen, dass die Zeugen auf der ganzen Welt verteilt sind. Da ist eine Terminabsprache sehr schwierig, erst Recht wenn ein Termin für mehrere Zeugen gefunden werden muss. So entstehen große Verzögerungen und Kosten, die man mit schriftlichen Aussagen stark reduzieren könnte.«

Neben den Kosten sei die Zeit das zweite wichtige Argument. »Was nützt es mir, wenn ich in drei Jahren Recht bekomme. Dann habe ich die Forderung längst aus den Büchern abgeschrieben. Das birgt zwar das Risiko, dass nicht alle Details betrachtet werden können. Aber das ist kaufmännisches Risiko. Die Zeit ist viel wichtiger, als Recht zu bekommen«, meint Wölper. Es gebe zwar auch jetzt schon Möglichkeiten, ein Verfahren zu beschleunigen. Als eigenständiges Angebot könne man es jedoch für bestimmte Streitwerte als obligatorisch vereinbaren.

Auf der Mitgliederversammlung verständigten sich die Juristen darauf, dass der Streitwert, bis zu dem ein Fast Track-Verfahren möglich sein soll, im Einzelfall vereinbart werden soll, weil etwa 100.000€ in einem normalen Streit recht viel seien, aber in einem Projektstreit einen Betrag darstellten, um den man niemals vor einem Schiedsgericht streiten würde.

Mittels der Streitwertbestimmung soll eine »große Masse an Standardfällen« abgedeckt werden, die sich etwa um Demurrage, Despatch, Off-Hire oder kleinere Ladungsclaims drehen. Wie hoch der Anteil solcher Streitfälle an der Gesamtheit sei? »Das ist schwer zu sagen, aber es können durchaus 25% sein, wenn es denn von den Beteiligten im Vorfeld vereinbart wurde«, meint der Jurist.

Klar ist hingegen jetzt schon, dass es wie im »normalen« Schiedsverfahren auch beim »Fast Track« um endgültige Schiedssprüche geht. Eine Berufungsmöglichkeit ist nicht vorgesehen – außer es liegen schwerwiegende Verfahrensfehler vor, etwa wenn vergessen wurde, eine Partei einzuladen. »Die Idee ist ein Verfahren mit einer Instanz. Dann kommt der Deckel drauf.«


Michael Meyer