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Der künftige Energie-Mix wird laut einer Prognose der Klassifikationsgesellschaft DNV GL bis 2050 erhebliches Wachstum, aber auch entscheidende Veränderungen für die weltweite Schifffahrt bringen.

Die Experten beim DNV GL wagen einen weiten Blick voraus bis 2050. Die sich wandeln[ds_preview]de globale Energieversorgung stelle auch die Schifffahrt in den kommenden Jahrzehnten vor erhebliche Herausforderungen, hieß es heute bei der Vorstellung des brandneuen »Energy Transition Outlook« (ETO).

Der Bericht untersucht auf Basis einer bis 2050 auf 9,2 Mrd. Menschen anwachsenden Weltbevölkerung und einer um 130 % wachsenden Weltwirtschaft, wie sich Energieproduktion und -nachfrage verändern werden und mit welchen Auswirkungen für die maritime Industrie und die einzelnen Schiffssegmente zu rechnen ist. »Es wird gravierende und rasante Veränderungen hinsichtlich der Produktiuon und Nutzung von Energie geben«, sagt Remi Eriksen, CEO von DNV GL.

Schifffahrt Symbol DNV GL
Foto: DNV GL Energy Transition Outlook

Schifffahrt

Bis 2030 sei in der Schifffahrt mit einem »robusten« Wachstum zu rechnen. Insgesamt werde der Warentransport auf den Weltmeeren in den kommenden gut drei Jahrzehnten um 60% zunehmen. Der Seeverkehr wird laut der Prognose, gemessen in t/sm, von 2015–2030 um jährlich 2,2% pro Jahr zulegen und um jeweils bescheidenere 0,6%/Jahr im anschließenden Zeitraum von 2030–2050.

Fleet DNV GL ETO 2017 Maritime Forecast to 2050 11Steigerungen werde es künftig allerdings weniger im Energie-bezogenen Transport (Öl, Kohle etc.), sondern vornehmlich im der Containerschifffahrt und bei Bulk-Ladungen mit Ausnahme von Kohle geben. Der Transport von Öl und Kohle werde nach der Produktionsspitze noch vor 2030 in dem Maße abnehmen wie ihre weltweite Nutzung. Die Nachfrage flacht zuerst bei Kohle, dann bei Rohöl und später auch bei Öl-Produkten ab.

Erdgas – in Form von LNG und LPG – werde dagegen zunächst eine stetig wachsende Nachfrage erleben und mit etwa 32% Anteil Erdöl als wichtigsten Energieträger ablösen. Trotz eines global sinkenden Bedarfs nach 2035 werde es keine Delle im Seetransport geben, weil sich die Nachfrage in Regionen mit geringen Rohstoffvorkommen verlagere. Der Bedarf werde sich in etwa auf dem heutigen Niveau einpendeln, heißt es.

Seaborne trade

Flottenentwicklung

Die Entwicklung der globalen Handelsflotte werde die Trends im Welthandel widerspiegeln, prophezeien die Experten von DNV GL. Doch die zunehmende Digitalisierung und eine bessere Schiffsauslastung würden dazu führen, dass das Angebot an Tonnage unter dem Zuwachs des Güteraufkommens bleiben werde.

In Bezug auf die Tragfähigkeit (tdw) werde die Flotte der Rohöl-Tanker um rund 20% schrumpfen, während die Zahl der Produktentanker stabil bleiben sollte. Das Bulker-Segment wird dagegen um 50% zulegen, wobei es aber eine Verschiebung der Ladungsarten geben werde. Den größten Zuwachs werde es allerdings in der Containerschifffahrt und bei Gas-Tankern geben, wo es bis 2050 eine Zunahme um 150% geben werde. Die »sonstige« Tonnage werde sich ungefähr verdoppeln.

World fleetNeuer Energiemix

Eine weitere Erkenntnis: Der Energiemix dürfte sich künftig zu gleichen Teilen auf fossile (52%) und erneuerbare Energien (48%) verteilen. Heute sind es noch 82% für Öl, Gas und Kohle. Eine zunehmende Effizienz weltweit und in allen Prozessen werde jedoch zu einer grundlegend sinkenden Energie-Nachfrage nach 2030 führen. Denn im Vergleich zu heute werde sich der Energiebedarf pro Person von 135 GJ/Jahr auf 67 GJ nahezu halbieren.

Kraftstoffe

Parallel zu den Veränderungen bei Energieproduktion und -exporten werde sich auch der Kraftstoff-Mix in der Schifffahrt ändern. »Die Trends von heute werden die Paradigmen von morgen werden«, sagt Knut Ørbeck-Nilssen, CEO DNV GL Maritime.

Im Jahr 2050 sind zwar die Ölprodukte HFO und MGO mit rund 47% immer noch der wichtigste Energielieferant, doch Erdgas wird bis dahin zur zweitwichtigsten Kraftstoff-Basis mit etwa 32% (siehe Grafik).

Auch kohlenstoffarme Alternativen wie Bio-Kraftstoffe, Methanol, Wasserstoff oder Elektroenergie, letztere vor allem im Shortsea-Bereich, dürften stark an Bedeutung gewinnen und zusammen künftig einen Anteil von 20% gewinnen, könnten jedoch angesichts der begrenzten Produktionskapazitäten den Gesamtbedarf der Schifffahrt nicht annähernd decken.

Fuel mix fleet

Eine effizientere Nutzung der vorhandenen Energie sowohl im technischen als auch im operativen Bereich einschließlich »slow steaming« wird den Kraftstoffverbrauch je t/sm um 35–40% sinken lassen – bei einem gleichzeitig generell steigenden Energiebedarf in der Schifffahrt von 10,7 Exajoule (2015, Exajoule = 1018 J = 278 TWh) auf 12,0 EJ (2050). Zum Vergleich: Der Primärenergieverbrauch in Deutschland lag 2008 bei 14,0 EJ.

Reduzierung der Emissionen

Der veränderte Kraftstoff-Mix werde dazu führen, dass sich die CO2-Emissionen der  Schifffahrt bis 2050 um 25% von 800 Mio. t auf nahezu 600 Mio. t verringern würden. Gemessen an der Transportleistung (t/sm) und dem damit verbundenen Schadstoffausstoß sei dies eine Verbesserung um 51% innerhalb von 35 Jahren. Da jedoch andere Industrien noch stärker einsparen würden, wachse der weltweite Anteil der Schifffahrt an den Emissionen des Treibhausgases sogar von 2,6% auf 3,5%.

Die Klimaziele des Paris-Abkommens (Begrenzung der durchschnittlichen globalen Erwärmung auf deutlich unter 2 °C über dem vorindustriellen Niveau) würden somit trotz aller Bemühungen verfehlt. DNV GL sieht den Temperaturanstieg eher bei 2,5 °C.

Effizienz und Digitalisierung

Die internationale Schifffahrt werde auf diesen Wandel mit weiteren Bemühungen für eine Steigerung der Effizienz, eine Reduzierung der Kosten, die Senkung des Kraftstoffverbrauchs, eine bessere Auslastung der Schiffe und die Einführung neuer Technologien reagieren, heißt es bei DNV GL. Die zunehmende Digitalisierung werde alle Prozesse beeinflussen und in neue Geschäftsmodelle münden.

Ein Blick in die Glaskugel

Bei der Prognose seien langfristige Trends bis 2050 modelliert worden, kurzfristige Impulse wie mögliche Ratenentwicklungen, Überkapazitäten oder kurzfristige politische Veränderungen seien dabei nicht eingeflossen. Gleichwohl beschreibt der Bericht einige Schlüsselprobleme, die kurzfristig auf die Schifffahrt einwirken könnte.

Vor allem künftige politische Entscheidungen zur Dekarbonisierung und ein steigendes Umweltbewusstsein könnten zu zusätzlichen, neuen Regularien führen. Nicht zuletzt könnte sich die Art und Weise, wie Schiffe konstruiert und betrieben werden, dadurch entscheidend ändern. Eine zunehmend additive Fertigung (3D-Druck), die Automation in allen Industrieprozessen und auch in der Schifffahrt könnte die Nachfrage nach Seetransporten potenziell reduzieren.

Auch Chinas »One Belt and One Road«-Initiative könnte den interkontinentalen Handel durch ein neues Netzwerk maritimer und landseitiger Verbindungen zwischen Afrika, Asien und Europa neu gestalten, heißt es abschließend. (kf)