Wer einen Offshore-Windpark bauen oder betreiben will, benötigt ein auf das konkrete Projekt abgestimmtes logistisches Konzept. Die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt: Allgemein übertragbare Blaupausen gibt es nicht. Von Anne-Katrin Wehrmann
Wenn es um den Bau und Betrieb von Offshore-Windparks geht, braucht es nicht nur ausgefeilte logistische Lösungen, sondern vor[ds_preview] allem auch individuelle. »Es gibt nicht das eine Konzept, das für alle Projekte passt«, berichtet Martin Schulz, Geschäftsführer des Hafenprojekt-Logistikers Buss Offshore Solutions. Zwar habe die Politik ursprünglich die Vorstellung gehabt, dass sich durch eine Vielzahl von Offshore-Projekten nicht zuletzt auch die Logistik standardisieren würde und sich so Kosten sparen ließen: »Aber das hat sich nicht bewahrheitet. Die Kostensenkung erreicht die Branche vor allem durch leistungsstärkere Anlagen.«
Mit seinen Terminals in Eemshaven und Sassnitz hat Buss in den vergangenen Jahren zahlreiche Offshore-Projekte umgesetzt. Aktuell beobachte er den Trend, dass eine Reduzierung der Schnittstellen gewünscht sei. »Viele Kunden fragen immer größere Pakete ab und wollen möglichst viel Logistik im Hafenbereich abgeben. Andere dagegen machen gerne so viel wie möglich selbst.«
Zu den wesentlichen Praxis-Erkenntnissen gehöre, dass die operative Umsetzung nur einen vergleichsweise kleinen Teil der Arbeit ausmache. Die Ausgestaltung der vertraglichen Strukturen nehme mehr Zeit in Anspruch: »Der Teufel steckt im Detail, da muss man genau herausarbeiten, wer was zu tun hat und wo die Verantwortlichkeiten liegen.« Angesichts des erkennbar steigenden Kostendrucks hält Schulz es für erforderlich, dass die Logistik-Dienstleister weiter an innovativen Lösungen arbeiten. So habe sein Unternehmen kürzlich ein Fundament entwickelt, um bereits im Hafen die Türme für die Offshore-Anlagen aufbauen zu können. »Für ein anderes Projekt haben wir Monopile-Fundamente zum ersten Mal per RoRo-Verfahren statt per Kran verladen.«
Neue Möglichkeiten für Häfen
Die immer größer werdenden Turbinen und Fundamente sowie die damit verbundenen Herausforderungen sind aktuell eines der Hauptthemen beim Branchennetzwerk WAB. Auch über die künftig zu erwartenden Schwimmfundamente und dafür passende logistische Konzepte tausche man sich bereits aus, berichtet Dirk Briese, Arbeitskreis-Sprecher und Geschäftsführer des Marktforschungsinstituts Windresearch. »Die grundsätzlichen Fragen, die wir seit Jahren diskutieren, sind allerdings nach wie vor unverändert.« Das betreffe unter anderem die Voraussetzungen für die Logistik. »Insgesamt lässt sich sagen, dass alles deutlich eingespielter und professioneller geworden ist, Kinderkrankheiten gibt es immer seltener.« Für die kommenden Technologien müssten jedoch immer wieder neue Lösungen gefunden werden, meint Briese.
Dass jedes Projekt anders ist, zeigt auch die Montage der Rotorsterne. Werden sie schon im Hafen an der Turbine befestigt oder erst im Baufeld? Oder setzt man auf eine Einzelblattmontage? Jeder Hersteller entwickelt hier eigene Lösungen, was wiederum Auswirkungen auf die Logistikkonzepte hat. »Für die Schwimmfundamente wird das noch einmal komplett neu diskutiert werden müssen«, betont Briese. »Und auch für bestehende Windparks braucht es innovative Lösungen, denn aktuell gehen wir davon aus, dass zum Beispiel die Rotorblätter keine 20 Jahre halten und ausgetauscht werden müssen.« Den Häfen rechnet er gute Chancen für zusätzliche Geschäftsfelder aus, insbesondere beim Rückbau und beim Repowering: »In Verbindung mit dem Thema Recycling werden sich neue Möglichkeiten ergeben.«
Pendel- vor Feedersystem
Während es beim Betrieb von Offshore-Windparks mit der Unterbringung der Service-Techniker an Land, auf einer Insel, auf einer Wohnplattform, einem Hotelschiff oder einem Service Operation Vessel (SOV) mittlerweile ganz unterschiedliche Konzepte gibt, ist in der Bauphase nach wie vor das Pendelsystem gang und gäbe: Das Errichterschiff pendelt zwischen Hafen und Windpark und transportiert selbst die Komponenten ins Baufeld. Der Nachteil dabei ist, dass der teure Spezialkran während der Fahrtzeit nicht genutzt wird. Ein vor Jahren ebenfalls diskutiertes Feedersystem, das für den Komponententransport kleinere Feederschiffe vorsah, konnte sich bislang nicht durchsetzen.
»Erste Versuche scheiterten damals aufgrund der Problematik des Beschädigungsrisikos während der Übernahme der Komponenten auf See«, berichtet Kerstin Lange, Offshore-Expertin und Professorin für Transportwirtschaft und Projektlogistik an der Jade Hochschule in Elsfleth. Diese Problematik könnte allerdings durch den Einsatz spezieller Tug-Barge-Kombinationen in Verbindung mit speziellen Jack-up-Schiffen lösbar sein. Dennoch sei derzeit nicht absehbar, ob die Branche das Feederkonzept noch einmal aufgreifen werde: »Bei den reduzierten und unsicheren Ausbauzielen bleibt es abzuwarten, inwieweit in neue Schiffstechnologien investiert wird«, meint Lange.
Hybridantrieb und Drohnen
Um die Installationszeit auf See zu verkürzen und damit letztlich die Kosten zu senken, wird die Vormontage der Komponenten an Land immer weiter optimiert: Das berichtet Thijs Schless, Head of Hub Support in der Betriebsführungszentrale Norddeich des Offshore-Marktführers Ørsted. In der Betriebsphase setze sich seit einiger Zeit der Einsatz von SOVs immer weiter durch. »Der Vorteil ist, dass das gesamte Personal ständig vor Ort ist und auch mal kleinere Wetterfenster nutzen kann«, erläutert er. »Außerdem befindet sich das Ersatzteillager an Bord, sodass ein Transfer von Wartungs- und Ersatzteilen entfällt.« Ørsted operiert für seine derzeit vier Windparks in der deutschen Nordsee aktuell mit fünf Crew Transfer Vessels (CTVs), einem SOV sowie zwei Helikoptern. Ursprünglich habe man geplant, ausschließlich mit CTVs zu arbeiten, sagt Schless: »Wir haben dann aber schnell festgestellt, dass der tägliche Transfer von Norddeich zu viel Zeit kostet. Die Techniker hatten dadurch nur noch ein Teil ihrer Arbeitszeit für ihre Kernaufgabe, die Reparatur und Wartung der Aftanlagen, übrig.«
Angesichts unterschiedlicher Park-Größen, geografischer Lagen und Anlagentypen wird es nach seiner Überzeugung auch in Zukunft verschiedene Modelle geben. »Was aber mit Sicherheit eine wesentliche Rolle in der künftigen Entwicklung einnehmen wird und muss, ist die aktive Verwendung und Weiterentwicklung alternativer Antriebssysteme der einzelnen Verkehrsträger.« Klares Ziel müsse es sein, den CO2-Logistik-Fußabdruck auf ein notwendiges Minimum zu reduzieren: Hier gehöre Ørsted zu den Vorreitern und nehme mit der »Wind of Change« demnächst das weltweit erste SOV mit Hybridantrieb in Betrieb. Die Möglichkeit hybridbetriebener CTVs befinde sich derzeit in der Testphase, berichtet Schless. »Unter anderem wird dabei auch erprobt, wie sich ein CTV mit einer Turbine verbinden kann, um sich seinen Akku direkt wieder mit grünem Strom zu füllen.« Und nicht zuletzt würden auch Drohnen immer mehr Einzug in die Branche halten, unter anderem bei der Inspektion von Rotorblättern. Ein weiteres denkbares Szenario: »Wir halten in Zukunft auch autarke Flüge zur Ersatzteillieferung für möglich.«
Anne-Katrin Wehrmann