Nach dem Wachstumsdämpfer Ende 2018 ist die Hamburger Linienreederei Hapag-Lloyd überraschend stark ins Jahr gestartet und hat wieder die Gewinnzone erreicht. Vorstandschef Habben Jansen aber will weit mehr. Von Krischan Förster
Dank höheren Rateneinnahmen und einem stärkeren Dollar stand nach dem ersten Quartal ein Gewinn von 96 Mio. € in den Büchern[ds_preview]. Da konnte die Reederei sogar die deutlich gestiegenen Kraftstoffpreise wegstecken. Für CEO Rolf Habben Jansen war es folgerichtig ein »sehr ordentlicher« Start ins Jahr. Aber auch nur ein Anfang von etwas viel Größerem.
Hapag-Lloyd folgt einer im November 2018 verabschiedeten »Strategie 2023«, die durchaus ehrgeizig ist. Die nach dem Verkauf der Hamburg Süd an Maersk einzig verbliebene deutsche Linienreederei ist »nur« noch die Nr. 5 in der weltweiten Containerschifffahrt. Die Branchenführer Maersk, MSC, Cosco und auch CMA CGM sind enteilt. Größe sei bei weitem nicht alles, betont dagegen Habben Jansen. In seiner zweiten Amtsperiode als Vorstandschef will er Hapag-Lloyd stattdessen in anderen Bereichen zum Branchenprimus machen.
Während die Konkurrenz vor allem versucht, mit immer weiteren und größeren Neubauten Skaleneffekte zu erzielen, Marktmacht zu gewinnen und mit mehr Logistik die Wertschöpfungskette zu beherrschen, hatte Habben Jansen schon vor Monaten verkündet, Hapag-Lloyd sehe sich auch künftig als Reederei, als reiner Transport-Dienstleister. Das klassische Speditionsgeschäft, also die Vermittlung von Transporten für den Kunden unabhängig von der ausführenden Reederei, sieht Habben Jansen nicht als Kernkompetenz von Hapag-Lloyd. »Wie soll das gehen? Die Hälfte unserer Kunden sind Spediteure, die andere Hälfte Direktkunden.«
Aber: Das Unternehmen soll profitabel wachsen, und zwar organisch, langfristig und nachhaltig. Mit einem nachhaltigen Cash flow, einer soliden Unternehmensfinanzierung sowie einer ausreichenden Liquiditäts- und Eigenkapitalausstattung. Einen Konsolidierungsbedarf sieht man bei Hapag-Lloyd angesichts der zahlreichen Fusionen und Übernahmen eher nicht. Die Hamburger hatten selbst erst die chilenische CSAV (2014) und danach die arabische UASC (2017) geschluckt. »Die Skaleneffekte verringern sich mit zunehmender Größe«, sagt Habben Jansen. Die Vorgaben für die nächsten Jahre lauten daher: größere Pünktlichkeit, höhere Effizienz, mehr Flexibilität, mehr Innovationen.
Das Ganze hat allerdings seinen Preis und für manche Mitarbeiter schmerzhafte Einschnitte zur Folge: Um 350–400 Mio. $ will Habben Jansen die Kosten bis 2021 senken, die Auswirkungen würden hauptsächlich ab 2020 zu spüren sein, heißt es. Der Schuldenabbau habe weiter oberste Priorität. Ebenfalls bis 2023 soll ein Verhältnis von EBITDA zu Nettoverschuldung (März 2019: 6,4 Mrd. €) von unter oder gleich 3,0x erreicht werden. Bei einer Eigenkapitalquote (heute 39,1%) von 45% soll eine Liquiditätsreserve von 1 Mrd. $ erreicht werden.
Hapag-Lloyd will in puncto Qualität die Nr. 1 im Markt werden, künftig regelmäßig einen »Net Promoter Score« veröffentlichten und sich von ihren Kunden auch daran messen lassen. Gleichzeitig soll der Anteil der sogenannten »door-to-door«-Geschäfte auf über 40% gesteigert werden. Derzeit sind es 30% und jährlich rund 3 Mio. TEU. Das Ziel: mehr Umsatz und mehr Marge durch eine höhere Dienstleistungstiefe.
Die Hamburger streben in der Container-Linienschifffahrt einen Marktanteil (ex Asien) von 10% an. Das klingt mehr als ambitioniert, sollte es keine weiteren Übernahmen oder Fusionen geben – denn heute sind es laut Alphaliner erst 7,3%. Wachstum soll es in bestimmten Märkten wie Afrika oder Indien und bei Spezialtransporten geben. So will man im Reefer-Geschäft ebenfalls einen Marktanteil von 10% erreichen, heißt es.
Automatisierung und Digitalisierung liegen im Trend, und auch Hapag-Lloyd hat sich die technologische Weiterentwicklung auf die Fahnen geschrieben. Bis 2023 soll der Anteil der Ladung, der von Kunden direkt über den Web Channel »Quick Quotes« gebucht wird, 15% des Gesamtvolumens erreichen. Derzeit liegt der Anteil bei rund 15.000 Anfragen pro Woche noch bei etwa 6–7%. 2018 wurden nach Angaben von Hapag-Lloyd 350.000 TEU über das im dritten Quartal gestartete Online-Portal gebucht.
Ende März bestand die Flotte von Hapag-Lloyd aus insgesamt 235 Containerschiffen mit einer Stellplatzkapazität von 1.679.966 TEU und einem Durchschnittsalter von 8,2 Jahren. Der Anteil der gecharterten Schiffe macht rund 37% aus. Die durchschnittliche Schiffsgröße von 7.149 TEU liege um rund 16% über dem vergleichbaren Niveau bei den zehn größten Containerlinienreedereien (5.995 TEU) und um rund 40% über der durchschnittlichen Schiffsgröße der Weltflotte (4.203 TEU).
Hapag-Lloyd verfüge nach dem Zusammenschluss mit der UASC über eine sehr junge und effiziente Flotte. Nach Ablieferung einer letzten Serie von 13.000-TEU-Einheiten hatten die Hamburger – anders als die Wettbewerber – keine weiteren Neubauten mehr bestellt. Kurzfristig könnten alle Wachstumsperspektiven und Skaleneffekte im Schiffsbetrieb mit der bestehenden Flotte, zusätzlichen Charterschiffen und den Partnern im Bündnis »THE Alliance« realisiert werden, wird betont.
Aber Habben Jansen lässt erstmals seit Jahren neue Töne anklingen: »Um mittelfristig wettbewerbsfähig bleiben zu können, gehen wir davon aus, dass wir zu gegebener Zeit wieder in neue Schiffssysteme investieren werden.« Einen konkreten Zeitrahmen und auch weitere Details lässt die Reederei noch offen.
Krischan Förster