Trotz einigen regulatorischen Unsicherheiten ist die Nachfrage nach Scrubbern

in diesem Jahr nahezu explodiert. Der Markt ist umkämpft, die Abdeckung mit Abgasreinigungsanlagen breit gestreut. Von Michael Meyer

Nicht alle Küsten- und Hafenstaaten freuen sich auf den Einsatz von Scrubbern in ihren Gewässern, es gibt bekanntlich bereits einige[ds_preview] Verbote der Open-Loop-Technologie. Auch nicht alle Reedereien trauen der Technik in vollem Umfang. Dennoch erfreuen sich die Abgaswäscher immer größerer Beliebtheit, je näher der Jahreswechsel rückt. Ab Januar muss schließlich gehandelt worden sein, sei es durch Umrüstungen auf alternative Antriebssysteme wie LNG, den Rückgriff auf niedrigschwefelige Kraftstoffe oder eben den Einsatz von Scrubbern.

Wie aktuelle Daten des Branchendienstes Clarksons Research zeigen, haben zuletzt immer mehr Reeder letztere Option gewählt. Dabei zeigt sich, dass »early movers« im Vorteil sind. Hinter vorgehaltener Hand berichten die Hersteller verstärkt von Produktions- und damit Lieferengpässen. Auch aus der Werftindustrie heißt es, dass die Wartezeiten für die nötigen Umrüstungen länger werden.

Laut Clarksons – die Experten nehmen eine Weltflotte von 97.000 Schiffen mit mindestens 100 GT als Basis – hat sich der Auftragseingang für Scrubber seit Anfang 2018 mehr als verzehnfacht, von 400 auf rund 4.000 Anlagen. Dabei sind einige Aufträge noch gar nicht berücksichtigt, nämlich diejenigen, die nach Hersteller-Veröffentlichungen noch keinem Schiff oder wenigstens einer Reederei zugeordnet werden konnten.

Geschäftsführer Steve Gordon sagte: »Wir gehen davon aus, dass bis Anfang 2020 bis zu 11% der weltweiten Flotte nach Tonnagekapazität entsprechend ausgerüstet sind, bis Ende 2020 werden es 15% sein.« Je nach Schiffstyp und -segment fallen die Prognosen unterschiedlich aus, die Schätzungen erhöhen sich auf 23% und 35% für die VLCC-Flotte und 20% bis 26% für Capesize-Bulker. Für Containerschiffe rechnen die Analysten mit 10% und 15%. Den mit Abstand größten Scrubber-Anteil dürfte man in der Kreuzfahrtflotte finden, Ende 2019 soll er bei 74% liegen, Ende 2020 sogar bei 77%.

Weil noch eine große Anzahl an Nachrüstungen ansteht, für die jeweils rund vier Wochen veranschlagt werden, gehen Gordon und seine Kollegen von einem positiven Effekt auf das Angebot-Nachfrage-Verhältnis aus. »Unsere Analyse zeigt, dass die nötigen Off­hire-Zeiten das Tonnage-Angebot in den Hauptsegmenten 2019 zwischen 0,5% und 1,4% reduzieren«, sagt der Chef von Clarksons Research. In der Containerschifffahrt liegt der Wert bei 1,2%. Im nächsten Jahr sei der Effekt in der Gesamtflotte mit 0,3 bis 0,7% etwas geringer.

Entsprechend dieser Entwicklung fällt auch das tatsächliche Flottenwachstum geringer aus, als es die reine Indienststellung von Neubauten bewirken würde. Der Effekt ist bei Tankern am größten, die Flotte wächst 2019 effektiv um 1,4 statt um 3,6%, bei Containern ist der Einfluss etwas geringer, die Flotte legt um 1,2% statt 1,5% zu – immerhin deutlich weniger als 2018 mit 5,6%.

Unter den »Kunden« der Hersteller finden sich eine ganze Menge Namen großer Schifffahrtsunternehmen. Angeführt wird die Riege von Scorpio Bulkers und Star Bulk bevor mit MSC die erste große Containerlinie kommt. Eine deutsche Reederei ist in der Clarksons-Erhebung für Bestellungen für mindestens 20 Schiffe übrigens nicht zu finden.

Für die Scrubber-Hersteller ist die Entwicklung naturgemäß positiv. Der Markt ist sehr kompetitiv mit einer relativ großen Anzahl an Anbietern. Marktführer ist weiterhin Wärtsilä. Dem finnischen Konzern kommt der Trend besonders gelegen, er wies im Rahmen seiner Bilanzvorlage Anfang des Jahres explizit darauf hin, dass das Scrubber-Geschäft eine Delle im Neubau-Geschäft abgefedert und die Bilanz gestützt hatte. Nach einer Erhebung der Klassifikationsgesellschaft DNV GL rangieren hinter Wärtsilä mit 544 Schiffen die Anbieter Alfal Laval (493), Ecospray (344), Yara Marine (302) und Panasia (209).

Auffällig ist in der Clarksons-Erhebung auch, dass – obwohl das Interesse an der LNG-Technologie sukzessive wächst – die Flotte der »Scrubber-Schiffe« weit größer ist als die der »LNG-Schiffe«, fast viermal so groß. Vor einigen Jahren war das von Experten so nicht unbedingt erwartet worden, zumindest nicht in diesem Ausmaß.

Neue Studie

Die Reeder-Organisation »Clean Shipping Alliance 2020« (CSA) kann sich unterdessen neuer Unterstützung erfreuen: Eine Studie betont den ökologischen Nutzen von Scrubbern.

Die Debatte um Vor- und Nachteile der Abgasreinigungsanlagen wird wohl noch einige Zeit andauern, auch über die Einführung der »Sulphur Cap« im Januar 2020 hinaus. Gegner und Befürworter bringen immer wieder neue Argumente hervor. So auch jetzt die CSA. Man begrüße eine Ergänzung des Kanons der wissenschaftlichen Literatur, »von denen die neueste zeigt, dass die weitere Verwendung von Residual Fuels mit einem Scrubber zur globalen CO2-Reduktion beitragen kann«. Die Organisation nimmt Bezug auf eine im Juni von der norwegischen Forschungseinrichtung SINTEF veröffentlichten Studie.

Dort kommt Elizabeth Lindstad zu dem Schluss, dass die weitere Verwendung von HSFO oder HFO (Schweröl) mit einem Scrubber das umweltfreundlichste Mittel zur Erreichung der globalen Treibhausgas-Emissionsziele ist. Die Wissenschaftlerin beschreibt Tests an einer Reihe von Neubauten. »Studien zeigen, dass Zweitaktmotoren mit Abgasrückführung (AGR) und Scrubbern die kosten- und emissionseffektivste Möglichkeit darstellen, sowohl die IMO Tier 3 NOx-Regeln als auch die Schwefelobergrenze von 2020 zu erfüllen«, sagt Lindstad.

»Positive Effekte«

Weiter erklärt die CSA, dass sich die weitere Verwendung von Residual Fuels auf der Grundlage des Energieverbrauchs bei der weltweiten Produktion von Destillatkraftstoffen positiv auf die globalen Treibhausgasemissionen auswirken werde, da die für die Destillatherstellung erforderliche Energie zu einer höheren CO2-Emission in die Atmosphäre führen würde. »Mit neuen modernen Raffinerien für die Umwandlung von Rohöl in höherpreisige Produkte wird HSFO ab 2020 von bereits existierenden Raffinerien geliefert, in denen sein Anteil am Energieverbrauch als nahezu Null angesehen werden kann. Wenn wir den geringeren Energieverbrauch bei der Lieferung von HSFO anerkennen, erhalten wir 9 bis 10 g CO2-Äquivalent pro MJ für HFO und nicht 13 bis 15% CO2-Äquivalent pro MJ für LSFO/MGO«, meint Lindblad. CSA-Direktor Ian Adams zeigte sich wenig überraschend angetan von dem Ergebnis. Dies sei jedoch noch nicht alles. Vielmehr gebe es mit Scrubbern außerdem einen erheblichen Vorteil durch die Reduzierung der Partikelemissionen.

Retrofit dauert länger als erwartet

Unterdessen gibt es offenbar immer wieder Verzögerungen bei den Retrofits beziehungsweise bei den dafür notwendigen Werftaufenthalten. Zum Einen heißt das für Reeder, dass sie ihre Schiffe länger als geplant außer Dienst nehmen müssen. Zum Anderen müssen Andere länger auf ihre Installation warten, was angesichts der Regulierung im neuen Jahr zu Schwierigkeiten mit den Behörden führen könnte.

In einem Marktbericht des Branchendienstes Alphatanker beispielsweise heißt es: »In den vergangenen Wochen gab es mehrere Meldungen von Schiffseignern, wonach die Arbeiten nicht im Zeitplan liegen und die Frist zum 1. Januar reißen.« Reeder hätten zudem davon berichtet, dass einige chinesische Werften hinter den Plänen zurückblieben. Aus den eigentlich 30 Tagen Werftaufenthalt könnten so schnell bis zu 60 Tage werden. Da die Hochphase der Retrofits erst noch komme, dürfte sich die Situation weiter anspannen, nicht zuletzt, weil die Werften weltweit wohl mehr Aufträge angenommen hätten, als sie abarbeiten könnten, schreiben die Alphatanker-Analysten.


Michael Meyer