Der einst stolze Dreimaster ist nicht mehr wiederzuerkennen. Ramponiert und ohne Masten liegt die »Seute Deern« im Alten Hafen von[ds_preview] Bremerhaven. Von Bord wird geholt, was wertvoll erscheint. Dann wird einer der letzten historischen Frachtsegler an der Baltimore-Pier im Auftrag des Deutschen Schifffahrtsmuseums (DSM) abgewrackt und verschrottet. Einziger Trost: Das Museumsschiff, eines der maritimen Wahrzeichen Bremerhavens, soll nachgebaut werden. Das Geld dafür kommt vom Bund. Auch dafür werden wertvolle Originalteile gesichert. Dann folgt das eher unrühmliche Ende eines langen Schiffslebens.
1919 war die »Seute Deern« auf der Gulfport-Werft im US-Bundesstaat Mississippi als Viermast-Gaffelschoner »Elisabeth Bandi« gebaut worden. Probleme gab es von Anfang an. Das verwendete Bauholz war frisch geschlagen worden, der Rumpf aus Sumpf-Kiefer wurde in Kraweelbauweise ohne Kupferbeschlag zusammengefügt und verzog sich schnell. Auch für den Schiffsbohrwurm war der hölzerne Segler ein »gefundenes Fressen«. Das Schiff war dauernd undicht, musste ständig gelenzt sowie nach jeder Fahrt repariert werden.
Der ursprünglich 53,50 m lange Schoner (767 GT) transportierte Holz, zunächst unter US-amerikanischer Flagge, und ab 1931 zwischen Finnland, Dänemark und England. Knapp 20 Jahre alt, ging die »Bandi« dann in deutsche Hände über. Die Hamburger Reederei John T. Essberger erwarb das Schiff für 26.500 Reichsmark und ließ es bei Blohm + Voss zu einer 75 m langen Dreimastbark mit Stahl-Rigg umbauen. Am Vorsteven erhielt sie eine auffällige Galionsfigur – die namensgebende »Seute Deern« (Süßes Mädchen). Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges wurde sie von Essberger vornehmlich in der Ostsee als frachtfahrendes Ausbildungsschiff eingesetzt.
In den Jahren nach dem Krieg diente die Bark nach einem Umbau als Hotelschiff in Hamburg, nach ihrem Verkauf durch Essberger ab 1954 unter dem Namen »Pieter Koerts« als schwimmende Jugendherberge im niederländischen Delfzijl und ab 1966 als Restaurantschiff in Bremerhaven, schon damals im Alten Hafen. Schließlich kaufte das Land Bremen die »Seute Deern« und schenkte sie im Jahr 1972 dem Deutschen Schifffahrtsmuseum zu seiner Gründung. Seither war sie Teil der Museumsflotte und stand seit 2005 sogar unter Denkmalschutz.
Der 100. Geburtstag der »Seute Deern« war im Juni 2019 groß gefeiert worden, für den löchrig gewordenen Großsegler lagen Sanierungspläne in der Schublade, rund 1,4Mio. € waren dafür bewilligt – anteilig finanziert vom Bund, dem Land Bremen und der Stadt Bremerhaven. Doch zwei Schicksalsschläge besiegelten das Ende des Traditionsschiffes.
Im Februar 2019 brach aus ungeklärter Ursache ein Brand auf dem Vorschiff unweit der Kombüse aus. Feuer und Löschwasser richteten beträchtlichen Schaden an. Am 30. August vorigen Jahres schließlich sank das Schiff nach einem Ausfall der Lenzpumpen und einem massiven Wassereinbruch an seinem Liegeplatz auf Grund und drohte sogar zu kentern.
Gutachter attestierten dem Dreimaster anschließend einen »konstruktiven Totalschaden« – Außenhaut, Kiel und Unterraum waren zu 100 % zerstört, Spanten und Decksbalken zu 82,5 % und Ruderraum und Betriebsgang zu 75 %. Drei Viertel des Schiffes hätten ersetzt werden müssen. Der Stiftungsrat des DSM gab Pläne für eine 17 Mio. € teure Sanierung auf und lässt die »Seute Deern« stattdessen endgültig abwracken. Ihr Schicksal schien besiegelt. Doch dann gab es die Zusage aus Berlin über 46 Mio. € vom Bund – für einen Nachbau. Dabei sollen möglichst viele Originalteile des Dreimasters verwendet werden. Welche Werft den Auftrag bekommt, steht noch nicht fest.