Training im zur Abwehr von Piraten Piraterie (Foto IMO)
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Wie effektiv waren regionale Strukturen bisher bei der Lösung von Piraterie in Westafrika? Ein Sicherheitsexperte findet viele gute Ansätze, allein an der Umsetzung hapert es.

[ds_preview]Dieser Frage geht Casper Goldman vom Sicherheitsberatungsunternehmen Dryad Global nach, angesichts einer sich verschlechternden maritimen Sicherheitslage in Westafrika. Seeleute müssen immer mehr gewalttätige Angriffe fürchten, während nigerianische Piraten mit zunehmender Straffreiheit operieren können. 2020 wurden 136 Seeleute bei 27 Vorfällen entführt. Es gibt auch Hinweise darauf, dass die Angriffe immer gewalttätiger werden – bei mehr als 80 % der Entführungsvorfälle im letzten Jahr wurde der Einsatz von Schusswaffen gemeldet.

»Maritime Kriminelle haben ihren Geschäftsplan verfeinert; sie kennen die Preise der Versicherer und den Wert des Lebens eines Besatzungsmitglieds. Die Schiffseigner wiederum haben die Kosten für verbesserte Sicherheitsmaßnahmen gegen die Versicherungsprämien abgewogen und wissen, wo ihre Gewinnspannen liegen«, schreibt Goldman.

»Wandel muss im eigenen Land stattfinden«

Hinzu kommt, dass die Entführungen immer weiter von der Küste entfernt stattfinden und größere Gruppen von Seeleuten entführt werden. »Die Nationalstaaten in Westafrika sind überfordert; wie der Rest der Welt haben sie mit den Auswirkungen einer globalen Pandemie zu kämpfen, der eine langfristige wirtschaftliche und gesellschaftliche Instabilität gegenübersteht, die von endemischer Korruption auf höchster Ebene überlagert wird. Der Wandel muss im eigenen Land stattfinden, aber die internationale Gemeinschaft muss dennoch eine Rolle spielen, indem sie für ihr Handeln verantwortlich ist und die lokalen Sicherheitskräfte durch Wissensaustausch und Partnerschaften unterstützt und befähigt«, so Goldman.

Zur Bekämpfung der Piraterie in Westafrika wurden bereits mehrere regionale Strukturen implementiert. Dazu gehören:

  • der Verhaltenskodex von Yaoundé, der den Informationsaustausch und die Berichterstattung, das Abfangen verdächtiger Schiffe und die Sicherstellung der Festnahme und Strafverfolgung fördert;
  • die Charta von Lomé, die von 36 Ländern im Rahmen der Afrikanischen Union unterzeichnet wurde und eine rechtsverbindliche regionale Verpflichtung zur Bekämpfung von Seekriminalität und Piraterie durch mehrere Maßnahmen schuf, darunter die Harmonisierung der nationalen Gesetzgebung, die Gewährleistung von Ressourcen für die Sicherheit im Seeverkehr und die staatliche Verantwortung für die Patrouillen in den Ankergebieten, der AWZ und dem Festlandsockel;
  • und die Integrierte Maritime Strategie der ECOWAS, die sich auf die behördenübergreifende Zusammenarbeit auf nationaler Ebene konzentriert, um die Vielzahl der beteiligten Akteure (z.B. die EU, UNODC Deutschland, Dänemark, regionale Sicherheits-, Verteidigungs- und Strafverfolgungsbehörden, humanitäre und soziale Organisationen, Schifffahrts- und Hafenbehörden).

»Auf Positive Rhetorik muss substanzielle Umsetzung folgen«

Die Umsetzung upranationaler Maßnahmen sei Entscheident, schreibt Goldman. »Die Zusammenarbeit zwischen den Küstenstaaten ist besonders wichtig, wenn man die immer raffinierteren und häufigeren Angriffe auf hoher See bedenkt, wo eine effektive Bekämpfung der Piraterie die unilateralen Möglichkeiten der meisten regionalen Staaten übersteigt.« Würden die Rahmenvereinbarungen vollständig umgesetzt, hätten sie nach EInschätzung des Experten das Potenzial, die Seekriminalität und Piraterie in Westafrika deutlich zu reduzieren, »doch auf die positive Rhetorik müssen noch substanzielle Umsetzung und Fortschritte folgen.«

Im Verhaltenskodex von Yaoundé verpflichteten sich die Parteien beispielsweise, die Gesetzgebung zu stärken und zu harmonisieren, um zu verhindern, dass Piraten in anderen Ländern eine mildere Behandlung erfahren, doch Nigeria ist nach wie vor das einzige Land, das entsprechende Gesetze verabschiedet hat. Die Europäische Union verpflichtete sich 2014 zu ihrem »Aktionsplan für den Golf von Guinea«, hat aber erst sieben Jahre später, Anfang 2021, einen Pilotfall ihrer »Coordinated Maritime Presences«-Konzepte zugesagt. »Die Notwendigkeit einer effektiven und zügigen Umsetzung der vereinbarten regionalen Rahmenwerke bleibt dringend«, so Goldman.

Private Sicherheitskräfte könnten helfen, dürfen aber nicht

Derzeit gebe es keine regionalen Rahmenbedingungen, die eine integrierte und kontrollierte Einbindung des privaten maritimen Sicherheitssektors »angemessen vorsehen«, wie Goldman schreibt. Entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen würden seiner Ansicht nach die Sicherheit in den Gewässern des Golfs von Guinea »deutlich erhöhen«.

Bekenntnisse und gut gemeinte Programme seien im Golf von Guinea »im Überfluss vorhanden«. Nun bestehe die entscheidende Herausforderung darin, die mangelhafte Umsetzung in substanzielle Maßnahmen und konkrete Ergebnisse umzuwandeln.