Nach der Überführung von der Schiffswerft Hermann Barthel in Derben zum Heimathafen Leer hat das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Ems-Nordsee den Neubau des Arbeits- und Aufsichtsschiffes »Driever« in Dienst gestellt.[ds_preview]

Dieser Neubau ersetzt die in den Jahren 1955 und 1985 gebauten Motorschiffe »Leda« und »Leer«. Der Auftrag für den Bau und die betriebsfertige Lieferung des Arbeits- und Aufsichtsschiffes wurde nach EU-weitem, offenen Vergabeverfahren an die Schiffswerft Hermann Barthel in Derben erteilt.

Planung, Entwurf und Spezifikation sowie die Abwicklung der »Driever« wurden durch die Fachstelle Maschinenwesen Nord (FMN) in Rendsburg durchgeführt. Sie ist als technische Fachbehörde im Bereich der Generaldirektionen Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) für Schiffsneubaumaßnahmen für die Wasserstraßen- und Schifffahrtsämter (WSA) an der Küste zuständig.

Entwurf & Konstruktion

Die wesentlichen Betriebs- und Konstruktionsanforderungen an einen Neubau resultieren grundsätzlich aus der Aufgabenstellung heraus (siehe S. 66: »Das WSA Ems-Nordsee«) und dem betrieblichen Anforderungsprofil. Gleichermaßen basiert der Entwurf des Schiffes auf dem Design der Vergleichsschiffe »Weserland« (Baujahr 2007) und »Weserplate« (2011), die für das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Weser-Jade-Nordsee bislang erfolgreich im Einsatz sind.

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»Driever« ersetzt die 1955 und 1985 gebauten »Leda« und »Leer« (© WSV)

Für eine aufgabengerechte Ausstattung sollte der Neubau unter anderem ein Hebezeug für die Bergung kleiner Schifffahrtshindernisse, eine Schubeinrichtung mit möglichst schneller Verspannmöglichkeit zum Koppeln einer Schute, sowie eine Landeklappe inklusive ausreichend freier Decksfläche für den Transport vom Baumaterial und Baumaschinen beinhalten.

Darüber hinaus wurde aufgrund der Durchfahrtshöhen der festen Brücken auf der Leda und dem Ems-Seitenkanal die Fixpunkthöhe der Aufbauten des Neubaus auf 4,40 m begrenzt. Für ein optimiertes Manövrieren auf engstem Raum war eine Bugsteuereinrichtung vorzusehen.

Die Schiffsform der »Driever« ist zweckmäßig und einfach gehalten, der Kasko als Multiknickspant-Konstruktion robust in Querspantbauweise mit eingezogenen Längsbändern ausgesteift. Zum Schutz gegen Beschädigungen bei Grundberührungen wurde die Verbindung Boden/Kimm und Kimm/Seite auf der gesamten Länge durch eingeschweißte Rundstähle verstärkt, zum Schutz der Ruderpropeller ist eine stabile Rohrbügelkonstruktion vorgesehen. Das Deck wurde komplett rutschsicher aus Tränenblech gefertigt, eine leichte Bucht sorgt für schnell ablaufendes, übergekommenes Wasser. Aus gewichtsreduzierenden Gründen sind die Aufbauten und das Steuerhaus komplett aus Aluminium gefertigt und mittels Schweißverbinder mit dem Deck verbunden.

Die Einrichtung des Schiffes ist für eine Besatzung von zwei Personen im Tagesbetrieb ausgelegt. Vorhanden sind ein Aufenthaltsraum mit Sitzgelegenheiten für insgesamt fünf Personen sowie ein Sanitär- und WC-Raum. Storeräume sind im vorderen Bereich der Aufbauten angeordnet, hier befindet sich auch der Niedergang zum Maschinenraum. Weiterhin ist das Fahrzeug durch ein optimiertes Ruderhaus mit Haupt- und Nebenfahrstand, das eine maximale Rundumsicht bietet, und einem rund 40 m² freien Arbeitsdeck gekennzeichnet.

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Der Neubau hat die Klassifikation DNV GL +1A IN(0,6) Z (© WSV)

Für die Durchführung der Kranarbeiten befindet sich auf dem Arbeitsdeck an der Steuerbord-Seite ein vollhydraulischer Teleskop-Faltkran der Firma MKG, Typ HMC 291 HP, Nutzlast SWL 2,4 t mit einer maximalen Ausladung von 12 m. Durch eine durchgeführte Baumusterprüfung gemäß MRL 2006/42/EG ist unter anderem auch der Einsatz eines Hubarbeitskorbes möglich. Um die vorgeschriebene Fixpunkthöhe sicherzustellen, wurde der Signalmast und Antennenträger hydraulisch klappbar ausgeführt.

Antrieb & Betrieb

Zum Herstellen einer Schubeinheit sind zwei Koppelschlosszylinder der Firma Kühn mit einer Haltekraft von 615 kN und einem Zylinderhub von 210 mm vorgesehen, je Koppelschloss sorgt eine direkt darüber angeordnete wasserdicht ausgeführte Kamera für einen sicheren Koppelvorgang.

Leistungsstark und flexibel manövriert das Arbeitsschiff beim Schieben der Schuten und insbesondere bei Kranarbeiten mit einem sogenannten »Mannkorb« an Bauwerken. Hierfür ist die »Driever« mit zwei Ruderpropelleranlagen (Schottel, Typ SRP 100 FP) und einem Pumpjet (Typ SPJ 22) als Bugmanövrierhilfe ausgestattet. Die beiden Ruderpropeller (Heckeinbau in Schubausführung) werden jeweils von einem Dieselmotor der Firma Volvo-Penta (Typ D9) über eine Wellenanlage und Schaltkupplung angetrieben. Der Pumpjet wiederum erhält seine Antriebsleistung (99 kW) über einen direkt angeflanschten E-Motor. Die dafür erforderliche elektrische Leistung liefern zwei Generatoraggregate, die jeweils von einem Hilfsdieselmotor der Firma Deutz (Typ BF6M1013MC) angetrieben werden.

Hydraulische Verbraucher

Die beiden Hilfsdieselmotoren gewährleisten nicht nur die gesamte elektrische Energieversorgung an Bord, sondern sind darüber hinaus mit jeweils einer Hydraulikpumpe – eine Axialkolbenpumpe der Firma Rexroth – ausgerüstet, um die Kran- und Zentralhydraulik zu versorgen. Jede Hydraulikpumpe mit »Load-Sensing«-System kann nach Bedarf über eine am Hilfsdieselmotor angeflanschte, elektrisch schaltbare Kupplung wahlweise die Kran- und Zentralhydraulik des Arbeitsschiffes versorgen, in der Leistungsauslegung wurde auf eine entsprechende Redundanz sowie einen wechselseitigen Betrieb der Hilfsdieselmotoren geachtet.

Als hydraulische Verbraucher sind unter anderem Maschinenraumluken, Winden, der Teleskop-Faltkran, die Koppelschlosszylinder für Prahme, der Signalmast/Antennenträger sowie die vordere Landeklappe aufzuführen. Hierfür wird umweltschonendes Hydrauliköl auf Basis von vollsynthetischem Ester im System verwendet.

Im Schiffsboden sind innenliegend verschweißte Außenhautkühltaschen verbaut, um das vorbeiströmende Wasser am Rumpf zur Kühlung der Antriebs- und Hilfsdieselmotoren sowie des Hydraulik- und Getriebeöls zu verwenden. Über Wärmetauscher im Kühlwassersystem wird hierbei wertvolle Wärmeenergie von den Dieselmotoren an die Heizungsanlage übertragen, so dass die bestehende Heizungsanlage der Firma Scheer Kabola entlastet wird, um die Heizkörper im Winter sowie Warmwasser in der Pantry und im WC zu versorgen.

Kraftstoffaufbereitung

Aufgrund steigender Qualitätsanforderungen des Dieselkraftstoffes bei Verbrennungsmotoren wird bei Befüllung des Verbrauchs- oder Tagestanks eine Kraftstoffaufbereitungsanlage der Firma EcoFilter Solutions (Typ Vario 113) eingesetzt. Diese filtert schädliche Partikel und scheidet Wasser effizient aus dem Kraftstoff heraus. Insbesondere überwacht diese Anlage die anfallende Wassermenge und den Partikelfilter, wobei dieser automatisch mittels Druckluft im System gereinigt und so der übliche Filterwechsel gespart wird.

Die erforderliche Druckluft liefert ein Arbeitsluftkompressor mit Kältetrockner, der gleichzeitig für Arbeiten mit Druckluftwerkzeug über diverse Abnahmestellen an Deck und im Maschinenraum genutzt werden kann. Neben der schiffseigenen Novec-Feuerlöschanlage und den Feuerlösch- sowie Lenzpumpen wurde als gesondertes Aggregat eine Hochdruckspülpumpe der Firma Wacker Neusen für das Spülen von Pricken und Arbeiten an Bauwerken fest installiert. Hierfür ist ein hoher Volumenstrom von 60 m3/h an Wasser erforderlich. Zusätzlich kann bei diesen Arbeiten auch der Hochdruckreiniger mit Spüllanze eingesetzt werden.

Energieversorgung

Die »Driever« verfügt über eine klassische elektrische Energieerzeugung und ein Bordnetz von 400/230 V. An Bord befinden sich zwei Generatoren mit einer elektrischen Leistung von 160 KVA. Für den normalen Fahrbetrieb wird lediglich ein Generator benötigt, für den Energiebedarf im Arbeitsmodus ist jedoch die Leistung beider Generatoren notwendig. Zugleich decken die Generatoren auch den Bedarf des elektrischen betriebenen Pumpjets ab. Die gesamte elektrische Energieerzeugung wird überwacht und gesteuert durch ein Powermanagementsystem der Firma Stucke.

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Vermessung- & Nachrichtentechnik

Bei einem »Blackout« ist neben der manuellen Steuerung durch die Besatzung von der Brücke oder aus dem Maschinenraum auch ein Automatikstart mit Lastübernahme des jeweiligen Standby-Aggregates möglich. Als Maschinenüberwachung dient ein dezentrales Alarmsystem der Firma Böning, dessen Alarmdisplay sich jeweils auf der Brücke und im Maschinenraum befindet. Zur Energieeinsparung wurde die Hafen- und Liegebeleuchtung mit einem Dämmerungsschalter versehen.

Die Ausführung der nachrichtentechnischen Leistungen erfolgte auf der Grundlage der Bauvorschrift der Fachstelle Maschinenwesen Nord und den einschlägigen Vorschriften für Binnenschiffe durch die Firma Alphatron. Der Steuerfahrstand wurde in Abstimmung mit dem Betreiber nach den Prinzipien eines übersichtlich zu bedienenden ergonomischen Ein-Mann-Radarfahrstand ausgelegt.

Nautische Ausstattung

Am Steuerfahrstand steht dem Schiffsführer eine Binnenradaranlage vom Typ Swiss Precision Navigator 2 der neuesten Generation zur Verfügung. Das multifunktionale Radar-Navigationsgerät kombiniert die auswählbaren Betriebsarten Radar, Inland-AIS und einer Inland-ECDIS-Karte in einem System. Die nautischen Darstellungen erfolgen zentral über einen Radar-Bildschirm mit Bedienungseinheit.

Über Einzelsysteme werden die wichtigen nautischen Informationen wie Kompasskurs, Schiffsposition, AIS-Daten, Tiefenwerte und Drehgeschwindigkeit (Drehrate) über Kabelverbindungen verknüpft und im Radar-/Ecdis-Binnenkartensystem als Anzeigefunktionen oder für weitere Anwendungen zur Verfügung gestellt. Zur Entlastung und Unterstützung der Schiffsführung wurde eine Selbststeueranlage vom Typ Alphapilot MF vorgesehen.

Kommunikation & Funktechnik

Die Regelung erfolgt über einen Wendekreisel und wird im Selbststeuerbetrieb mit den Antrieben verknüpft. Zum Übermitteln von akustischen Signalen wurde eine Typhon-Anlage mit einer integrierten Kommandolautsprecheranlage, Signalautomat und einer Tonsignalleuchte von Zöllner ausgestattet. Die Kommunikation mit Schleusen und anderen Schiffen erfolgt über zwei UKW-Kombifunkanlagen vom Typ Sailor 6210 für See- und Binnenfunk und einer UKW/DSC-Seefunkanlage vom Typ Sailor 6222. Die allgemeine interne Betriebskommunikation erfolgt über eine Wechselsprechanlage vom Typ ETB 20 von Firma Vingtor & Stentofon mit einer Hauptsprechstelle und Untersprechstellen ausgestattet.

Für die flexible Koordination von weiteren Arbeiten wurde das Fahrzeug mit einer fest eingebauten Arbeitsfunkanlage mit mobilen Handsprechfunkgeräten mit Kopfsprechgarnituren ausgestattet. Die externe Kommunikation erfolgt über eine GSM-Mobilfunkverbindung mit einem Gateway von der Firma Kuhnt. Eine DECT-Station mit schnurlosen Telefonen gewährleistet den erforderlichen mobilen Bordbetrieb. Ein kleines LAN-Netzwerk mit Netzwerk-Switch, Laptop und Multifunktionsdrucker sichert den erforderlichen Betrieb über Internetverbindungen.

Aus sicherheitsrelevanten Gründen wurde für die visuelle Beobachtung von Arbeiten auf dem Deck, im Ankerbereich und im Maschinenraum ein Kamerasystem für die Schiffsführung vorgesehen. Beim Anlegen und bei Fahrten mit angekoppeltem Prahm wird es vom Schiffsführer als zusätzliche Beobachtung des Fahrbetriebes verwendet.

Für Positionsprüfungen und das Positionieren sowie das Anfahren von kleineren Seezeichen wurde ein Tonnenverlegungssystem (TOLES) mit separatem DGPS-System vorgesehen. Um ein sicheren Bordbetrieb bei Kranarbeiten zu gewährleisten, wurde das Fahrzeug mit einer Windmessanlage von der Firma Thies ausgestattet.

Eine GSM-Fernüberwachung von Alarmmeldungen überwacht und überträgt in Abwesenheit der Besatzung Störungsmeldungen wie beispielsweise Bilgen- und andere Alarme an das Wartungspersonal. Ein Pegelempfänger mit einer zusätzlichen grafischen verwaltungsinternen PC-Darstellungssoftware »VisiLink« dient dem Schiffsführer als Information für die aktuellen Wasserstände. Eine unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) mit Rückfallebenen schützt das nachrichtentechnische Netz vor Überspannungen und kurzzeitige Blackout.

Ausblick

Mit der Ablieferung des Arbeits- und Aufsichtsschiffes »Driever« wurde ein mehrzweckfähiges Fahrzeug in Dienst gestellt, das die gestellten Anforderungen der umfangreichen wasserbaulichen Aufgaben an der Bundeswasserstraßen Ems und Leda durch die entsprechend hierfür vorgesehene spezifische Ausstattung und Einrichtung wahrnehmen wird. Mit der »Driever« wird die Reihe eines bewährten Typ-Arbeitsschiffes in der WSV fortgesetzt, der im Einzelfall nach aktueller Anforderungs- und Vorschriftenlage modifizierte Anpassungen erfährt und der sich für den vielfältigen Einsatz an der Wasserstraße sowohl im Binnen- wie auch Küstenbereich gut bewährt hat.

Aufgaben und Einsatzgebiet des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes Ems-Nordsee

Dem Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Ems-Nordsee mit dem Außenbezirk Leer obliegt als Hoheitsaufgabe unter anderem die Überwachung und Unterhaltung der in seinem Zuständigkeitsbereich liegenden Bundeswasserstraßen Ems, Leda und Ems-Seitenkanal sowie der Betrieb der bundeseigenen Schifffahrtsanlagen. Zu den Aufgaben gehören alle Maßnahmen zur Erhaltung der Schiffbarkeit, die Unterhaltung der für die Regulierung des Fahrwassers erforderlichen Strombauwerke, die Ufersicherung, die notwendigen Bezeichnungen des Fahrwassers, der Betrieb der technischen Anlagen und alle weiten Maßnahmen, die der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs auf den Bundeswasserstraßen dienen. Die Durchführung der Überwachungs- und Unterhaltungsaufgaben erfolgt mit Unterstützung von Wasserfahrzeugen, für Landfahrzeuge bestehen häufig nur begrenzt geeignete Zufahrtswege zu den Baustellen, Bauwerken und Anlagen.

Autoren:
Peter Bielke, Sascha Maier
Fachstelle Maschinenwesen Nord Rendsburg