Im Jahr 1902 wurde die Welt der Schifffahrt bereits vom Dampfantrieb beherrscht; Dampfer waren schon über ein halbes Jahrhundert auf den Meeren unterwegs gewesen. Die meisten Segler in der Handelsschifffahrt waren kombinierte Schiffe, die den wirtschaftlicheren und Laderaum gewinnenden Windantrieb durch den Einsatz einer Dampfmaschine ergänzten. Es gab aber illustre Ausnahmen.[ds_preview]

Die »Preußen« wurde 1902 als einer der berühmten Flying P-Liner der deutschen Reederei F. Laeisz bei der Joh. C. Tecklenborg-Werft in Geestemünde gebaut. Neben dem Rumpf waren auch die Masten und der größte Teil der Rahen für die insgesamt 30 Rahsegel aus Stahl gefertigt.

Sie war robust genug, um jeden Sturm zu meistern und konnte zu ihrer Zeit verschiedene Geschwindigkeitsrekorde aufstellen. Die 20 kn, die sie erreichte, waren besonders beeindruckend, wenn man bedenkt, dass sie bis zu 8.000 t Ladung transportieren konnte. Diese Eigenschaften und ihr majestätisches Aussehen brachten ihr den Beinamen »Königin der Meere« ein.

Die »Preußen« wurde am 2. Mai 1902 getauft und zu Wasser gelassen und sollte kurz darauf, am 31. Juli, ihre Jungfernfahrt antreten. Sie stach in ihrem Heimathafen Hamburg in See und kam nur 64 Tage später in Iquique in Chile an.

In den acht Jahren ihres Schiffslebens unternahm sie zwölf Rundreisen zwischen Hamburg und Chile, außerdem eine Weltumrundung via New York und Yokohama. Ihre Ankunft soll in den USA einen besonders großen Eindruck hinterlassen haben.

Die bis dahin recht erfolgreiche Geschichte der »Preußen« fand jedoch in der Nacht zum 6. November 1910 ein jähes Ende.

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Das Modell der »Preußen« wurde von Jürgen Schill im Maßstab 1:100 gebaut und repräsentiert im Internationalen Maritimen Museum Hamburg das Ende einer Ära © IMMH

Auf dem Weg nach Chile wurde sie 8 sm südlich von Newhaven von dem britischen Dampfer »Brighton« gerammt. Das kleinere Schiff hatte die Geschwindigkeit des vollgetakelten Seglers unterschätzt. Angesichts der Schäden am Bug und in der Takelage wurden Schlepper gerufen, die das Schiff in den Hafen von Dover einbringen sollten. Wegen eines aufkommenden Sturms brachen jedoch die Schlepptrossen, die »Preußen« strandete auf den Felsen der Crab Bay. Versuche, das Schiff freizuschleppen, misslangen. Immerhin hatte es unter der Besatzung keine Opfer gegeben. Der Kapitän der »Brighton« wurde vom Seeamt Hamburg schuldig gesprochen, sein Patent wurde eingezogen. Er erschoss sich in einer Bar in London.

Die Geschichte der »Preußen« endet jedoch nicht im Jahr 1910. Das schwedische Kreuzfahrtunternehmen Star Clippers ließ im Jahr 2000 ein stählernes Fünfmastvollschiff mit 26 Rahsegeln ohne Hilfsantrieb bauen. Die »Royal Clipper« kreuzt während des Sommers im Mittelmeer und bedient im Winter die karibischen Destinationen. Sie wird im Guinness-Buch der Rekorde als größter Rahsegler geführt und wurde nach dem Vorbild der »Preußen« entworfen. RD