Gefühlt spricht die gesamte Schifffahrt von den exorbitanten Container-Fracht- und Charterraten und deren Ursprung im extrem knappen Schiffsraum. Der Aspekt der Verschrottung geht unter – dabei birgt er großes Potenzial.[ds_preview]
Immer wieder ploppenNeuigkeiten zu Neubauten und zu einer Vielzahl von Secondhand-Verkäufen auf. Was seit geraumer Zeit überhaupt nicht mehr auf der Agenda steht, sind Verschrottungen. Es mag vielleicht merkwürdig anmuten, bei einer bis auf den letzten Stellplatz ausgelasteten Flotte an Verschrottungen zu denken, bringt aber eine interessante Frage auf den Tisch.
Die Kapazität wird mittelfristig noch deutlich wachsen. Für das vergangene Jahr zählt der Branchendienst Alphaliner 153 Ablieferungen mit zusammen 1,1 Mio. TEU und imposante 556 Aufträge für 4,2 Mio. TEU – bei nur 18 (!) Scrap-Verkäufen. Das Orderbuch macht aktuell 23% der fahrenden Flotte aus. Allerdings sind nur 10% der Schiffe älter als 20 Jahre. So groß ist das Schrott-Potenzial also eigentlich nicht.
Man kann nur hoffen, dass die Nachfrage der Entwicklung standhält. Denn kommt eine Marktdelle, droht Ungemach. Keiner will die großen Aufliegerflotten der Jahre nach 2008 noch einmal sehen.
Neben den diversen Neubauaktivitäten wird derzeit auch kräftig in andere Bereiche investiert. Vor allem die Linien tun sich dabei hervor, steigen beispielsweise in den Luftfrachtmarkt ein. Es wird kräftig gekauft und gegründet, diversifiziert und das Angebotsportfolio bis hin zu neuen Geschäftssparten ausgebaut. Das kostet alles viel Geld. Zwar wird derzeit auch extrem gut verdient, aber einfach nur Einsteigen um des Einsteigens willen muss nicht immer eine gute Lösung sein.
Zu denjenigen, die sich verhältnismäßig ruhig verhalten, gehört die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd. CEO Rolf Habben Jansen legte kürzlich das Augenmerk auf einen Bereich, der seit vielen Monaten quasi brach liegt: eben die Verschrottung von Containerschiffen. Ein interessanter Zeitpunkt, um darauf aufmerksam zu machen. Ist da etwa ein kleiner Seitenhieb auf die Branche versteckt oder ein Herantasten und Ausloten, wie mit der Flotte umzugehen ist? Bei Hapag-Lloyd stehen Scrap-Verkäufe nicht unmittelbar bevor. Trügt der Schein, oder ist das eine branchenweite Ansicht?
Wenn es denn stimmt, was mancher denkt, dass nämlich ab Ende des Jahres ein wenig Druck vom Kessel der Kapazität und Raten genommen wird, weil die Omikron-Welle der der Corona-Pandemie abebbt und die Lieferketten wieder etwas besser funktionieren, dann kann man durchaus anfangen, darüber nachzudenken, was, wann in welchem Umfang mit der Flotte zu tun ist. Denn die großen Dekarbonisierungsziele und regulatorischen Umwälzungen wie die EEXI- und CII-Vorgaben zwingen zum Handeln.