Print Friendly, PDF & Email

Mit der Taufe der »Chicago« hat die Flotte Hamburg eines der modernsten Planierschiffe übernommen. Gebaut wurde dieses Spezialschiff, das über einen innovativen Hybridantrieb verfügt, auf der Hitzler Werft in Lauenburg. Von Anna Wroblewski

Rund 24 Monate hat der Bau der »Chicago«, die bei der Wassertiefeninstandhaltun[ds_preview]g im Hamburger Hafen eingesetzt wird, gedauert. Der Auftrag für die Werft umfasste den Bau des kompletten Schiffes inklusive der Planiervorrichtung und des Hybridantriebs. »Das Zusammenführen aller Komponenten vor allem in Hinblick auf die anspruchsvollen technischen Lösungen entsprach keiner Standard-Lösung aus der Schublade«, erläuterte Hitzler-Geschäftsführer Kai Klimenko anlässlich des Stapelhubs. Hier habe sich die Erfahrung der Hitzler Werft im Spezialschiffbau gezeigt, weshalb es zu keinen großen Komplikationen gekommen sei.

Emissionsarm unterwegs

Die Flotte Hamburg ist ein Tochterunternehmen der Hamburg Port Authority (HPA). Anlässlich der Taufe sagte HPA-Chef Jens Meier, die »Chicago« sei ein State-of-the-Art-Schiff im Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit und Nachhaltigkeit. Das Planiergerät könne bis zu zwei Stunden emissionsfrei und geräuschlos im Batteriemodus betrieben werden. Ansonsten werde es mit dem emissionsarmen Kraftstoff GTL (Gas-to-Liquids) gefahren. »Wenn E-Fuels, die zum Beispiel aus Wasserstoff hergestellt werden, verfügbar sind, werden wir die ersten sein, die es nutzen«, so Meier.

Das Antriebssystem der »Chicago« besteht aus zwei Caterpillar-Motoren vom Typ C18 mit einer Leistung von jeweils 500 kW bei 2100 1/min. Den Hilfsdiesel hat ebenfalls Caterpillar geliefert: ein C4.4 ACERT-Modell mit 99 kWe bei 1500 1/min. Für den elektrischen Antrieb sorgen zwei BEN Buchele-Motoren, die jeweils 60 kWe bei 2130 1/min leisten.

Die beiden Elektromotoren sitzen direkt an einem Wendegetriebe des Herstellers Reintjes. Wie Louis Zander, Director Sales & Service bei Reintjes in Hamburg, erklärt, haben diese Getriebe eine zusätzliche Untersetzung für den E-Motor, damit er auch im elektrischen Antriebsmodus seine Nennleistung abgegeben kann. Das Getriebe vom Typ WAF 364 ist dafür mit einem sekundären Nebenabtrieb (PTO/PTI) ausgestattet. Sekundär bedeutet dabei, dass der Nebentrieb hinter der Hauptkupplung sitzt. Damit kann die »Chicago« elektrisch fahren, ohne dass der Hauptmotor mit dreht.

Im Elektromodus fährt das Schiff unter anderem auf der Hin- und Rückfahrt zum Einsatzgebiet. Während der Planierarbeiten wird auf den Hauptantrieb umgeschaltet. Die dabei erzeugte, überschüssige Energie kann über die PTOs in die Batterien vom Typ Cobra des Herstellers Becker Marine Systems geladen werden. Die schiffseitige Steuerung für das Wechseln der verschiedenen Antriebsmodi kommt ebenfalls von Reintjes.

Die elektrische Leistung der »Chicago« reicht für rund 120 Minuten bei 6 kn. Im GTL-Betrieb erreicht das 25 m lange, 8,50 m breite und maximal 2,60 m tiefgehende Schiff rund 10 kn.

7 Mio. € Kosten

Die »Chicago« ist neben dem kleineren Planiergerät »Otto Stockhausen« das zweite Planierschiff der Flotte Hamburg. Das 7 Mio. € teure Schiff zieht im Rahmen der Wassertiefeninstandhaltung des Hamburger Hafens die Sedimente in Bereiche, in denen sie mit Saugbaggern leichter aufgenommen werden können. Dafür wurde die »Chicago« mit einem 9,70 m breiten und 3,7 t schwerem Schlickpflug ausgerüstet. An Deck des Schiffes, das einen Pfahlzug von 15 kN aufweist, steht eine Fläche für einen 20-Fuß-Container zur Verfügung. Für seine Arbeitsaufträge verfügt das Planierschiff ferner über einen Moonpool mit einem Durchmesser von 1,2 m, einen Teledyne-T20-Fächersonar sowie einen Wassermonitor. Für das Handling der umfangreichen Messtechnik hat die »Chicago« einen Schenkrahmen mit 300 kg SWL.

Taufe in Hamburg

Coronabedingt mussten die Feierlichkeiten zum Stapelhub letzten Sommer entfallen. Umso feierlicher fiel die Taufe im September im Hamburger Hafen aus. Wie schon die anderen Schiffe der Flotte Hamburg, wurde auch die »Chicago« nach einer Partnerstadt Hamburgs benannt. Taufpatin war die US-Botschafterin in Deutschland, Amy Gutmann.

Auch die beiden Geschäftsführer der Hitzler Werft waren vor Ort. »Bei der Taufe eines Schiffes dabei zu sein, welches wir von den ersten Entwürfen bis zur Fertigstellung begleitet haben, erfüllt uns immer mit Stolz«, sagte Marek Klimenko, »Wir freuen uns sehr, dieses innovative Projekt mit der Flotte Hamburg realisiert zu haben und wünschen der ›Chicago‹ immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel!«

Abstract:  »Chicago« – emission-free through the port

With the christening of the »Chicago«, Flotte Hamburg has taken delivery of one of the most modern levelling vessels. This special ship, which has an innovative hybrid drive, was built at the Hitzler shipyard in Lauenburg.

 

 

Drei Fragen an…

»Einige spannende Projekte in der Pipeline«

Louis Zander, Director Sales & Service – Reintjes Hamburg

Zander MYSLouis Zander hat den Bau der »Chicago« für Reintjes begleitet © Privat

 

Für das hybride Antriebssystem der »Chicago« hat Reintjes unter anderem die Getriebe geliefert. Was zählte noch zum Lieferumfang?

Louis Zander: Für das Zweiwellen-Schiff haben wir neben dem Wendegetriebe WAF 364, flexible Kupplungen, die Frequenzumrichter für die Elektromotoren als auch für die Verbindung zwischen Bordnetz und Gleichstromzwischenkreis sowie die Intelligenz – unser Reintjes Control System – geliefert. Diese Schiffssteuerung haben wir erst vor Kurzem auf der SMM in Hamburg präsentiert. Das System ist in drei Variationen erhältlich. Bei der ›Chicago‹ kam die ›Advanced‹ Lösung zum Einsatz. Es ist eines der ersten Projekte, bei dem die Steuerung zum Einsatz kommt. Sie ist für die Steuerung der Hauptmotoren sowie das Zusammenspiel mit den Elektromotoren zuständig. Zu dem Fahrhebel kommt bei dieser Ausführung auch ein Bedienpanel mit TFT-Bildschirm zum Einsatz. Zusätzlich sind bis zu 4 Nebenfahrstände möglich. Bei diesem Projekt wurde ein zweiter Fahrstand ausgeführt.

Was war rückblickend besonders an diesem Projekt?

Zander: Das Besondere an diesem Projekt ist, dass ein so kleines Schiff über einen Gleichstromzwischenkreis verfügt. Während des Planierbetriebs wird kein Extragenerator benötigt und die Elektromotoren können den Strom in das Bordnetz sowie in die Batterien einspeisen. Dies ist nur mit einem Gleichstromnetz möglich. Man nennt diese Funktion auch Inselbetrieb. Die Frequenzumrichter müssen sich nicht auf ein vorhandenes Netz aufschalten, um Strom zurückzuspeisen. Eine weitere Besonderheit ist, dass das ganze System redundant ausgelegt ist.

An welchem Projekt arbeiten Sie aktuell?

Zander: Wir haben momentan einige spannende Projekte in der Pipeline, über die wir aber erst sprechen können, wenn sie weiter fortgeschritten sind. Eines, das auf der SMM bekannt gegeben wurde, ist ein Auftrag für die italienische Reederei Liberty Lines, die auf der spanischen Werft Armon neun neue Fähren bauen lässt. Rolls-Royce Power Systems liefert als Systemlieferant die Antriebe und wir dürfen die Winkelversatzgetriebe (Typ WVSA 1542) beisteuern, übrigens auch in einer Hybrid-Ausf
ührung. Es ist unser neuestes Getriebe, das wir ebenfalls auf der SMM erstmals vorgestellt haben.