Container, Symbolbild für Frachtraten, Seefracht und Reedereien

Innerhalb nur eines Monats sind die langfristigen Frachtraten massiv eingebrochen. Besonders die neuen Verträge in den USA spiegeln die neue Realität im Seefrachtgeschäft wider.

Die Seefrachtbranche erlebte im Mai einen Einbruch der weltweiten langfristigen Raten in noch nie dagewesenem Ausmaß. Die Vertragsfrachtraten für den Transport von Containern sanken um 27,5 %. [ds_preview]

Es ist der neunte Monat in Folge, in dem die Frachtraten gesunken sind, und der größte monatliche Rückgang, der jemals im Xeneta Shipping Index (XSI) verzeichnet wurde.

»Wenn sich Branchenbeobachter nach dem 10-prozentigen Rückgang der langfristigen Raten im April gefragt haben, wie schlimm es für die Reedereien noch werden könnte, hier ist die Antwort«, kommentiert Patrik Berglund, CEO des Marktanalyseunternehmens Xeneta. »Dies ist der stärkste Rückgang, den wir je auf dem XSI, der die Entwicklung der weltweiten Raten in Echtzeit abbildet, erlebt haben, und er zeichnet ein düsteres Bild vom Zustand der Branche.«

»Monatliche Rückgänge sind derzeit zur ›neuen Normalität‹ geworden, aber dies ist ein Einbruch«, so Berglund. »Die Gründe dafür sind vielfältig, aber der Hauptgrund ist die Tatsache, dass im Mai die bestehenden 12-Monats-Verträge in den USA auslaufen und neue Vereinbarungen in Kraft treten. Diese spiegeln die Realität der heutigen gedämpften Märkte wider, so dass die Preise viel, viel niedriger sind als bei ihren Vorgängern. Wie sich das auf die gesamte Branche auswirkt, können wir alle sehen.«

Langfristige Frachtraten sinken erstmals seit 2020 im Jahresvergleich

Der Rückgang ist aus Sicht der Analysten auch deshalb bemerkenswert, da es das erste Mal seit Ende 2020 ist, dass die langfristigen Frachtraten im Jahresvergleich gesunken sind. Während der Pandemie konnten die Linienreedereien dank unterbrochenen Lieferketten, hoher Nachfrage, Staus und Containermangel einen Umsatzanstieg verzeichnen, »aber diese Ära ist nun endgültig vorbei«, so Berglund.

Der globale Index des XSI ist im Jahresvergleich um 42 % gesunken. Angesichts der anhaltenden makroökonomischen Unsicherheit, des schwindenden Handelsvolumens und der allgemeinen geopolitischen Veränderungen deuten die Vorzeichen »nicht darauf hin, dass wir in absehbarer Zeit wieder schwarze Zahlen schreiben werden«, meint der Xeneta-CEO. Die Reedereien seien bisher wenig erfolgreich in ihren Versuchen, Kapazitäten zu managen, indem Schiffsgeschwindigkeiten angepasst, Dienste umstrukturiert und Abfahrten gestrichen werden.

»Diejenigen, die am stärksten von langfristigen Verträgen abhängig sind, werden zunehmend finanzielle Einbußen hinnehmen müssen«, so Berglund.

Frachtraten für US-Importe stürzen ab

Aus regionaler Sicht stehen die langfristigen Entwicklungen in den USA im Fokus. Der US-Import-Subindex brach im Vergleich zum Vormonat um 40,6 % ein und hat seit seinem Höchststand im Oktober letzten Jahres 54,6 % seines Wertes verloren.

In Dollar ausgedrückt bedeutet dies, dass die durchschnittliche Frachtrate für die Verschiffung von Containern zwischen dem Fernen Osten und der US-Westküste im Vergleich zum Vorjahr um 6.140 $ pro FEU gesunken ist – ein Rückgang um 76 %.

Das Volumen in die USA ist im ersten Quartal um 21,1 % zurückgegangen, während das Volumen aus dem Fernen Osten um 25,9 % gesunken ist. Umgekehrt verzeichnete der Teilindex für US-Ausfuhren mit einem Anstieg von 5,1 % gegenüber dem Vormonat ein begrenztes Wachstum. Es ist der einzige XSI-Wert, dem dies gelang.

Übertroffen wir der Rückgang des US-Import-Teilindex nur von dem der Fernost-Exporte, denn dieser Teilindex fiel im Mai um 38,6 %. Dieser Index hat nun allein im Jahr 2023 mehr als die Hälfte seines Wertes verloren und liegt 58,5 % unter dem Vorjahreswert.

Gemessen am Volumen sind die Containerausfuhren aus dem Fernen Osten im ersten Quartal um 10,5 % gesunken und liegen jetzt nur noch 3,3 % über den Zahlen für Q1 2019. Der XSI für Fernost-Importe schnitt relativ gesehen besser ab, mit einem Rückgang um 6,9 %, so dass der Index im Vergleich zum Vorjahr um 28,6 % gesunken ist.

Auch beide Teilindizes für Europa verloren an Wert. Der Referenzindex für Importe sank im Vergleich zum April um 11,1 % (-32,6 % seit Jahresbeginn), während sein Pendant für Exporte um 15,9 % zurückging, was dem Rückgang des Vormonats entspricht.

»Reedereien können in diesem Klima nur wenig tun«

»Angesichts der sinkenden Nachfrage nach Containerexporten aus dem Fernen Osten und des mangelnden Hungers nach Importen in die USA haben wir es mit einer Art ›Rückzug‹ der beiden Kräfte zu tun, die traditionell das Wachstum des Welthandels antreiben«, stellt Berglund fest. »Die Reedereien können in diesem Klima nur wenig tun, um ihre wertvollen langfristigen Raten zu schützen, vor allem wenn man bedenkt, dass die während des Pandemie-Booms bestellten Schiffe jetzt die Gesamtkapazität der Branche erhöhen.«