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Die hiesige Schifffahrt leidet immer stärker unter Nachwuchsmangel – sowohl auf See als auch an Land. Zur Stärkung der Ausbildung fordern der Deutsche Nautische Verein und der Verband Deutscher Reeder deutlich mehr gemeinsames Engagement von Industrie und Politik.

Nachwuchsgewinnung und Ausbildung werden zu einem immer größeren Problem: Die Schifffahrt ist eine der wichtigsten Branchen für den Wirtschafts- und Logistikstandort Deutschland. Doch ein Sturm ist über der Branche aufgegogen, sie leidet unter einem eklatanten Nachwuchsmangel, wie gestern im Rahmen einer hochrangig besetzten Fachkonferenz in Berlin deutlich wurde.[ds_preview]

Sie war vom Deutschen Nautischen Verein (DNV) und dem Verband Deutscher Reeder (VDR) organisiert worden.

Konferenz DNV
Auf der Fachkonferenz entwickelte sich eine lebhafte Debatte über die Zukunft der maritimen Ausbildung (v.l.: Holger Jäde/VDR, Ingo Berger/ DNV, Rom Rabe/ Hochschule Wismar, Matthias Imrecke/DNV, Stephan Berger/ Hafenkapitän Bremen, Jörg Kaufmann/BSH, »Nordic«-Kapitän Konstantin Pohsin/ Fairplay Towage (© Jens Meyer)

Große Bedeutung der Ausbildung für den Sekundärmarkt

Neben den sehr vielfältigen Initiativen aus der Schifffahrt selbst, ist nach Ansicht der Verbände auch die Politik gefordert, dem gefährlichen Trend entgegenzuwirken, wenn Deutschland auch zukünftig ein wichtiger Schifffahrtsstandort bleiben soll, der im internationalen Wettbewerb vom umfangreichen Know-how der vielen Tausend Mitarbeitern profitiert. Das Schlüsselwort: Sekundärmarkt. Die große Bedeutung des nautisch-technischen Know-hows für weitere Berufsbilder wird generell noch immer viel zu selten erkannt.

»Es braucht eine konzertierte Aktion aller maritimen Stakeholder, unterstützt durch die Länder, unter der Moderation des Bundes mit einem klaren Bekenntnis zur dauerhaften Sicherung der maritimen Ausbildung und Beschäftigung in Deutschland«, sagte der Vorsitzende des Deutschen Nautischen Vereins, Kapitän Christian Suhr.

Die Schifffahrt biete jungen Menschen vielfältige berufliche Perspektiven: an Bord und an Land in den Reedereien, in der maritimen Wirtschaft, in der Schifffahrtsverwaltung und nicht zuletzt in Ministerien, Verbänden und Organisationen. Dennoch scheint diese Attraktivität jungen Menschen noch in großen Teilen unbekannt zu sein, denn es fehlt an Nachwuchs.

Um einem drohenden Wissenverlust und einer Schwächung des maritimen Standort in Deutschland entgegen zu wirken hatten der DNV und der VDR zur Fachtagung über die »Herausforderungen für den primären und sekundären maritimen Arbeitsmarkt« in der Landesvertretung der Freien und Hansestadt Hamburg in Berlin eingeladen.

Während der Konferenz wurde der aktuelle Stand der Ausbildungsmöglichkeiten kritisch betrachtet, die maritimen Perspektiven aufgezeigt und Lösungswege vorgestellt, um junge Menschen für maritime Berufe zu begeistern.

Einige der Diskussionspunkte waren:

  • Der Wettbewerb um junge Talente wird in allen Branchen immer härter. So sei die hochwertige nautisch-technische und duale Berufsausbildung am Standort unbedingt dauerhaft zu sichern und kontinuierlich den technologischen Entwicklungen anzupassen. Dazu sei es notwendig, zukünftig deutlich schneller und unbürokratischer auf die neuen Anforderungen der maritimen Berufsbilder einzugehen. Der Dialog zwischen Behörden, Ausbildungseinrichtungen und der Industrie muss deutlich intensiviert werden. Es ist weiter zu prüfen, inwieweit die deutsche Flagge einen positiven Einfluss auf die Gesamtentwicklung haben könnte.
  • Die Seefahrt bietet ein vielfältiges Berufsfeld mit großen Entwicklungsperspektiven sowie bei einem Wechsel in den maritimen Sekundärmarkt. Die umfangreichen Erfahrungen an Bord sind die Grundlagen, um sich zu Experten weiterzuentwickeln. Sie sind damit prädestiniert für die vielfältigen Angebote des maritimen Arbeitsmarktes, wie bei Reedereien, Lotsen, Verwaltungen, maritimen Ausbildungseinrichtungen, Klassifikationsgesellschaften, Versicherungen, maritimen Zulieferern, Werften, der Hafenwirtschaft und den Vollzugsorganen des Bundes und der Länder. Das gleiche gilt auch für die kaufmännisch ausgebildeten Mitarbeiter.
  • »Die erfolgreichen Herangehensweisen unserer europäischen Nachbarländer machen deutlich, dass nur eine gemeinsame Ausrichtung der gesamten maritimen Branche zum Erfolg führt«, hieß es im Rahmen der Konferenz weiter.

Holger Jäde, Referent für Ausbildung beim Verband Deutscher Reeder, betonte: »Wir brauchen das maritime Know-how, um auch zukünftig als starker, wettbewerbsfähiger maritimer Standort in der Welt wahrgenommen zu werden. Damit wir dies erhalten, bedarf es einer besseren Einbindung im Maritimen Bündnis und einer deutlichen Platzierung im Rahmen der Nationalen Maritimen Konferenz.«

Diese zentrale Anliegen der Veranstalter fand einen übergreifenden Konsens der anwesenden Vertreter des Bundestages beim anschließenden parlamentarischen Abend in der Landesvertretung Hamburgs.

Die Suche nach dem Nachwuchs wird zu einer immer größeren Herausforderung – nicht nur an Land. Sabine Zeller, Geschäftsführerin der Berufsbildungsstelle Seeschifffahrt (BBS), hatte jüngst im HANSA Podcast deutlich gemacht, dass viele Reeder die offenen Stellen für Schiffsmechaniker nicht besetzt bekommen.

BBS Zeller Schiffsmechaniker

Hören Sie hier die gesamte Episode. Zeller spricht darin unter anderem von ihrer Zeit auf See, den großen Herausforderungen in punkto Fachkräftemangel, die Geschlechterfrage und bessere Noten von Frauen, Work-Life-Balance (»War bei mir nie besser als zu meiner Seefahrt-Zeit«) und die Bindung an ein Unternehmen – »unabhängig von der Generationsfrage«.

Der Verband Deutscher Reeder will das Thema »Ausbildung« deutlich vorantreiben und hat 2023 als »Jahr der Ausbildung« ausgerufen. Der Verband verfolgt damit auch das Ziel, den Stellenwert der Seeschifffahrt für den maritimen Standort zu verdeutlichen. »Umfangreiche Erfahrungen an Bord bilden die Grundlage dafür, sich zu vielseitig einsetzbaren Experten weiterzuentwickeln. So ist die Besetzung einer wichtigen Funktion wie etwa des Hafenkapitäns ohne nautische Ausbildung und Berufserfahrung in einer Führungsposition an Bord kaum vorstellbar«, so Jäde weiter.

Nur durch den Ausbau der bedarfsgerechten und zukunftsorientierten Ausbildung lasse sich das maritime Know-how am Standort sichern. Hier seien Unternehmen, Sozialpartner, Politik und Verwaltung sowie Ausbildungsstätten gemeinsam gefordert.