Die Mitgliedsstaaten der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) haben sich beim Meeresumweltgipfel (MEPC) in London auf ein Klimaabkommen geeinigt, das ein Ziel für die Klimaneutralität der weltweiten Schifffahrt bis 2050 setzt.
In London wurde im Rahmen des MEPC 80 zwei Wochen lang von den UN-Delegierten verhandelt, erst in den die frühen Morgenstunden am Freitag kamen die Delegierten zu einem Ergebnis. Im Vorfeld war von vielen befürchtet worden, dass sich die Mitgliedsstaaten sich nicht auf klare Zielvorgaben einigen könnten. [ds_preview]
Umweltverbände wünschten sich klarere und strengere Ziele für die Schifffahrt und auch aus der Branche selbst wurde immer ungeduldiger der Wunsch nach klaren Vorgaben geäußert, zumal einige große Reedereien bereits ambitioniertere Ziele haben als die IMO selbst. Bisher sah die Treibhausgas-Strategie (GHG Strategy) der IMO eine Reduzierung der Kohlenstoffintensität des internationalen Seeverkehrs um mindestens 40 % bis 2030 im Vergleich zu 2008 vor sowie eine Fortsetzung der Bemühungen um eine 70-prozentige Reduzierung bis 2050 im Vergleich zu 2008 zu erreichen. Die gesamten jährlichen Treibhausgasemissionen des internationalen Seeverkehrs sollten um mindestens 50 % bis 2050 sinken.
Jetzt wurde vereinbart, dass die Schifffahrt bis 2050 die Klimaneutralität erreichen muss und welche Zwischenziele auf dem Weg dorthin zu schaffen sind. So hat man sich auf »indikative Kontrollpunkte« geeinigt, wonach die Emissionen bis 2030 um mindestens 20 % (angestrebt werden 30 %) und bis 2040 um mindestens 70 % (angestrebt werden 80 %) gesenkt werden sollen. So will man den Sektor bis 2050 auf Netto-Null-Emissionen trimmen.
Schifffahrt zufrieden mit MEPC-Ergebnis
Aus Sicht der Schifffahrt ist das Abkommen aber zufriedenstellend. Nikolaus Schües, der neue Präsident der Schifffahrtsorganisation Bimco, sagte: »Der Klimawandel betrifft uns alle und erinnert uns daran, dass wir dringend Maßnahmen zur Begrenzung unserer Emissionen ergreifen müssen. Bimco ist den IMO-Mitgliedstaaten dankbar, dass sie den Weg, den die Schifffahrtsindustrie einschlagen muss, um jedes einzelne Schiff der Weltflotte auf eine Zukunft ohne Treibhausgasemissionen umzustellen, in klaren Worten dargelegt haben.«
»Der tief greifende Wandel in der Art und Weise, wie Schiffe gebaut, betrieben und mit Treibstoff versorgt werden müssen, wird sich auf jeden Schiffseigner auf der Welt auswirken. Investitionsentscheidungen müssen neu überdacht, Konstruktionen geändert und Geschäftsmodelle für immer verändert werden«, so Schües weiter.
Auch der deutsche Reederverband VDR begrüßt die heutige Entscheidung des Meeresumweltschutzausschusses der IMO. »Das ist ein historischer Tag für die Schifffahrt«, sagte VDR-Hauptgeschäftsführer Martin Kröger, »die Staaten haben lange darum gerungen, endlich ein wirksames Ergebnis zu erzielen. Es ist nicht einfach, so viele verschiedene Länder und Regionen mit ihren unterschiedlichen Interessen zusammenzubringen. Die Mitgliedsstaaten der IMO haben das Unmögliche möglich gemacht. Alle haben erkannt, dass es zur Klimaneutralität keine Alternative gibt. Auch wenn die Umsetzung für uns nicht einfach sein wird, freuen wir uns über dieses starke Signal zur Bekämpfung des Klimawandels.«
Umweltexperten sagen, dass die Ziele nicht stark genug sind, um die Schifffahrt auf den im Pariser Abkommen festgelegten 1,5-Grad-Pfad zu bringen. Vor allem China, Brasilien, Argentinien und anderen Länder waren dagegen. Der deutsche Umweltverband Nabu kritisiert das Versäumnis und fordert, dass umso schneller ein internationaler CO2-Preis für die Schifffahrt festgelegt wird.
Wissing sieht »Riesenerfolg«
Das Abkommen enthält auch einen Fahrplan für die Entwicklung einer Norm für grünen Treibstoff sowie eine Steuer auf fossile Brennstoffe, um das grüne Segeln attraktiver zu machen. Darüber hinaus wird angestrebt, dass bis 2030 mindestens 5 % der Kraftstoffe in der weltweiten Schifffahrt umweltfreundlich sein sollen. Mit dem Abkommen haben sich die Länder auf einen Zeitplan geeinigt, der die Verabschiedung der notwendigen Vorschriften bereits 2025 ermöglicht, mit der Möglichkeit der Umsetzung bis 2027. Schließlich erkennt das Abkommen die Notwendigkeit an, die gesamte Klimabilanz von Kraftstoffen, einschließlich der Produktion, zu berücksichtigen und sich nicht nur auf die Emissionen des Schiffes selbst zu konzentrieren.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing kommentierte: »Heute ist ein großer Tag für das Klima und die Seeschifffahrt. Denn heute haben wir in London beschlossen, die internationale Schifffahrt bis 2050 klimaneutral zu machen und konnten das auch mit ambitionierten Zwischenzielen unterlegen. Das ist insbesondere mit Blick auf die diversen nationalen Interessen ein Riesenerfolg, der auch auf den Einsatz Deutschlands und der EU zurückzuführen ist. Nun gilt es, die Ziele mit konkreten Maßnahmen mit Leben zu füllen. Angesichts der grundsätzlichen Einigung bin ich zuversichtlich, dass wir auch hier auf gutem Weg sind.«
Der Koordinator der Bundesregierung für die Maritime Wirtschaft und Tourismus, Dieter Janecek, erklärte: »Mit der neuen Strategie ist eine globale Einigung gelungen, die dem Netto-Null-Ziel bis 2050 näher rückt. Zusammen mit den Zwischenzielen für 2030 und 2040 haben wir einen klaren Reduktionsplan. Das ist ein richtiger und wichtiger Schritt. In der Umsetzung müssen wir jetzt sicherstellen, dass das langfristige Temperaturziel des Abkommens von Paris erreicht wird. Wir werden uns als Bundesregierung weiter dafür auf internationaler Ebene einsetzen.«
IMO-Generalsekretär: »Neues Kapitel in Richtung Dekarbonisierung«
IMO-Generalsekretär Kitack Lim sagte: »Die Verabschiedung der IMO-Treibhausgasstrategie für 2023 ist eine monumentale Entwicklung für die IMO und eröffnet ein neues Kapitel in Richtung Dekarbonisierung der Schifffahrt. Gleichzeitig ist sie aber nicht das Endziel, sondern in vielerlei Hinsicht ein Ausgangspunkt für die Arbeit, die in den vor uns liegenden Jahren und Jahrzehnten noch intensiver werden muss. Mit der überarbeiteten Strategie, auf die Sie sich jetzt geeinigt haben, haben wir jedoch eine klare Richtung, eine gemeinsame Vision und ehrgeizige Ziele, die uns dabei helfen, das zu erreichen, was die Welt von uns erwartet.«
»Vor allem ist es von besonderer Bedeutung, dass wir von allen Mitgliedstaaten einstimmig unterstützt werden. In dieser Hinsicht glaube ich, dass wir der Unterstützung der Entwicklungsländer, insbesondere der SIDS und der LDC, mehr Aufmerksamkeit schenken müssen, damit niemand zurückgelassen wird«, sagte Lim.