Maersk exhaust Mette Maersk Schiffsemissionen Panamkanal
© Maersk
Print Friendly, PDF & Email

Die Netto-Null-Ziele der großen Linienreedereien sind ehrgeiziger als die der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation. Mit Blick auf das Orderbuch halten Analysten das Engagement für echt.

Der 80. Ausschuss für den Schutz der Meeresumwelt (MEPC) der internationalen Schifffahrtsorganisation IMO tragt seit dem 3. Juli eine Woche lang in London, und viele erwarten ein weitaus aggressiveres Ziel für die Emissionsreduzierung, möglicherweise bis zu 100 % bis 2050. Erste Berichte von den Verhandlungen deuten darauf aber nicht hin.

hingegen mit Zusagen gefüllt, wie sie der Branche helfen wollen, das aktuelle Dekarbonisierungsziel der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) – die Treibhausgasemissionen der Schifffahrt bis 2050 im Vergleich zu 2008 mindestens zu halbieren – zu übertreffen. [ds_preview]

Von den zehn führenden Reedereien, die zusammen etwa 85 % der aktiven Containerschiffsflotte betreiben, haben acht ihre Netto-Null-Ziele bis spätestens 2050 bestätigt, während eine weitere, Cosco, das Jahr 2060 anstrebt, was im Einklang mit allen chinesischen Staatsbetrieben steht.

Wie aus dem aktuellen Container Forecaster des Beratungsunternehmens Drewry hervorgeht, ist die taiwanesische Reederei Yang Ming ein Sonderfall. Sie habe bisher noch nicht ausdrücklich erklärt, dass sie bis zu einem bestimmten Datum Netto-Null-Emissionen anstreben will. Sie hat sich jedoch zu den Zielen der IMO verpflichtet.

Noch 97 % der Flotte fossil unterwegs

Die Netto-Null-Ziele, Zwischenziele und Methoden variieren von Reederei zu Reederei. Allen gemeinsam ist jedoch, dass sie sich zum Kauf treibstoffeffizienterer und umweltfreundlicherer Schiffen verpflichten, um die schmutzigeren Einheiten zu ersetzen.

Der Prozess der »Reinigung« der Containerschiffsflotte hat allerdings gerade erst begonnen und wird zwangsläufig Zeit in Anspruch nehmen. Am 1. Juni 2023 verfügten dem Drewry-Bericht zufolge rund 97 % der aktiven Flotte, gemessen an der TEU-Kapazität, über Hauptmaschinen, die mit aus Rohöl gewonnenem Bunkerkraftstoff betrieben wurden. Dieses Verhältnis verbessert sich auf knapp 90 %, wenn man die Schiffe berücksichtigt, die für alternative Kraftstoffe (meist LNG) bereit sind, diese aber noch nicht nutzen.

»Es liegt noch ein langer Weg vor uns, aber in den Auftragsbüchern ist die grüne Wende viel deutlicher zu erkennen. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts entfielen nur etwa 40 % des Auftragsbuchs (gemessen in TEU-Kapazität) auf die ›Business as usual‹-Variante (BAU), d. h. auf Schiffe, die ausschließlich mit konventionellem Schiffskraftstoff betrieben werden sollen. Wie bereits erwähnt, wird diese Art von Aufträgen immer seltener«, heißt es.

Wie lange es dauern wird, bis die so genannten »Öko«-Containerschiffe die Führung innerhalb der aktiven Flotte übernehmen, hängt von drei Faktoren ab: ihrer Dichte im Auftragsbuch, der Umrüstung vorhandener Schiffe auf alternative Kraftstoffe und/oder andere energiesparende Technologien und der Geschwindigkeit, mit der BAU-Schiffe abgewrackt werden. »Beim ersten Faktor sind gute Fortschritte zu verzeichnen, beim zweiten langsamere und beim dritten noch langsamere«, so Drewry.

Auftragsbuch beweist Investitionswillen der Linienreedereien

Sich hochgesteckte Dekarbonisierungsziele zu setzen ist einfach, sie zu erreichen wird eine größere Herausforderung sein. Das Auftragsbuch ist nach Einschätzung Drewrys ein Beweis für die erheblichen Investitionen, die bereits in umweltfreundlichere Schiffe getätigt wurden. Zudem müssten sich die heutigen Chefs der Linienreedereien an den verschiedenen Zwischenzielen messen lassen. »Es wird an den Regulierungsbehörden, Aktionären und Kunden liegen, sie zur Rechenschaft zu ziehen, wenn sie nachlässig sind«, so Drewry.

»Unserer Ansicht nach werden die Dekarbonisierungsziele im Laufe der Zeit nur noch ehrgeiziger werden, da die Reedereien in einem Spiel des Ökomarketings gegeneinander antreten«, meinen die Analysten. Zurzeit liegt die Spanne zwischen ehrgeizigen Reedereien wie Maersk und der an Staatszielen orientierten Cosco zur erreichung von »Net Zero« noch bei 20 Jahren.

Die Analysten glauben nicht, dass die großen Linienreedereien von ihrer derzeitigen Position abrücken werden. »Es ist unwahrscheinlich, dass die Reedereien aggressivere Ziele verfolgen werden, bevor nicht mehr Gewissheit über die Beschaffung und Preisgestaltung alternativer Kraftstoffe besteht«, heißt es.

Von der IMO wünschen sich die Reedereien beispielsweise konkrete Pläne für eine globale Kohlenstoffabgabe und Änderungen an der Formel des Kohlenstoffintensitätsindikators (CII), möglicherweise unter Berücksichtigung der beförderten Ladung. Einige Reeder wollen, dass die IMO sogar noch weiter geht und den Kauf von Schiffen mit Schweröl-Antrieb verbietet und die Verschrottung von Schiffen vorschreibt, die älter als 20 Jahre sind.

Linienreedereien warten nicht auf IMO

Die Reedereien warten nicht auf die Ergebnisse des MEPC 80, sondern haben in den letzten Wochen eine Reihe von Aufträgen für Schiffe mit alternativen Kraftstoffen erteilt. Seit März wurden laut Drewry Dual-Fuel-Bestellungen mit einer Gesamtkapazität von rund 480.000 TEU aufgegeben. Bei den Methanolaufträgen waren CMA CGM und Maersk führend, während Yang Ming bei den kleineren LNG-Aufträgen die Nase vorn hatte.

Es gibt noch eine ganze Reihe weiterer großer Geschäfte, die sich am Horizont abzeichnen. MSC führt Berichten zufolge Gespräche über eine Reihe von 8.000-TEU-Dual-Fuel-Einheiten (entweder Methanol oder LNG), während Evergreen angeblich kurz davor steht, bis zu 24 Methanol-Dual-Fuel-Einheiten mit je 16.000 TEU zu unterzeichnen, und möglicherweise auch einige Feeder-Einheiten mit solchen Antrieben.

Die Ziele allein mit Neubauten zu erreichen wrd aber nicht funktionieren. In diesem Zusammenhang hat Maersk angekündigt, dass MAN Energy Solutions Mitte nächsten Jahres ein nicht näher bezeichnetes bestehendes Schiff seiner Flotte (Gerüchten zufolge ein 2.000-TEU-Feederschiff) zu einem Methanolschiff umrüsten soll. 2027 sollen weitere Schiffe folgen.

Im September wird das dänische Unternehmen die allererste Reise eines mit Methanol betriebenen Containerschiffs unternehmen, wenn ein 2.100-Tonnen-Feeder-Schiff aus Südkorea eintrifft und in Kopenhagen getauft wird, bevor es seinen Dienst in der Ostsee antritt.