Offshore-Wind ist auf Wachstumskurs. Doch die Industrie sieht sich einem wachsenden wirtschaftlichen Druck ausgesetzt und muss technische Innovationen bewältigen.
In ihrer neuen Studie »A turning point for offshore wind« hat die Allianz Commercial Wachstumschancen, Risikotrends und Schadenmuster für die globale Branche bewertet. Größere Turbinen und neue Technologien führen zu größeren Risiken für die Versicherer. Wetter- und Naturgefahren nehmen zu, da der Sektor in neue Meeresregionen expandiert. [ds_preview]
Das Potenzial der Offshore-Windenergie als Quelle für sauberen Strom für die Energiewende ist unbestritten. Die Investitionen in den Sektor nehmen weltweit rasch zu, die Leistung der Anlagen steigt, und der technologische Fortschritt ist rasant – von Mehrzweck-Windparks und schwimmenden Anlagen bis hin zu Konnektivität der nächsten Generation und drohnengestützter Wartung. Projektentwickler und ihre Versicherer müssen eine Reihe von Risiken bewältigen, um die Offshore-Windkraft weltweit erfolgreich zu skalieren. Dazu gehören die prototypische Technologie, wirtschaftlicher Druck, extremere Wetterbedingungen, Kabelschäden und Kollisionsgefahren sowie die Berücksichtigung von Umweltfaktoren.
Vor der deutschen Küsten soll die installierte Leistung der Offshore-Windparks rasant steigen – von aktuell 8 GW auf 30 GW bis 2030 und auf 70 GW bis 2040. Alle Nordsee-Anrainer zusammen wollen 270 GW in den kommenden 17 Jahren auf See installieren.
»Die Lehren, die wir aus den Schäden der Vergangenheit gezogen haben – in erster Linie Schäden an Kabeln und Turbinen – sind entscheidend für ein nachhaltiges Wachstum der Branche«, sagt Anthony Vassallo, Global Head of Natural Resources, Allianz Commercial. Auch Umweltschutz und Biodiversität in Küstenregionen werden immer wichtiger, wenn sich die Nachfrage nach Meeresraum wie prognostiziert bis 2050 verfünffachen wird.
China überholt Europa als größten Offshore-Markt
Mehr als 99% der weltweit installierten Offshore-Windkraftanlagen befinden sich heute in Europa und in Asien. Allerdings investieren die USA massiv in diesen Sektor, und China hat Europa als weltweit größten Markt überholt – die Hälfte der weltweiten Offshore-Windkraftanlagen im Jahr 2023 wird dort installiert. Im Jahr 2022 wurden weltweit 8,8 GW an neuen Offshore-Windkapazitäten in das Netz eingespeist. Nach Angaben des Global Wind Energy Council werden in den nächsten zehn Jahren in 32 Märkten rund 380 GW an neuer Offshore-Kapazität hinzukommen.
Steigende Kosten haben zuletzt jedoch große Windkraftprojekte zum Stillstand gebracht, und die Branche wird durch Inflation, Kapitalkosten, steigende Zinsen und geopolitische Instabilität beeinträchtigt. Die Kosten für Material und Schiffsmiete sind gestiegen, während die Versorgung mit Materialien und der Zugang zu Auftragnehmern angespannt sind. Engpässe in der Lieferkette, langwierige Genehmigungsverfahren und Verzögerungen beim Netzanschluss sorgen ebenfalls für einen steigenden Druck auf die Industrie, heißt es.
Offshore-Industrie beklagt Mangel an Häfen und Schiffen
»Das Ausmaß des weltweiten Ausbaus der Offshore-Windenergie ist gigantisch. Er erfordert die Ausweitung der Produktionskapazitäten, der Hafenanlagen und der Infrastruktur. Und er muss von allen Beteiligten gemeinsam vorangetrieben werden – von Finanzinstituten, Unternehmen und Regierungen«, sagt Harald Dimpflmaier, Leiter Underwriting Energy & Construction für Allianz Commercial in Deutschland.
In Deutschland als einem ihrer größten Offshore-Wind-Versicherungsmärkte ist laut Analysen der Allianz rund die Hälfte (53%) des Schadenvolumens im Bereich Offshore-Wind in den Jahren 2014 bis 2020 auf Kabelschäden zurückzuführen, gefolgt von Turbinenschäden als zweitwichtigster Ursache (20%). Das hat in der Vergangenheit zu Verlusten in Millionenhöhe geführt.
»Die Servicequalität wird zu einem wichtigen Faktor, um mögliche Ausfallzeiten zu begrenzen«, erklärt Dimpflmaier. Bei der Risikoprüfung im Underwriting achteten Versicherer laut Dimpflmaier inzwischen genau auf die Art der verwendeten Kabel, die beteiligten Schiffe oder die Kommunikation zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer.
Offshore-Innovationen kurz vor Marktreife
Zu Neuerungen gehören sogenannte »Energieinseln«, die den Strom zwischen Netzen und Nationen teilen, oder »Mehrzweck-Windparks«, die den erzeugten Strom direkt für die Produktion von grünem Wasserstoff nutzen oder in Batteriespeicher einspeisen. Während die meisten Offshore-Windkraftanlagen derzeit noch auf Fundamenten stehen, sind schwimmende Windkraftanlagen in tieferen Gewässern kurz vor der Marktreife.
In den vergangenen 20 Jahren sind die Anlagen um fast das Vierfache in die Höhe gewachsen, von etwa 70 m auf 260 m. Die Rotordurchmesser haben sich verfünffacht. Windturbinen mit einer Leistung von 8 MW oder 9 MW sind heute üblich, neuere Modelle erreichen sogar 14 MW bis 18 MW.
Ein weiteres dringendes Problem für die Offshore-Windbranche ist laut der Studie die Verfügbarkeit von Spezialschiffen. Weltweit wird eine größere Flotte benötigt, die Installations-, Hub- und Hilfsschiffe umfasst. Angesichts der Tatsache, dass bis 2030 allein in der Nordsee 2.500 Windturbinen installiert werden sollen, müssten allerdings auch die Kollisionsgefahren im Auge behalten werden.
Die Allianz unterstützt einige der spannendsten Offshore-Wind-Projekte, sei es als Investor oder als Versicherer. In ihrem kürzlich vorgestellten Net-Zero Transition Plan hat sich Allianz Commercial verpflichtet, ihre Einnahmen im Bereich erneuerbare Energien und kohlenstoffarme Technologien bis 2030 um 150% zu steigern. Darüber hinaus hat sich die Allianz zu zusätzlichen Investitionen in Höhe von 20 Mrd. € für Klima- und Cleantech-Lösungen verpflichtet.
Als Investor beteiligt sich das Unternehmen an rund 100 Windpark- und Ökostromprojekten wie Hollandse Kust Zuid in den Niederlanden, He Dreiht (Deutschland) oder NeuConnect (Großbritannien/Deutschland).