Das HANSA-Forum »Schifffahrt | Finanzierung« konnte die 25. Auflage der Konferenz vor ausverkauftem Haus begehen. Prominente Podiumsgäste boten interessante Einblicke in eine Branche im Kreuzfeuer von Umweltvorschriften, volatilen Märkten und geopolitischer Unsicherheit.
Nach zwei sehr erfolgreichen Jahren sei nun in dem ein oder anderen Kontor die Stimmung in dem einen oder anderem Kontor nun gedrückt, beschrieb Moderator und HANSA-Chefredakteur Krischan Förster das aktuelle Stimmungsbild in der Containerschifffahrt zum Auftakt der Veranstaltung im Internationalen Maritimen Museum Hamburg. Längst sind die Lieferketten wieder entspannt, die Nachfrage auf Normalniveau gesunken beziehungsweise gedrückt durch Inflation und geopolitische Unsicherheit. Gleichzeitig wirft ein großes Orderbuch seine Schatten voraus. Moderator Michael Meyer, stellvertretender Chefredakteur der HANSA, verwies auf den zusätzlichen Kostendruck, den die von der IMO vorgegebene Dekarbonisierungsstrategie verursacht.
Auch wenn das alles den Ausblick auf die nähere Zukunft eher trübt, wollte Rolf Habben Jansen, CEO der Hamburger Linienreederei Hapag-Lloyd, keinesfalls seine Keynote für ein Klagelied nutzen. Dass das Schifffahrts-Business zyklisch ist, zeigte ein Blick auf die Ratenentwicklung der vergangenen 20 Jahre mit Boom, Finanzkrise, Erholung und Corona-Pandemie. »Heute sehen wir niedrige Frachtraten, die oft unter den Stückkosten liegen – die Kosten sind strukturell höher als vor der Pandemie«, so Habben Jansen. Als Faktoren nannte der CEO schwefelarme Kraftstoffe, Inflation und gestiegene Lohnkosten, Charterkosten, Umweltvorschriften und CII, den Emissionshandel der EU und grüne Kraftstoffe.
Gleichzeitig gebe es aktuell ein »beachtliches Orderbook« für neue Schiffe und zahlreiche Ablieferungen stünden in den kommenden Quartalen an. Derzeit liegt der Auftragsbestand mit 7,1 Mio. TEU bei 26 % der Kapazität der Weltflotte. Die Angst vieler Marktbeobachter vor einer deutlichen Überkapazitätssituation ab 2024 teilt der Manager nicht: »Ich glaube das nicht, die Schiffe sind voll, die Idle Fleet liegt bei 3 %, es ist ein vernünftiges Wachstum für nächstes Jahr prognostiziert.« Schon allein wegen des Carbon Intensity Indicator (CII) der IMO würden ab 2024 mehr Schiffe gebraucht, denn die Regelung werde zu Slow Steaming und Verschrottungen führen. »Man muss einfach auf die Fakten schauen«, sagte er.
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Jan Hoffmann, Head of Trade Logistics Branch bei der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) überraschte auf dem HANSA-Forum mit seiner Sicht auf das Orderbuch, allerdings das der gesamten Schifffahrt. Nach Auffassung des Volkswirts ist dieses aktuell sogar zu klein, um angesichts der Zunahme des Handels und der mit der Globalisierung einhergehenden Teilhabe der Entwicklungsländer in Zukunft die nötigen Kapazitäten bereitzustellen. »Es gibt nach Auffassung der UNCTAD nicht genug Schiffe beziehungsweise nicht genug der richtigen Schiffe«, so Hoffmann. Wegen der anhaltenden Unsicherheit bezüglich der Kraftstoffe der Zukunft und der Haltung der IMO in Sachen CO₂-Steuer würde derzeit vielerorts mit Investitionen gewartet. »Ich mache mir eher Sorgen, dass wir irgendwann eine Unterkapazität haben«, so Hoffmann.
Warum Lidl Schiffe betreibt
Mit Spannung war ein Auftritt der Manager der Reederei Tailwind Shipping Lines des Einzelhändlers Lidl erwartet worden – auf dem HANSA-Forum erstmals in der Öffentlichkeit. Im Zuge der Lieferkettenprobleme während der Corona-Pandemie überraschte die Supermarktkette Lidl, das größte Handelsunternehmen in Europa, mit der Gründung einer eigenen Reederei. Auf dem Forum stand die Frage im Raum: Bleibt Lidl bei dem Modell? Während opportunistische Newcomer von den rekordhohen Charterraten während der Pandemie profitieren wollten, setzt Lidl beziehungsweise Tailwind den Fokus anders. Die Reederei kümmert sich um die Nonfood-Ware von Lidl, die als reine Aktionsware zu bestimmten Zeitpunkten in den Filialen verkauft wird. Wie Nonfood-Geschäftsführer Tobias König auf dem HANSA-Forum erklärte, ist hier Just-in-Time entscheidend. »Nur wenn die Ware pünktlich im Regal ist, machen wir auch Umsatz.«
Dieses Konzept sei schon vor Corona im Zusammenspiel mit Linienreedereien schwierig gewesen. Durch die Lieferengpässe während der Pandemie wurde es kritisch, der Bereich Seetransport sei damals für Lidl eine »Black Box« gewesen. Mit der Gründung von Tailwind habe sich das geändert. Dabei arbeitet man weiterhin mit Reedereipartnern zusammen, kann aber mit Blick auf Produktionstermine von Ware und Aktionstermine besser planen.
Auch mit dem Ende der Corona-Pandemie bleibt die eigene Reederei daher ein attraktives Modell für Lidl, das man keineswegs aufgeben will. Tailwind hat seine Charterschiffe langfristig unter Vertrag genommen, man will sich nicht am kurzfristigen Chartermarkt betätigen und spürt aktuell auch keinen Druck zu wachsen. »Die Ware steht im Vordergrund«, sagte Tailwind-CEO und Geschäftsführer Inboundlogistik Christian Stangl.
Impressionen vom HANSA-Forum 2023 – Bildergalerie bei Flickr
Unsicherheiten und Risikoabschätzung war auch auf dem Reeder-Panel mit Martin Harren, CEO der Harren Group, Nicolaus Bunnemann, Managing Partner der AL Group, Benjamin Weinacht, Managing Director von CMB Germany und Christian Rychly, Managing Director bei MPC Capital, ein Thema. Nicht nur die großen Reedereikonzerne im Containersegment hatten zuletzt Schiffe bestellt, auch andere Player hatten in in Neubauten investiert. »Wir können nur das machen, was wir komplett überschauen können«, sagte Harren mit Blick auf die jüngsten fünf MPP-Neubauten seiner Reederei. Dabei gehe es sowohl um den Markt selbst als auch um die Antriebe der Schiffe. Bei Methanol sieht er noch große Versorgungslücken. Druck von Kundenseite, Transporte CO₂-arm abzuwickeln, sieht er noch nicht im großen Stil. Anders sehe es bei Finanzierungen aus, die Banken seien bei »nicht-grünen Projekten zurückhaltend«.
Bunnenmann, dessen Reederei derzeit mit 24 Neubauten die Flotte größtenteils erneuert, will ebenfalls erst einmal Vorsicht walten lassen. Man setzt bisher vor allem auf Effizienz und Flexibilität, was Kraftstoffnutzung und künftige Umbauten angeht. Um Unsicherheiten abzufedern, setzt MPC bei seinen neuen Containerschiffen auf Methanol und langfristige Verträge. »Es sind Feeder mit 15-Jahres-Chartern, wir wissen genau, wo sie fahren, die Kraftstoffversorgung ist gesichert«, sagt Rychly.
In Sachen Kraftstoff wagt sich die belgische CMB-Gruppe weiter vor und setzt auf Ammoniak, wie Deutschlandchef Weinacht auf dem HANSA-Forum erklärte. Die Eignerfamilie Saverys könne »nicht ohne Risiko und neue Pläne«. Alle Neubauten seien auf eine Ammoniakumrüstung ausgelegt, CMB baue parallel Wasserstoff- und Ammoniakproduktionsanlagen. »Ammoniak ist der Weg zu Net Zero«, sagte Weinacht.
Eine Verunsicherung der Reedergemeinschaft stellte auch Gaby Bornheim, Präsidentin des Verbands deutscher Reeder (VDR), fest. Insbesondere kritisierte sie die schleppenden nationalen Gesetzgebungsprozesse im Zuge internationaler Regelungen wie der Einbeziehung der Schifffahrt in den EU-Emissionshandel (EU-ETS).
Retrofit oder Neubau finanzieren?
Auch die Finanzierer kommen auf dem HANSA-Forum traditionell zu Wort. Die Stimmung auf dem Panel war positiv die Mittel und Bereitschaft zur Finanzierung des Sektors sei da, war von Banken wie von Leasing-Gebern zu hören. Die Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung der Schifffahrt ist auch für die Finanzierer zunehmend ein Thema, wie Georg-Maximilian Kuhlmann, Senior Vice President, Oceanis des Schiffsfinanzierungs-Start-ups Oceanis bestätigte. Die Oceanis-Plattform Pythia, die Reeder und Finanzierer zusammenbringt – scherzhaft als »Tinder der Schifffahrt« bezeichnet – bilde den Markt ab und da könne man diesen Trend ablesen.
Tanja Georg, Teamleiterin Maritime bei der KfW IPEX Bank erklärte dann auch: »Wir müssen schauen, welche Schiffe im Hinblick auf ESG passen, das gehört zu unserem Auftrag. Das gilt sowohl für Neubauten als auch für Retrofits von Bestandsschiffen. Das heiße, dass die Bank beispielsweise im Öl-und-Gas-Segment »eine Steuerung vornehmen« werde. Carl Rehder, Vice President Bocomm Leasing, sah Effizienzkriterien ebenfalls »als großen Treiber des Neugeschäfts«. Man müsse sich die Trades ansehen, auf denen ein Schiff eingesetzt werden solle, dabei zeige sich, dass sich der Aufpreis für effizientere Schiffe in manchen Fahrtgebieten durchaus lohne. Das chinesische Leasinghaus will sich im Hinblick darauf auch in der Retrofit-Finanzierung betätigen. »Das Investment muss sich allerdings in relativ kurzer Zeit zurückführen lassen«, sagte er.
Jan-Philipp Rohr, Global Head of Shipping bei der HCOB, warnte aber vor falschen Schlüssen: »Es macht wenig Sinn, effiziente Neubauten zu finanzieren und stattdessen ein acht Jahre altes Schiff zu verschrotten.
Hier erkannte auch Jan-Willem Cuperus, Geschäftsführer von Groot Ship Design, Dekarbonsierungspotenzial: »Man kann nicht einen großen Teil der Flotte ignorieren – Shortsea-Schiffe, Feeder, Mehrzweckschiffe etc. Da gibt es ein riesiges Potenzial etwas zu verbessern, aber keine Chance all diese Schiffe durch Neubauten zu ersetzen«, sagte er auf dem Tech-Panel. Hier war der Blick insgesamt auf die fahrende Flotte gerichtet, die noch längst nicht alle Möglichkeiten zur Emissionseinsparung und Effizienzsteigerung ausnutzt.
Despina Theodosiou, CEO des Datenspezialisten Tototheo Maritime, glaubt nicht, dass sich die Schifffahrt bewusst ist, wie sehr sie auf Konnektivität und Echtzeit-Datenanalysen angewiesen ist, um beispielsweise Kraftstoffverbrauch, Fahrpläne und Wartung zu optimieren. Dem stimmte auch Albrecht Grell, einer der Gründer von OceanScore zu, dessen EU-ETS-Tool Reedern und Shipmanagern den Emissionshandel komfortabel ermöglichen soll. »Es geht darum, effizient die Umweltvorgaben zu erfüllen. Das EU-ETS selbst macht noch nichts«, so Grell. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, müssen sich die Schiffseigner Hilfe von Experten holen und Partnerschaften eingehen. »Die Zeiten, in denen Eigner denken, dass sie komplexe Herausforderungen allein angehen können, sind vorbei«, sagte Colin Rawlins, Strategic Key Account Manager von Lloyd’s Register.
Start-ups wieder auf dem HANSA-Forum
Als Partner der Schifffahrt, die Expertise von außen in den Sektor bringen können, fungieren nicht selten Start-ups. Auch diesem Marktsektor bot das HANSA-Forum mit einem Start-up Panel wieder eine Bühne. Dabei ist es für die Jungunternehmen, die über frische Ideen und Produkte verfügen sehr wichtig, für die Weiterentwicklung nicht nur Kapital, sondern Finanzierungspartner mit Bezug zur Branche zu haben. Tim Reinsch von TecPier, dem Venture-Capital-Arm der Reederei Zeaborn erklärte: »So entsteht eine Art ›Flywheel-Effekt‹, denn es lassen sich vielleicht aus dem Investorenkreis gleich neue Partner für das Start-up finden.«
Idealerweise verfügten Gründer-Teams aber über Erfahrung aus beiden Bereichen – Schifffahrt und Unternehmensgründung. Für die Start-ups sei es so oder so positiv, auf die Hilfe sogenannter Venture-Studios zu setzen, »wie minimieren das Risiko mit unserer Unterstützung«, sagte Fabian Feldhaus von Flagship Founders. Wenn es dann darum gehe, Reedereipartner für die innovative Geschäftsidee zu finden, seien manche Reedereien sehr offen, andere überhaupt nicht, berichtete Isabelle Rickmers mit ihrer maritimen Personalvermittlung Turtle. »Auf dem Management-Level gewinnt man den Pitch oft sehr schnell, aber auf der operativen Ebene wird es schwierig«, sagte Rickmers. (fs)
Das 26. HANSA-Forum findet am 28. November 2024 statt.
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