Nach 50 Jahren auf See scheint nun Schluss zu sein: Zwei auf der ehemaligen Rickmers-Werft gebaute Fähren, die beim Schiffbauer einige finanzielle Probleme verursachten, treten ihre letzte Reise an.
1974 hatte die Rickmers-Werft in Bremerhaven die »Stena Normandica« abgeliefert, im folgenden Jahr verließ die »Stena Atlantica« die Schiffbau-Anlagen. Zuletzt fuhren sie als »Sadinia Vera« und »Moby Vincent«.[ds_preview]
Eine Zukunft haben sie nach fünf Jahrzehnten offenbar nicht mehr. Italienische Medien berichten, dass die beiden Fähren-Oldies zum Verschrotten verkauft wurden.
Rickmers-Werft baute Quartett
Die Schiffe gehörten zu einem Quartett, dass die längst nicht mehr aktive Rickmers-Werft in Bremerhaven für die schwedische Stena Line erbaut hatte. Die als »Stena Nordica« erbaute »Al Mansour« wurde schon im Jahr 2015 zur Verschrottung verkauft, somit bleibt als letztes Schiff aus dieser Serie nur noch die »Corsica Marina Seconda« von der Reederei Corsica Ferries in Fahrt.
Deutsche Werften gehörten zu Marktführern
Durch die zunehmende Mobilität in den 60er und 70er Jahren wuchs der Bedarf an neuen Verkehrsverbindungen, neue Straßen und Brücken wurden gebaut und auf den Seestrecken wurden immer mehr Fährrouten sowohl für den Fracht- als auch den Personenverkehr eröffnet. Zu dieser Zeit herrschte auf den bundesdeutschen Werftstandorten Hochbetrieb bei der Entwicklung und dem Bau immer größerer und moderner Fährschiffe. Die Meyer Werft in Papenburg, Nobiskrug in Rendsburg sowie die Schichau-Unterweser und Seebeckwerft in Bremerhaven gehörten seinerzeit mit zu den führenden Produktionsstätten für die Auto-Passagierfähren in Nordeuropa.
Die große Ölkrise von 1973 war dann ein herber Schlag für die gesamte Schifffahrtsbranche, da sich die Treibstoffkosten vervierfachten. Bald darauf wurde eine neue Generation größerer und effizienterer Fähren benötigt. Das dänische Designbüro Knud E-Hansen war seinerzeit der Pionier des Typs »Jumbo-Fähre«. Durch die Änderung des Aussehens mit nun kantigen und erhöhten Aufbauten konnte eine vergrößerte Frachttransportkapazität erreicht werden. Zudem gab es eine neue Entwicklung der Heckkonfiguration, die als »Twin Skeg« bezeichnet wird. Dadurch konnte die Übertragung der von den Propellern verursachten Vibrationen auf die hinteren Aufbauten eines Schiffes verringert werden. Die ersten Schiffe dieses Konzeptes waren die vier für Stena entworfenen Fährschiffe, die dann bei der Rickmers Werft in Bremerhaven bestellt wurden.
Die Entwürfe dieser 120 m langen und knapp 20 m breiten Fähren mit einer Kapazität für rund 1.200 Passagiere und bis zu 500 Pkw sahen somit wesentlich anders aus als die der bisherigen Fährschiffe. Sie boten nur eine geringe Anzahl an Übernachtungsmöglichkeiten und waren somit mehr als Tagesfähren konzipiert.
Von Anfang an waren die vier Stena-Fähren für das Chartergeschäft vorgesehen, so dass einige nach der Ablieferung für mehrere Jahre nach Kanada verchartert werden konnten. Erst später kehrten die Schiffe dann zurück nach Europa, kamen vereinzelt im Ärmelkanal, aber meist im Mittelmeer zum Einsatz.
»Das ist nur ein Teil der Geschichte«
Die Bremerhavener Rickmers Werft war zu der damaligen Zeit mit einer der führenden Werften für Fischereifahrzeuge. So verwunderte es, als Stena Anfang der 70er Jahre gleich vier RoRo-Fähren bei der Werft bestellte, denn bisher hatte die Werft in diesem Segment noch keine Erfahrungen sammeln können. In Hafenkreisen wurde hierzu immer wieder eine Anekdote erzählt, dass der schwedische Reeder Dan Sten Olsen privat mit seinem Segelboot auf der Nordsee unterwegs war und vor den ostfriesischen Inseln havarierte. Mitarbeiter der Rickmers Werft konnten wohl den Segler in kürzester Zeit erfolgreich reparieren, so dass daraufhin ein Kontakt zur Werft hergestellt wurde. »Das ist aber auch nur ein Teil der Geschichte«, schmunzelte der heute 77-jährige Reeder Dan Sten Olsen, Haupteigentümer, Vorstandsvorsitzender und CEO von Stena AB, als er im letzten Jahr bei der feierlichen Indienststellung der »Stena Ebba« zu diesem Gerücht angesprochen wurde, den weiteren Teil der Geschichte behielt er für sich.
Bau hinterlässt Liquiditätslücke auf der Rickmers-Werft
Schon während der Bauphase stellte sich heraus, das die Rickmers Werft den erforderlichen Aufwand für den Bau dieser Fähren falsch eingeschätzt hatte. Erschwerend kam hinzu, dass die Reederei kurzfristig umfassende Änderungswünsche forderte, was dazu führte, dass die geplanten Ablieferungstermine um bis zu sechs Monate überschritten wurden. Somit deckte der vereinbarte Baupreis nicht mehr die Kosten. Durch die Verzögerung der Ablieferung und der damit ausbleibenden Zahlungen durch den Auftraggeber entstand bei der Rickmers Werft eine Liquiditätslücke. Diese konnte die Werft nicht mehr aus eigener Kraft ausgleichen. Nur durch eine gemeinschaftliche Unterstützungszusage der Hausbanken in Verbindung mit einer Bürgschaft des Landes Bremen und der Stadt Bremerhaven konnte die Rickmers Werft damals gerettet werden.
Die jetzt zur Verschrottung anstehende »Sardina Vera« fuhr nach der Ablieferung von 1974 bis 1979 in Charter für die kanadische Reederei Marine Atlantic. Später ging es dann ins Mittelmeer. Seit 2010 wurde die »Sardina Vera« auf der Strecke von Toulon und Nizza nach L’Île-Rousse und Calvi eingesetzt.
Auch die »Moby Vincent« soll nun nicht wieder in Fahrt kommen und verschrottet werden. Diese wurde 1974 als »Stena Normandica« unter der Baunummer 380 von der Rickmers Werft abgeliefert. Seit 1990 ist die Fähre für die italienische Reederei Moby Lines im Einsatz, zuletzt auf der Strecke von Bastia nach Livorno, wo sie nun seit Oktober 2023 aufliegt. Vor kurzem wurde nun der Verkauf und die bevorstehende Verschrottung in der Türkei bekannt.
Als letztes verbleibt dann nur noch die »Corsica Marina Seconda« in Fahrt, die ebenfalls von Corsica Ferries unter italienischer Flagge betrieben wird. Die als »Stena Nautica« abgelieferte Fähre wurde anschließend als »Marine Nauticaq für verschiedene Betreiber zwölf Jahre nach Kanada verchartert. Im Juni 1986 erfolgte ein Verkauf an Corsica Ferries als »Corsica Marina II«. Sie war fortan auf der Strecke zwischen Livorno und Bastia im Einsatz und im Oktober 1999 erhielt sie ihren heutigen Namen »Corsica Marina Seconda«. (CE)