Das Emissionshandelssystem der EU (EU ETS) könnte asiatische Reedereien schon in diesem Jahr rund 500 Mio. € kosten. Wie teuer es am Ende wird, hängt vom schwankenden Kohlenstoffpreis ab.
Sobald das EU-Emissionshandelssystem (EU ETS) vollständig umgesetzt ist, müssen asiatische Reeder mit Schiffen, die von und nach Europa fahren, mit geschätzten Emissionsverpflichtungen von über 1 Mrd. € rechnen, hat das Hamburger Unternehmen OceanScore errechnet. In China und Singapur registrierte Unternehmen werden die größte Last tragen. [ds_preview]
Nach Angaben von Oceanscore müssen die in Asien ansässigen Inhaber von Konformitätsdokumenten (Document of Compliance, DoC) letztlich insgesamt zwischen 15 und 16 Mio. EU-Allowances (EUAs) oder Kohlenstoffgutschriften für Fahrten in die und aus der EU abgeben, die für 50 % der Emissionen gelten, während Hafenanläufe und Transitfahrten innerhalb der EU zu 100 % verrechnet werden.
OceanScore, das im vergangenen Jahr seinen webbasierten ETS Manager für den EUA-Handel an den Start gebracht hat, schätzt die Kosten des EU-Emissionshandelssystems für asiatische Schiffseigner auf rund 500 Mio. € in diesem Jahr, wenn sie für 40 % ihrer Emissionen bezahlen müssen, was im Rahmen der dreijährigen Einführung der Verordnung auf 70 % im Jahr 2025 und 100 % im Jahr 2026 ansteigt.
Das am 1. Januar 2024 in Kraft getretene EU-Emissionshandelssystem wird nach Angaben des Unternehmens rund 4.000 Schiffe unter asiatischer Flagge betreffen, was etwa einem Drittel der insgesamt 12.500 Fracht- und Fahrgastschiffe über 5.000 GT entspricht, die derzeit unter das EU-Emissionshandelssystem fallen. Diese befinden sich im Besitz von 400 DoC-Inhabern oder werden von diesen betrieben, darunter große Unternehmen wie die chinesische Reederei Cosco, die in Hongkong ansässige Anglo Eastern Ship Management und die südkoreanische HMM, wobei etwa die Hälfte der betroffenen Schiffe von Nicht-EU-DoC-Inhabern betrieben wird.
EU-EHS-Kosten schwanken mit CO2-Preis
Die geschätzten Gesamtkosten von 1 Mrd. € für die asiatische Schifffahrt, die auf der erwarteten Menge an EUAs beruhen, die von den regionalen DoC-Inhabern ab 2026 abgegeben werden sollen, hängen vom schwankenden Kohlenstoffpreis ab, der sich derzeit auf einem relativ niedrigen Niveau von etwa 55 €/t befindet, nachdem er im letzten Jahr zwischen 80 und 100 €/t geschwankt hat.
Der Kohlenstoffpreis wird von Angebot und Nachfrage nach EUAs diktiert, wobei die Menge der für den Handel verfügbaren Zertifikate im Rahmen des Cap-and-Trade-Systems im Laufe der Zeit schrittweise reduziert werden soll, um Anreize für Investitionen in Maßnahmen zur Reduzierung der Schiffsemissionen zu schaffen.
Der Co-Geschäftsführer von OceanScore, Albrecht Grell, sagt, dass insgesamt fast 80 Mio. EUAs von der Schifffahrtsindustrie abgegeben werden müssen, sobald das EU-Emissionshandelssystem vollständig eingeführt ist. 40 % davon werden von Unternehmen aus Nicht-EU-Ländern kommen, darunter auch aus dem Vereinigten Königreich, Norwegen und der Türkei.
OceanScore prognostiziert, dass bei vollständiger Einführung rund 5,5 Mio. EUAs von Unternehmen mit Sitz in China und Hongkong und 5,4 Mio. von Akteuren aus Singapur abgegeben werden müssen, während der Rest aus Japan (1,6 Mio.), Südkorea (1,2 Mio.) und Indien (1,1 Mio.) stammt. Bezieht man andere asiatische Länder wie Thailand und Malaysia mit ein, so steigt die Gesamtzahl der benötigten EUAs auf 20 Mio..
Bei einer Aufschlüsselung der Kosten für einzelne Unternehmen hat OceanScore berechnet, dass ein Unternehmen mit 15 Schiffen etwas mehr als 300.000 EUAs abgeben müsste, was auf der Grundlage des aktuellen Kohlenstoffpreises Kosten in Höhe von 16,5 Mio. € bedeuten würde.
Europäische Reedereien schon besser auf EU ETS vorbereitet
Auf Fahrten nach und aus Europa entfallen rund 59 % der unter das EU ETS fallenden Emissionen, gegenüber 41 % für Fahrten und Hafenaufenthalte innerhalb Europas, wobei die Kostenbelastung aufgrund des Haftungsfaktors von 50 % immer noch geringer ist als im europäischen Binnenverkehr. Langstreckentransporte in die EU können durch Zwischenstopps in Umschlaghäfen unterbrochen werden, um die Emissionsbelastung zu verringern, aber Grell sagt, dass „wir nicht sehen, dass viele Leute dies ernsthaft diskutieren“, da dies negative Auswirkungen auf die Treibstoffkosten, Wartezeiten, zusätzliche Fahrtstrecke und andere Ineffizienzen hat.
Asiatische Unternehmen stellen etwa 25 % der insgesamt 1700 DoC-Inhaber, die sich nun an die Verordnung halten müssen, die vor allem die europäischen Eigner mit einem EU-zentrierten Einsatzmuster ihrer Schiffe beschäftigt. »Wir stellen fest, dass europäische Eigner im Allgemeinen früher mit den Vorbereitungen für die Einhaltung des EU ETS begonnen haben, da es näher an ihrem Heimatort liegt und daher als eine greifbarere finanzielle Auswirkung auf ihren Betrieb wahrgenommen wird«, sagt Grell.
»Außerdem ist es für Unternehmen mit Sitz in der EU in der Regel einfacher, Konten im Unionsregister einzurichten, die für den Umgang mit EUAs erforderlich sind, und Zugang zu Handelsplattformen zu erhalten, was für Unternehmen mit Sitz in Nicht-EU-Ländern aufgrund der manchmal recht komplexen KYC-Prozesse (Know Your Customer) schwieriger ist«, sagt Grell.
Neben diesen administrativen Hindernissen seien Nicht-EU-Akteure auch dadurch benachteiligt, dass sie die verspätete Fertigstellung der Umsetzungsgesetze durch die EU nachholen müssten, um zu vermeiden, dass sie bei der Einziehung und späteren Abgabe der EUAs auf dem falschen Fuß erwischt würden. Im Rahmen dieser Maßnahmen wurde dem Schiffseigner die Verantwortung für die Berichterstattung über die Emissionen und die Abgabe der EUAs zugewiesen, die jedoch auf den technischen Leiter übertragen werden kann, wenn eine entsprechende Vereinbarung getroffen wurde.