Nach den jüngsten Aktionen Irans ist das Schreckgespenst einer Schließung der Straße von Hormus wieder da. Durch die Meerenge laufen 21 % der weltweiten LNG-Versorgung.
Der jüngste Angriff des Iran auf Israel hat die Spannungen im Nahen Osten verschärft und auch Bedenken hinsichtlich des LNG-Handels durch die Straße von Hormus (SoH) geweckt, die für Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate eine wichtige und einzig mögliche Route für den Export von verflüssigtem Erdgas (LNG) darstellt. Jede weitere Eskalation könnte sich massiv auf den LNG-Schiffsverkehr auswirken. [ds_preview]
Nach Daten des Beratungsunternehmens Drewry könnten durch eine potenzielle Schließung der Meerenge da 21 % des weltweiten LNG-Angebots davon betroffen sein. Im Jahr 2023 exportierte Katar rund 81 Mio. t LNG und die VAE 4 Mio. Tonnen, was einem Anteil von 21 % an der weltweiten Versorgung entspricht. Eine Blockade des wichtigen Seewegs würde nicht nur den Exporteuren dieser beiden Länder schaden, sondern auch wichtige Importeure dazu zwingen, sich nach neuen Quellen umzusehen. »Zwischen Asien und Europa wird sich ersteres wesentlich stärker auswirken, da 70 % der katarischen Mengen nach Asien und 20 % nach Europa exportiert werden«, so Drewry.
Für Länder wie Indien und China besteht nach Einschätzung der Analysten ein hohes Risiko, da diese Länder jährlich etwa 45 % bzw. 25 % ihrer gesamten LNG-Einfuhren aus Katar beziehen (basierend auf den Handelsstatistiken für 2023). Europäische Importeure, darunter das Vereinigte Königreich, Italien und Belgien, müssten ebenfalls LNG aus anderen Ländern beziehen, sollte die LNG-Versorgung durch Katar stocken.
»Wir halten eine vollständige Schließung der Straße von Hormuz für sehr unwahrscheinlich, da der Iran alle seine Öl- und Flüssiggasladungen durch die Straße exportiert und andere Länder des Nahen Ostens, die die Straße durchqueren, im Falle einer Sperrung schwerwiegende Folgen zu befürchten hätten. Zudem wäre die Weltwirtschaft von einem massiven Versorgungsdefizit bei natürlichen Ressourcen betroffen in, da 30 % des Erdöls, 20 % des LNGs und 40 % des LPGs von einer möglichen Sperrung betroffen wären. Dies wird sich jedoch nur kurzfristig auf LNG auswirken«, so Drewry.
Die asiatischen Spotpreise und und die europäische Gaspreis-Benchmark TTF stiegen am 20. April 2024 inmitten der Eskalation im Nahen Osten um 14 % bzw. 15 %. Die Preise liegen jetzt bei mehr als 10 $ pro MMBtu, nachdem sie in den letzten drei Monaten unter diesem Niveau gelegen hatten. Drewry geht davon aus, dass die LNG-Preise im Zusammenhang mit dem anhaltenden Konflikt im Nahen Osten volatil sein werden und Lieferkürzungen drohen
Wir gehen auch davon aus, dass der asiatische Spotmarkt seinen Aufschlag gegenüber dem TTF-Markt beibehalten wird, da jede Angebotskürzung aus dem Nahen Osten die asiatischen Abnehmer stärker treffen wird als die europäischen. Der Anstieg der LNG-Preise wird jedoch aufgrund der hohen Lagerbestände und der stabilen Gasnachfrage in Europa moderat ausfallen.
Das Ausmaß des Versorgungsengpasses wäre von der Dauer der SoH-Schließung abhängig. Nach Angaben von Drewry AIS exportiert Katar etwa 0,2 Mio. t LNG pro Tag, während die VAE fast 10.000 t pro Tag exportieren. »Wir glauben, dass die Auswirkungen einer Lieferunterbrechung aus diesen Ländern direkt proportional zur Dauer der Sperrung sein werden. Sollte der Iran SoH für einige Tage oder Wochen blockieren, erwarten wir keine größeren Auswirkungen auf den LNG-Markt und die Verschiffung, da die Nachfrage in Europa und Asien derzeit stabil bleibt«, erklärt Drewry.
Die Situation könnte sich nach Einschätzung der Marktbeobachter jedoch verschlechtern, wenn sich die Sperrung über mehrere Wochen oder Monate hinzieht, so dass monatlich etwa 5-6 Mio. t aus Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten nicht mehr geliefert werden können. Bei einer einwöchigen Unterbrechung würden rechnerisch 16-17 LNG-Tankerladungen wegfallen. Bei einer einmonatigen Blockade wören es bereits 60-70 LNGC-Ladungen.
Doch die LNG-Schifffahrt könnte nach Meinung von Drewry von einer kurzen/teilweisen Schließung der Straße von Hormus profitieren. So hätten bislang die LNGC-Spotpreise nicht auf die Eskalation reagiert. Seit Anfang dieses Monats sind die Preise aufgrund der schwachen Nachfrage, des milden Wetters und der reichlichen Lagerbestände weiter gesunken.
»Wir glauben, dass die teilweise Schließung des SoH die LNG-Schifffahrt unterstützen könnte, da die Schiffe auf der Suche nach neuer Beschäftigung vom Nahen Osten abwandern und die Importeure nach Ersatzladungen aus anderen Bestimmungsorten suchen werden, was zu einigen Verschiebungen in den derzeitigen Handelsmustern führt«, heißt es. »Obwohl die Verlagerung des Handels nur für einen kurzen Zeitraum (bis zu fünf Monate) anhalten wird, erwarten wir eine Zunahme des Handels zwischen den USA und Asien, die den LNG-Schifffahrtspreisen Auftrieb geben wird – vor allem aufgrund der enormen Schiffsabsorption, da die US-Lieferungen weiterhin das Kap der Guten Hoffnung anstelle des Panama- und Suezkanals nutzen werden, was zu einer zusätzlichen Nachfrage nach Tonnenmeilen führt«, so die Drewry-Analyse.
Drewry ist jedoch pessimistisch, was die LNG-Schifffahrt betrifft, wenn sich die vollständige Schließung der Straße von Hormus über einen längeren Zeitraum hinzieht, etwa über ein Jahr. Das würde den Markt weiter verengen, andererseits würde die Flottenverfügbarkeit zunehmen, wenn mehrere Schiffe aufgrund von LNG-Lieferengpässen nicht gebraucht werden. In diesem Jahr werden etwa 60 neue LNG-Tanker zur aktuellen Flotte hinzukommen. »Das wird zu einem Überangebot an Schiffen führen, was unweigerlich die LNG-Schiffsraten drücken wird«, so Drewry.