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Wenige Tage vor der Bundestagswahl haben mehrere Wirtschaftsverbände und Unternehmer eindringlich vor einer Regierungsbeteiligung der AfD gewarnt.
Auch der Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) war vertreten. Hauptgeschäftsführer Reinhard Lüken nannte die Partei „rückwärtsgewandt“, sie liefere nur Scheinantworten auf drängende Themen. [ds_preview]
Im Rahmen eines Pressefrühstücks in Berlin wurden die Auswirkungen populistischer Parteien auf Unternehmen, den Wirtschaftsstandort Deutschland und globale Wettbewerbsfähigkeit sowie eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) vorgestellt. Die Teilnehmer warnten vor den Folgen der finanz- und wirtschaftspolitischen Pläne der AfD. Kritisiert wurde auch der geforderte Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union. Der Studie zufolge sehen 77% der Unternehmen die Partei als Gefahr für den Wirtschaftsstandort. Internationale Talente würden durch das Programm abgeschreckt, ein „Dexit“ koste Milliarden und gefährde Jobs, und die Themenbereiche Klimaschutz und Innovation wurden als „Rückschritt“ bezeichnet.
VSM über AfD-Politik: „Unser Land braucht genau das Gegenteil!”
„Raus aus der EU, die Grenzen dicht, zurück zur D-Mark, Energiewende beenden, Windmühlen niederreißen, zurück zur Kohleverstromung, die Ukraine aufgeben und damit Europas Sicherheit, dafür Nord Stream reaktivieren, um uns an ein imperiales Russland auszuliefern – Wohlstand und Sicherheit in unserem Land brauchen genau das Gegenteil!“, zählte Lüken auf.
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„Die AfD ist schlicht rückwärtsgewandt und bietet Scheinantworten. Viele Menschen hadern mit gesellschaftspolitischen Veränderungen und wünschen sich die alten Zeiten zurück. Doch die Vorschläge der AfD funktionieren in der realen Welt nicht. Den menschengemachten Klimawandel zu leugnen, ändert die Physik nicht. Neue Atomkraftwerke rechnen sich nicht. Gas aus Russland macht Putin nicht weniger gefährlich, im Gegenteil. Ein europäischer Binnenmarkt der Vaterländer, in dem jede Nation eine Wir-zuerst-Politik betreibt, kann nicht funktionieren.“
Alle „Nostalgiker“, die von einem isolierten Deutschland träumten, würden die Nation bei den Themen Sicherheit, Arbeitsmarkt, Handel und Klimaschutz „in den Abgrund“ führen, warnte Lüken.
Wirtschaftsvertreter warnen vor Regierungsbeteiligung
Dem schlossen sich weitere Vertreter aus der Wirtschaft an. Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie, warnte vor einem Wohlstandsverlust und kritisierte die Innovationsfeindlichkeit der Partei. „Wer den Klimawandel leugnet und Zukunft nicht als Chance versteht, besiegelt den langfristigen wirtschaftlichen Abstieg.“
Evonik-Vorsitzender Christian Kullmann sprach die Verunsicherung über die wirtschaftliche Perspektive an, die man bei vielen Menschen beobachte. Diese übersetze sich in eine Sehnsucht nach einer „einfachen Antwort“, die trügerische Sicherheit verspreche. Dem müsse man mit Bildung und wirtschaftlichem Wachstum begegnen.
Ingrid Rieken, Personalvorständin bei MAN Energy Solutions, nannte Demokratie und Vielfalt „zentrale Standortfaktoren“ – Rechtsextremismus sei hingegen schädlich und „mit unserer Wirtschaft nicht vereinbar.“
Fabian Zacharias, Teil der Geschäftsleitung beim Kommunikationsverband Bitkom, bemängelte die Ausrichtung der AfD, die den Zielen und Grundwerten Deutschlands „diametral entgegen“ stehe. „Wir müssen die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft steigern, unsere digitale Souveränität stärken und gleichzeitig die Teilhabe an der digitalen Gesellschaft für alle Menschen in Deutschland verbessern“, sagte er.
Die vorgezogene Bundestagswahl findet am 23. Februar 2025 statt, der Wahlkampf befindet sich in der finalen Phase. Eine Regierungsbeteiligung der AfD, die in Umfragen bei ca. 20% liegt, erscheint nach aktueller Lage allerdings unwahrscheinlich. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz schloss mehrmals aus, eine Koalition mit der AfD in Betracht zu ziehen. Stattdessen plane die CDU, die derzeit mit 30% die Umfragen anführt, nach der Wahl die Gespräche mit SPD und Grünen suchen zu wollen.
Die IW-Studie „Rechtsaußen-Erstarken in Deutschland: Implikationen für den Wirtschaftsstandort“ kann auf der Website des Instituts heruntergeladen werden.