VDR, Kröger, Bornheim
VDR-Präsidentin Gaby Bornheim und Geschäftsführer Martin Kröger (© VDR / Ulrich Perrey)

Die Handelsschifffahrt in Deutschland hat sich im vergangenen Jahr positiv entwickelt, wie der Verband Deutscher Reeder (VDR) auf seiner Jahrespressekonferenz mitteilte.

Weiterhin sei sie ein Garant für eine stabile Wirtschaft und die Versorgungssicherheit des Landes. Aktuelle Entwicklungen geben allerdings Grund zur Sorge. [ds_preview]

Rund 62% der deutschen Exporte und 60% der Importe werden über die Schifffahrt abgewickelt. Laut VDR sei dies ein Beleg dafür, wie essenziell ein funktionierender Seehandel sowie eine wettbewerbsfähige Handelsflotte für den Fortbestand Deutschlands seien. Auf die fast 290 Reedereien im Land – der Großteil davon mittelständisch geprägt – entfallen derzeit 1.764 Schiffe. Das entspricht einem leichten Rückgang im Vergleich zum letzten Jahr, als der VDR 1.800 Schiffe verzeichnete. Die gesamte Bruttoraumzahl nahm mit 47,4 Mio. BRZ jedoch leicht gegenüber 2024 mit 47 Mio. BRZ zu. Demnach fahren weniger, dafür aber größere Schiffe. 20% der Flotte bestehe außerdem aus Neubauten. Laut Angaben des Verbands sichere die Schifffahrt 500.000 Arbeitsplätze in der maritimen Wirtschaft und bilde im Krisenfall einen „lebenswichtigen Verkehrsträger zur Sicherung der Versorgung der Bundesrepublik mit wichtigen Gütern, Rohstoffen und Energie“.

VDR fordert starke deutsche Handelsschifffahrt

Das stelle auch VDR-Präsidentin Gaby Bornheim in den Vordergrund: „Ohne eine starke, eigenständige Handelsschifffahrt gibt es weder wirtschaftliche Stabilität noch nationale Sicherheit“, sagte sie, „gerade in Zeiten, in denen die geo- und handelspolitischen Risiken stetig zunehmen.“

Als Krisenherde nannte der Reederverband die Sabotagefälle in Nord- und Ostsee, die Angriffe der Huthi im Roten Meer sowie durch den russischen Krieg gegen die Ukraine auch das Schwarze Meer. Weiterhin richte man den Blick auch mit Sorge auf die Arktis sowie das Südchinesische Meer und die Straße von Taiwan. Die Konflikte – teils offen, teils schwelend – würden nicht nur den globalen Handel stören, sondern bedeuteten auch ein Risiko für die Sicherheit deutscher Handelsschiffe.

Besonderes Augenmerk lenkte der Verband auf die protektionistische Zollpolitik der USA unter Präsident Trump. „Nationale Interessen dürfen nicht auf Kosten des freien, globalen Warenflusses gehen“, mahnte der VDR. Höhere Zölle würden Lieferketten zerschneiden und Transportkosten steigen lassen – für Reedereien bedeute dies nicht nur längere Handelswege, sondern auch eine erhebliche Planungsunsicherheit.

„Worte werden uns nicht helfen“

Damit wachse auch für Deutschland die Notwendigkeit zur langfristigen Sicherung der eigenen Versorgung und als strategische Antworten auf die sich verändernde globale Handels- und Sicherheitsarchitektur die eigene Handelsflotte zu stärken und ihren Bestand zu sichern. „Wir sind auf uns allein gestellt“, sagte VDR- Hauptgeschäftsführer Martin Kröger. „Worte werden uns nicht helfen – Schiffe schon.“ Trump sei dabei, „den Westen abzureißen“ – die transatlantische Zusammenarbeit gehöre damit der Vergangenheit an. „Als führende Exportnation und rohstoffarmes Land sind wir auf gesicherte und freie Handels- und Seewege angewiesen“, so Kröger weiter. „Es bedarf einer konsequenten nationalen maritimen Sicherheitsstrategie, einer verstärkten Marinepräsenz und einer intensiveren Kooperation zwischen Sicherheitsbehörden und der Handelsflotte. Sicherheit kostet – Zögern kostet mehr.“

Obwohl Deutschland als bedeutender Schifffahrtsstandort weiter stark aufgestellt ist, offenbart der internationale Vergleich auch Herausforderungen: In der Containerschifffahrt steht Deutschland (30,2 Mio. BRZ) mittlerweile hinter der Schweiz (34,7 Mio. BRZ, insbesondere durch die Linienreederei MSC) und China (31 Mio. BRZ) auf Rang drei – ein deutliches Signal für den intensiven Wettbewerb auf globaler Ebene. Der VDR fordert daher eine gezielte und langfristig angelegte Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Reedereien und des deutschen Schifffahrtsstandortes, um international den Anschluss nicht zu verlieren.

„Der internationale Wettbewerb der Handelsflotten und Schifffahrtsstandorte ist hoch und dynamisch – der Konkurrenzdruck zunehmend spürbar. Wir müssen die Wettbewerbsfähigkeit unserer deutschen Handelsflotte langfristig sichern und konsequent insbesondere unseren maritimen Mittelstand stärken“, so Kröger.

80% der Reedereien gehören zum Mittelstand

Die Mehrzahl der deutschen Reedereien ist mittelständisch geprägt. 80% der Unternehmen haben weniger als zehn Schiffe. Jedes zweite Schiff der deutschen Handelsflotte fährt unter der Flagge eines EU-Landes, insbesondere unter der deutschen und portugiesischen.

Als besonders positiv konnte der Verband in diesem Jahr die Situation für junge Beschäftige in der Schifffahrt notieren. Die Zahlen der Berufsanfänger in der Schifffahrt sind im Ausbildungsjahr 2024 um 14% gestiegen. Mit 499 Neueinsteigern auf See (Vorjahr 418) und 214 an Land (Vorjahr 208) zeige dies, dass immer mehr junge Menschen die vielfältigen Chancen und Zukunftsperspektiven der Schifffahrt erkennen – ein wichtiger Baustein zur Sicherung des maritimen Knowhows und damit der Stärkung des deutschen Schifffahrtsstandorts, aber auch für die Transformation der Branche zur Klimaneutralität.

„Die Schifffahrt braucht visionäre und motivierte Nachwuchskräfte, die nicht nur die Zukunft der Branche aktiv gestalten wollen, sondern auch mit uns den entscheidenden Schritt in eine klimaneutrale Ära wagen. Es ist äußerst ermutigend zu beobachten, wie immer mehr junge Talente die riesigen Chancen in der Schifffahrt erkennen und voller Begeisterung diese Herausforderung annehmen,“ erklärt Präsidentin Bornheim.

VDR beklagt Verwaltungaufwand

Weniger positiv äußerte man sich über Herausforderungen in der Verwaltung, vor der die Schifffahrt stehe. Neben den geo- und handelspolitischen Unsicherheiten werden gerade deutsche Reedereien mit einem immer dichter werdenden Verwaltungsdschungel in Europa konfrontiert. Doppelte Meldepflichten und regionale Sonderregelungen im Klimaschutz belasten den Schiffsbetrieb unnötig und mindern die Wettbewerbsfähigkeit. „Es ist höchste Zeit, dass Europa und Deutschland ihre zweifelhafte Führungsrolle in überbordender Bürokratie und in regionalen Sonderregelungen ablegen. Schlankere Prozesse und international einheitliche Klimaschutzauflagen sind unabdingbar, um Deutschlands Wirtschaftskraft auf See zu sichern“, so Kröger.