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Die HANSA führte anlässlich des 125-jährigen Firmenjubiläums ein Interview mit dem geschäftsführenden Gesellschafter der Vogemann-Gruppe, Udo Wiese. Im Jahre 1950 geboren, hat er in über vierzig Jahren in diesem Unternehmen seine Erfahrungen sowohl im Chartering als auch im Finanzierungsgeschäft und Schiffs-Operating gesammelt. 1968 begann seine Karriere als Lehrling bei H. Vogemann, zehn Jahre später wurde er dort als der jüngste Partner aller Zeiten aufgenommen und führte die Firma 2001 als einer der führenden Köpfe der Trocken-Massengutfahrt in Deutschland wieder zurück in das Reedereigeschäft und Schiffs-Management.

Die HANSA gratuliert zum 125. Jubiläum der Vogemann-Gruppe. Ihr Unternehmen, das sich überwiegend als Schiffsmaklerfirma betätigt hat, übernahm[ds_preview] zwischendurch auch immer wieder die Rolle als Schiffseigner. Nach einer längeren Pause sind Sie dann erneut in das Reedereigeschäft mit Massengutfrachtern eingetreten, lange bevor die Entwicklung in China vorhersehbar war. Welche Motivation steckte hinter dieser Entscheidung?

Udo Wiese: Die Vogemann-Gruppe hat ihre Wurzeln im Reedereigeschäft. Durch die beiden Weltkriege wurden jeweils die Flotten vollständig zerstört. Nach dem Zweiten Weltkrieg konzentrierten wir uns dann auf das Maklereigeschäft. Die Reedereigesellschaft existierte – wenn auch ohne Schiff – immer weiter. Durch unsere guten Kontakte ergab sich dann zunächst Mitte der 90er Jahre wieder eine Möglichkeit, in das Reedereigeschäft einzusteigen. Alte Traditionen wiederzubeleben, Risikoverteilung und auch mein persönliches Interesse am Reedereigeschäft waren die wesentlichen Triebfedern.

Früher galt Griechenland als die klassische Domäne für Massengutfrachter. Mittlerweile hat sich das Verhältnis immer mehr nach Ostasien verschoben. Aber auch in Deutschland stieg die Anzahl der Bulkcarrier-Neubauten in letzter Zeit erheblich an. Besteht nicht die Gefahr einer Übersättigung des Marktes, wenn man sich den Zulauf neuer Schiffe dieses Typs in den kommenden Jahren ansieht?

U. Wiese: Sie haben grundsätzlich Recht mit Ihrer Aussage, dass in den kommenden Jahren sehr viele Schiffe aller Größenklassen in den Markt eintreten werden. Diese Anzahl wird die Schiffe, die gleichzeitig den Markt aufgrund des Alters verlassen werden, bei Weitem übersteigen. Eine reine Zahlenbetrachtung der Zugänge und Abgänge beschreibt die Situation aber meines Erachtens unzureichend. Entscheidend wird sein, wie sich die Handelsströme zukünftig entwickeln werden. Dass China der entscheidende Faktor sein wird, ist aus meiner Sicht sicher. Ein weiterer wichtiger Faktor wird die Entwicklung in Indien sein. Insofern fällt eine Prognose, anhand des Orderbuches im Verhältnis zur fahrenden Flotte schwer. Richtig ist auch, dass die Werftkapazitäten in den letzten Jahren stark ausgeweitet wurden und nun nach Beschäftigung suchen. Weitere Neubauten – sofern Finanzierungen vorhanden sind – dürften bestellt werden. Grundsätzlich sind wir aber aufgrund der weltwirtschaftlichen Entwicklung für die Zukunft der Bulkschifffahrt optimistisch.

Im Jahre 2006 folgte der erste Schiffsneubau in Ihrer neueren Reedereigeschichte. Ihre Flotte von heute 23 Schiffen wurde zu einem großen Teil auf japanischen und chinesischen sowie auf koreanischen Werften gebaut. Für Ablieferung in diesem und dem nächsten Jahr haben sie nun eine ganze Serie von Handysize-Bulkcarriern in Indien bestellt. Könnten Sie einmal die aus Ihrer Sicht größten unterschiedlichen Erfahrungen beschreiben, die Sie in den verschiedenen Schiffbauländern gemacht haben?

U. Wiese: Die Erfahrungen mit japanischen und koreanischen Werft sind sehr ähnlich: Relativ hohe Preise bei guter bis sehr guter Qualität und hoher Termintreue. Änderungen während der Bauphase sind tunlichst zu unterlassen, da sie den auf Stunden getakteten Zeitplan stören. Hohe Verlässlichkeit auf allen Ebenen. In China sind die Preise geringer, dafür aber auch die Qualität. Besser man hat Absprachen schriftlich gemacht, damit man sich auch später daran erinnert. Es mag eine Platitüde sein: Ohne eine gute Bauaufsicht werde ich als Reeder Schiffbruch erleiden, sofern es sich nicht um eine der japanischen oder koreanischen Qualitätswerften handelt. Wir haben allerdings auch in China mit Werften zusammengearbeitet, die nah an die Qualität der koreanischen Werft heranreichten. Dann werden aber auch entsprechende Preise für diese Schiffe aufgerufen.

War die Entscheidung für ABG in Indien allein im angebotenen Preis begründet?

Udo Wiese: Der Preis hat bei der Entscheidung für die ABG-Werft zwar auch eine Rolle gespielt, war aber nur ein Kriterium von vielen anderen. Wir sind, genau wie die Werft, an einer langfristigen Zusammenarbeit interessiert. In der Nähe von Mumbai entsteht eine hochmoderne Werft, die das von uns mitentwickelte Design umsetzen wird. Dies ist ein großer Vorteil gegenüber anderen Werften, die nur ein Design je Größenklasse anbieten. Hier waren wir in der Lage, unsere Vorstellungen gemeinsam mit der Werft umzusetzen.

Sehen Sie eine Gefahr für den zukünftigen Bulkermarkt darin, wenn China, das immer mehr selbst im Reedereigeschäft aktiv wird, diesen Markt zunehmend bestimmen wird? Auch von großen Rohstofflieferanten wie zum Beispiel Vale in Brasilien hört man, dass sie eigene Flotten von Megaschiffen in Auftrag gegeben haben. Nach dem Hype der vergangenen Jahre hat sich die Stimmung ja momentan offensichtlich etwas abgekühlt?

U. Wiese: Die Stimmung Mitte 2008 war genauso übertrieben wie die heutige Stimmung. Die große Schwierigkeit als Makler ist es, sich nicht von allen Stimmungen der Marktteilnehmer anstecken zu lassen. Manchmal fehlt es an einer gewissen Distanz, um Entwicklungen richtig einordnen zu können. Ich teile Ihre Befürchtungen nicht, dass China und große Rohstofflieferanten das Reedereigeschäft für eigene Ladungen weitestgehend selbst durchführen werden. Wir sehen aber auch, dass gewisse Teile der Ladungsmengen durch eigene Schiffe transportiert werden. Diese Entwicklung gibt es auch in der Containerschifffahrt. Die großen Linienreedereien haben immer auch einen gewissen Anteil an eigener Tonnage. Der weit überwiegende Teil wird aber vom Markt eingechartert.

Wenn man als Experte – und als solcher gelten Sie im Markt – eine Serie von 13 neuen Schiffen bestellt, muss man in dem georderten Schiffstyp und seiner Größe ein besonderes Potential vermuten. Beabsichtigen Sie, die Neubauten auch auf dem freien Markt zu beschäftigen, oder stehen hinter dem Projekt überwiegend langfristige Verträge?

U. Wiese: Hinsichtlich des Beschäftigungskonzeptes unserer Neubauten streben wir einen Mix aus kurz-, mittel- und langfristigen Beschäftigungen an. Beim Abschluss der jeweiligen Charter ist für uns nicht nur die absolute Höhe der erzielbaren Charterrate entscheidend, sondern die Qualität des Geschäftspartners spielt für uns eine ausschlaggebende Rolle. Dies ist auch für die finanzierenden Banken wichtig, die bonitätsstarke Befrachter für die finanzierten Schiffe fordern und die eine reine Spotbeschäftigung für alle Schiffe aus Risikogesichtspunkten ablehnen würden.

Sie sind seit 43 Jahren als Shipbroker und -operator bei H. Vogemann tätig und haben fast ein halbes Jahrhundert Schifffahrts­erfahrung gesammelt. Was hat sich Ihrer Einschätzung nach in der Massengutfahrt in den letzten Jahren gegenüber früher entscheidend geändert?

Udo Wiese: Die rapide Weiterentwicklung der Kommunikationswege ist aus meiner Sicht die größte Veränderung in den letzten Jahren. Sie führt zu deutlich höheren Geschwindigkeiten, mit der die Geschäfte geschlossen werden. Einher damit geht eine stark gestiegene Transparenz der Märkte. Nach wie vor geht es aber um persönliche Kontakte, bei denen Werte wie Vertrauen und Zuverlässigkeit entscheidend sind. Hinsichtlich der Märkte haben Schwankungsbreiten aber auch die Schwankungsgeschwindigkeiten stark zugenommen. Saisonale Einflüsse sind nach wie vor wichtig, haben aber ihre Dominanz verloren.

Im Containergeschäft beobachten wir einen Hang zur Gigantomanie. Ist dies auch für die Massengutschifffahrt zu erwarten oder wie sieht Ihrer Meinung nach der Bulkcarrier der Zukunft aus?

U. Wiese: Ich glaube nicht, dass wir die Entwicklung der Containerschifffahrt in diesem Umfang auch in der Bulkerflotte sehen werden. Im Bereich der Erztransporte ist eine ähnliche Entwicklung möglich, Sie hatten hierzu eben bereits die VLOC-Bestellungen des Minenbetreibers Vale erwähnt. Wir sehen aber auch, welche Akzeptanzprobleme neue Größen wie Postpanamaxe oder Babycaper im Befrachtungsmarkt haben. Die Handelsusancen verändern sich sehr viel langsamer als in der Containerschifffahrt. Was wir meiner Meinung nach sehen werden, ist, dass ein deutlich größeres Augenmerk auf den Verbrauch der Schiffe gelegt wird. Schiffe, die weniger verbrauchen, werden einen deutlichen Vorteil bei den Chartern haben, der sich auch in den zu erzielen Charterraten widerspiegeln wird.

Neben Ihrem angestammten Massengutgeschäft haben Sie auch zwei Produktentanker in Ihre Flotte aufgenommen. Gedenken Sie auch diesen Sektor weiter auszubauen – oder vielleicht auch noch in andere Segmente einzusteigen?

U. Wiese: Wir sind grundsätzlich für alle Marktsegmente offen. Unsere Kernkompetenz liegt aber ganz klar im Bereich der Bulkschifffahrt. Dies wird sich in den nächsten Jahren auch nicht verändern.

Herr Wiese, vielen Dank für die offenen Antworten. Die Hansa wünscht Ihnen und dem Unternehmen weiterhin viel Erfolg.