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Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) hat angeboten,

eine Notfall-Leitstelle für Unfälle in Offshore-Windparks aufzubauen. Bei den Betreibern stößt der Vorstoß auf positive Resonanz.

Ein Treffen in der DGzRS-Zentrale in Bremen, bei dem interessierten Windparkbetreibern Ende Januar das Konzept vorgestellt wurde, war langfristig[ds_preview] geplant worden. Dass die Zusammenkunft aller­dings eine traurige Aktualität bekommen würde, hatte im Vorfeld wohl niemand geahnt: Tags zuvor war bei einem tragischen Unfall ein Arbeiter im Baufeld »Bard Offshore 1« in den Tod gestürzt. Der Leichnam des verunglückten Industriekletterers konnte erst zweieinhalb Tage später vom 40 m tiefen Grund der Nordsee geborgen werden. Ein zweiter Mit­arbeiter hatte sich unverletzt in Sicherheit bringen können.

Die Seenotretter gehen davon aus, dass in etwa zehn Jahren mindestens 1.000 Menschen zeitgleich in den verschiedenen Hochseewindparks der Nord- und Ostsee unterwegs sein werden, um Bau-, Reparatur- und Wartungsarbeiten zu verrichten. Dass die Zahl der Unfälle in den kommenden Jahren steigen wird, ist somit abzusehen. Zur Koordinierung der in Notfällen erforderlichen Rettungsmaßnahmen soll nun eine Leitstelle aufgebaut werden, die räumlich an die DGzRS-eigene Seenotleitung MRCC (Maritime Rescue Coordination Centre) in Bremen angelehnt ist. Vorrangig gehe es dabei zunächst um Koordinie-

rungsaufgaben für das betriebliche Unfallmanagement, erläutert Kapitän Udo Helge Fox, Leiter des Rettungsdienstes und Mitglied der Geschäftsführung der DGzRS. Mittel- bis langfristig könne darüber hinaus auch die ständige Luft- und Seeraumbeob­achtung als weitere Aufgabe hinzukommen. »Eine Arbeitsgruppe soll nun so schnell wie möglich die praktische Umsetzung erster Schritte vorantreiben«, so Fox.

Betreiber sollen die Kosten übernehmen

Zunächst soll die Arbeitsgruppe möglichst rasch rechtliche und finanzielle Fragen klären sowie den Aufgabenumfang der »Notfall-Leitstelle Offshore-Windparks« definieren. Ziel ist, dass die Einrichtung noch in diesem Jahr den provisorischen Betrieb aufnehmen kann. Was sie eigentlich schon getan hat, wie der jüngste Unfall belegt: Die Seenotleitung Bremen hatte hier das im Baufeld befindliche Installationsschiff als »Einsatzleiter vor Ort« eingesetzt, zwei Seenotkreuzer alarmiert sowie den Einsatz zweier Hubschrauber von Bundespolizei und Deutscher Marine koordiniert.

»Es hat sich gezeigt, dass ein solcher Notfall derzeit noch ganz gut bearbeitet werden kann«, sagt DGzRS-Sprecher Christian Stipeldey. Die vorhandenen Strukturen hätten so funktioniert, wie man sich das für die geplante Leitstelle später »in groß« vorstelle. Feststehe allerdings: »Was noch kommt, können wir mit den jetzigen Kapazitäten irgendwann nicht mehr abdecken.«

Von der anstehenden Aufgabendefinition hängt es nun ab, ob möglicherweise ein neues Gebäude für die Notfall-Leitstelle errichtet werden muss. Sollte das erarbeitete Konzept eins zu eins umgesetzt werden, rechnen die Seenotretter mit jährlichen Betriebskosten von bis zu 10 Mio. €, die von den Windparkbetreibern übernommen werden sollen. »Erste positive Signale hat es gegeben«, betont Stipeldey. Letztlich sei das auch eine vergleichsweise günstige Lösung, da andernfalls jeder Betreiber selbst eine Notfall-Leitstelle einrichten müsste.

Angesichts der zunehmenden Aktivitäten in der Offshore-Windindustrie wird es höchste Zeit für einheitliche Regelungen, die die Sicherheit der Arbeiter auf hoher See bestmöglich gewährleisten. Bislang wartet die Branche jedoch vergeblich darauf. Zwar muss jeder Windpark-Errichter im Rahmen des Genehmigungsverfahrens ein Schutz- und Sicherheitskonzept vorlegen, doch kommen die einzelnen Vorgaben hierfür aus vielen verschiedenen Bereichen: Einen Gesamtrahmen, an dem sich die Errichter verbindlich entlangarbeiten können, gibt es noch nicht.

Ebenfalls ungeklärt ist die Frage, ob Arbeiter in Offshore-Windparks einen Anspruch auf staatliche Notfallversorgung haben – und falls ja, in wessen Zuständigkeit diese dann fällt. Das Havariekommando in Cuxhaven, mit dem die DGzRS den Aufbau der geplanten Leitstelle eng abgestimmt hat, hatte schon vor Monaten ein Strategiepapier »Sicherheitskonzepte auf See« erarbeitet, das seither zur Bearbeitung im Bundesverkehrsministerium liegt. Welche Aufgaben der gemeinsamen Einrichtung von Bund und Küstenländern künftig in einem umfassenden Offshore-Rettungskonzept zukommen werden, muss noch geklärt werden. Havariekommandoleiter Hans-Werner Monsees hatte in der Vergangenheit mehrfach angeboten, Kompetenzen und Erfahrungen aus dem Unfallmanagement einzubringen.

Laut DGzRS-Sprecher Stipeldey soll das Havariekommando künftig, wie auch bisher schon bei Unfällen auf See, bei Großschadenslagen zum Einsatz kommen und das Notfallmanagement koordinieren. Eine solche sogenannte »komplexe Schadenslage« liegt laut festgeschriebener Definition dann vor, wenn eine Vielzahl von Menschen, die Umwelt, Sachgüter von bedeutendem Wert oder die Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs gefährdet sind und eine einheitliche Führung mehrerer Aufgabenträger erforderlich ist, um das Problem in den Griff zu bekommen.

Bei Unfällen in Offshore-Windparks dürfte diese Definition jedoch in den seltensten Fällen zum Tragen kommen: Voraussichtlich müsste hier also eine neue Begrifflichkeit eingeführt werden, wenn das Havariekommando in ein Rettungskonzept einbezogen werden soll. Um bei der Sicherheitsfrage weiterzukommen, hat das Kuratorium Maritime Notfallvorsorge das Thema auf die Tagesordnung seiner nächsten Sitzung Anfang März gesetzt.
Anne-Katrin Wehrmann