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In Folge der rasanten Industrialisierung Asiens steigen auch die Konsumbedürfnisse in der Region. Das hat erhebliche Auswirkungen auf den Handel mit Früchten und anderen verderblichen Waren, wie sich auf der Messe Fruit Logistica in Berlin zeigte. Auch Speditionen und Reeder müssen ihre Strategien anpassen.

Der Seeverkehr mit Obst, Gemüse, Fleisch und anderen verderblichen Produkten gilt allgemein als krisensicher, da bei den Grundbedürfnissen auch in[ds_preview] schwie­rigen wirtschaftlichen Zeiten kaum gespart wird. Global gesehen wächst das Verkehrs­aufkommen laut Schätzungen kontinuierlich im unteren einstelligen Prozentbereich.

Trotzdem kann von Stabilität kaum die Rede sein. Je nach Wetterverhältnissen, Ernten und Weltmarktpreisen können einzelne Warenströme vorübergehend zusammenbrechen. So sollen in Ecuador – dem führenden Bananenexportland – dieses Jahr in einigen Wochen bis zu 25 % weniger gelbe Früchte als üblich über die Kaimauern ­gegangen sein, nachdem Überschwemmungen große Teile der Ernte vernichtet hatten, wie ein Kühlschiffsmakler gegenüber der HANSA auf der Branchenmesse Fruit Logistica in Berlin berichtete.

Neben kurzfristigen Schwankungen stellen sich Dienstleister aus Schifffahrt und Spedition für verderbliche Ware auf eine zunehmende Verlagerung der Verkehre Richtung Asien ein. Traditionell gilt Europa als größter Fruchtimportmarkt der Welt, doch mit dem Wachstum der Mittelschicht und des Konsumbedarfs in den asiatischen Ländern verzeichnen viele Exporteure dort längst die höchsten Steigerungsraten.

»Bei den globalen Ladungsströmen zeichnen sich kolossale Veränderungen ab«, sagte Ole Schack Petersen, Global Head of Reefer Logistics bei der zur Maersk-Gruppe gehörenden Spedition Damco. »Europa wird dieses Jahr wohl weniger einführen, in den USA bleibt die Nachfrage stabil, und in Asien sowie dem Mittleren Osten erwarten wir deutlich mehr Geschäft. Das dürfte eine Herausforderung werden.« Für Transport und Abwicklung von Reefer-Ladung sei Spezial-Know-how erfor­derlich, das in einigen Regionen kaum verfügbar ist. Speziell in Indien und China seien Fachleute für die Import­abwicklung und Nachläufe absolute Mangelware. »Man muss die richtigen Reefer-Experten erst mal dort finden, wo sie benötigt werden«, unterstreicht Petersen.

Einige wichtige Exportländer für Früchte wie Südafrika hatten bereits im Vorjahr deutlich höhere Anteile ihrer Ernte nach Asien geliefert. Dort werden spürbar höhere Erzeugerpreise bezahlt als auf den saturierten Märkten Europas, wo die Lebensmittelhändler mit scharfen Preisnachlässen um Kunden buhlen. Außerdem sind im Bereich der Lebensmittelsicherheit die Nachweispflichten weniger streng als in Europa. So kann auch qualitativ schlechtere Ware noch gut abgesetzt werden.

In Europa wiederum dürften sich dieses Jahr neben den wirtschaftlichen Problemen auch die hohen lokalen Bestände bei einigen Obstarten wie Äpfeln dämpfend auf ­

die Einfuhren auswirken, erklärte Damco-Manager Petersen. Die südafrikanischen Zitrus-Exporteure stellen sich bereits auf eine dürftige Saison ein. »Nordeuropa wird dieses Jahr ein schwieriger Markt bleiben«, sagte Justin Chadwick, Geschäftsführer der Citrus Growers’ Association of Southern Africa. Seit der Rezession von 2009 hätten sich die Preise in Europa nicht erholt. Zudem zeichne sich in den kommenden Jahren ein zunehmender Wettbewerb durch neue Lieferanten in Marokko, Ägypten und der Türkei ab. »In diesen Ländern wird neu angepflanzt, als gäbe es kein Morgen«, so Chadwick.

Die Argentinierin Betina Ernst, die als Beraterin für Exportverbände in Südamerika arbeitet, sieht speziell bei Erzeugern an der Westküste Südamerikas eine zunehmende Orientierung auf Asien. In der Saison 2010/11 sind die Fruchtlieferungen aus Chile nach Fernost nach Verbandsangaben um 28 % gegenüber dem Vorjahr auf knapp 343.000 t hochgeschossen. Auch 2012 seien deutliche Steigerungen zu erwarten. »Die Exporteure setzen große Hoffnungen auf die asiatische Region«, so Ernst. An der Ostküste Südamerikas sei die Situation hingegen differenzierter. Aufgrund der weiten Wege und langen Transitzeiten nach Asien falle es den Lieferanten dort schwer, sich auf Asien auszurichten. Zumindest die Exporteure in Uruguay zeigten aber erhöhtes Interesse, erklärte Ernst.

Um das steigende Reefer-Verkehrsaufkommen von Südamerika und Südafrika Richtung Asien vernünftig bewältigen zu können, müssen die Container-Reedereien, die heute den Großteil der verderblichen Ware befördern, ihre Liniendienste und Container-Logistik anpassen. Bei Kühlcontainern kommt es immer wieder zu Eng­pässen. Zudem ist die gewinnbringende Auslas­tung der Behälter angesichts der Zersplitterung und Saisonalität der Warenströme schon heute schwierig genug. Mit Asien werde das Puzzle noch komplexer, meint Thomas Eskesen, Leiter der Reefer-Sparte bei Maersk Line. »Die steigenden Anforderungen an Dienstleister wie Maersk in Bezug auf Flexibilität und globale Deckung sind eindeutig.«


Michael Hollmann