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Das Hamburger Landgericht bleibt nach 105 Verhandlungstagen im Strafmaß unter den Anträgen der Staatsanwaltschaft. Die somalischen Piraten erhalten Haftstrafen zwischen zwei und sieben Jahren

Nach fast zwei Jahren Verhandlungsdauer und insgesamt 105 Verhandlungstagen sprach der Vorsitzende Richter Bernd Steinmetz vor dem Landgericht Hamburg das[ds_preview] Urteil im spektakulärsten Piratenprozess seit Störtebekers Zeiten: Die sieben Erwachsenen und drei heranwachsenden Somalier wurden zu Freiheitsstrafen zwischen zwei und sieben Jahren verurteilt. Damit blieben die verhängten Strafen hin­ter den Anträgen der Staatsanwaltschaft zu­rück; sie hatte sechs bis zwölf Jahre Gefängnis für die sieben erwachsenen Angeklagten sowie vier bis fünfeinhalb Jahre für die drei jüngsten gefordert.

Dabei waren die Fakten eigentlich eindeutig. Den zehn Männern wurde vorgeworfen, den deutschen Frachter »Taipan« am 5. April 2010 vor der somalischen Küste entführt zu haben. Niederländische Ma­rinesoldaten konnten das Containerschiff befreien und zehn Somalier an Bord festsetzen. Es wurden schwere Waffen gefunden und sichergestellt. Die mutmaßlichen Piraten wurden an die deutschen Behörden übergeben.

In seinem Urteil berücksichtigte das Gericht zwar die schwierigen Lebensumstände in Somalia als strafmildernd, sah darin aber keine die Tat rechtfertigende oder entschuldigende Notstandslage. Zwar herrschten in Somalia tatsächlich katastrophale Lebensbedingungen aufgrund des Bürgerkrieges, aber dass die Angeklagten zur Sicherung ihres Überlebens keine andere Alternative als die Piraterie gehabt hätten, sei nicht ersichtlich gewesen. Auch die Behauptung, wegen Überfischung der Seegründe vor Somalia bleibe den Küstenbewohnern nur noch die Piraterie, ist laut dem Gericht eine »unzutreffende Rechtfertigungslegende«. Die Hansa hatte darauf bereits kurz nach Prozessbeginn hingewiesen. Außerdem hät­ten die Angeklagten selbst berichtet, vor der Tat als Arbeiter im Steinbruch, als Hafenarbeiter, Mechaniker oder Wachleute gearbeitet zu haben. Der Überfall auf die »Taipan« sei also keine spontane Verzweiflungstat zehn verarmter Fischer gewesen. Auch die Einlassung von vier Angeklagten, sie seien für die Pirate­rie mittels Täuschung oder Drohung sowie Gewalt zwangsrekrutiert worden, sah das Gericht als unzutreffende Schutzbehauptung an.

Hingegen bewertete das Gericht als erschwerend, dass die Angeklagten 15 Menschen in ihre Gewalt gebracht und diese in höchstem Maße geängstigt hätten. Daneben hätten sie bei der betroffenen Hamburger Reederei Komrows­ki einen Schaden von über 1 Mio. € verur­sacht. Dabei habe es sich nicht um eine Spontantat gehandelt, sondern um eine genau geplante Aktion.

Gründe für die lange Verhandlungsdauer waren die vielen Prozessbeteiligten, der erhebliche Aufwand an Übersetzungen und die Schwierigkeit, auf dem Weg über die Rechtshilfe Informationen aus dem Ausland zu bekommen.

Auch die von der Verteidigung gewählte Strategie mehrerer Angeklag­ter, zum Tatvorwurf zunächst zu schweigen und sich erst dann zu äußern, als die Beweisaufnahme nach fast einjähriger Dauer eigentlich geschlossen werden sollte, trug zu den erheblichen Verzögerungen bei.

Aus den Kreisen der maritimen Wirtschaft in Hamburg ist Erleichterung über das Prozessende zu vernehmen, zugleich aber wurden erneut Zweifel an dem Sinn eines solchen Gerichtsverfahrens laut, das insgesamt mehr als 1 Mio. € kostete. Wichtig aber erschien es denjenigen, die sich hierzu äußerten, dass dieser Prozess überhaupt geführt wurde und der Piratenüberfall trotz aller Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Verfahrens juristisch nicht ungesühnt blieb.
ew