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Beim Übergang zu einem umweltfreundlicheren Schiffsverkehr in

Emissionskontrollgebieten spielt die Abgasreinigung eine wichtige Rolle. Karl-Heinz Hochhaus gibt Beispiele und eine Übersicht zu den Herstellern entsprechender technischer Anlagen
Die aktuellen Entwicklungen zum Umweltschutz in der internationalen Schifffahrt haben – aufgrund der Umweltprobleme und der 2015 in Kraft tretenden Vorschriften[ds_preview] beim zulässigen Schwefelgehalt und den Stickoxyden in den Abgasen – vereinzelt zum Einbau von Anlagen zur Abgasentschwefelung geführt. Wie in der Vergangenheit berichtet [1, 2], sind besonders Reparaturwerften derzeit damit beschäftigt, Schiffe mit Scrubber und Katalysatoren nachzurüsten. Auch Neubauten wurden mit Entschwefelungsanlagen, vorwiegend Abgaswäscher (Abb. 1) ausgestattet. Seit dem 1. Juli 2010 darf in EU-Häfen nach dem Anlegen nur Treibstoff mit einem Schwefelanteil von maximal 0,1% verwendet werden.

Vorschriften

Grundsätzlich zu unterscheiden sind Vorschriften für

– internationale Gewässer

– küstennahe Gebiete, teilweise urch nationale Gesetze reguliert

– Sondergebiete – die so genannten ECAs. In den ECAs gelten strenge Grenzwerte für den Schadstoffausstoß. Die Ausweisung von ECAs durch die IMO basiert auf der Anlage VI von 1997 zur »International Convention for the Prevention of Pollution from Ships« (MARPOL).

– Für Venedig gilt seit April 2013 das «Blue Flag II«-Abkommen der Mitgliedsreedereien der Cruises Lines International Association (CLIA), dass die Verwendung von Treibstoff mit maximal 0,1% Schwefelanteil ab Einfahrt in die Lagune von Venedig vorschreibt.

– Seit dem 1. Januar 2014 gilt vor der kalifornischen Küste der Grenzwert von 0,1% Schwefel in sämtlichen Treibstoffarten.

– Ab dem 1. Januar 2015 gilt für die Ost- und Nordsee und für die nordamerikanische ECA sowie die U.S. Caribbean Emission Area der Grenzwert von 0,1% Schwefel in sämtlichen Treibstoffarten.

– Von 2016 an gelten für neue Schiffe (gebaut nach dem 1. Januar 2016) in ECAs Grenzwerte für Stickoxide (NOx) gemäß MARPOL Annex VI Stufe III (Abb. 2)

Die Grenzen lassen sich durch konstruktive Maßnahmen (Scrubber, Katalysatoren) oder deutlich teurere Kraftstoffe einhalten.

Prinzipien der Abgasentschwefelung

Prof. Friedrich Wirz von der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) ging bei dem STG-Sprechtag »Nachrüstung« [3] auf die konstruktiven Möglichkeiten ein, um die Abgasemissionen von Schwefelverbindungen zu reduzieren.

Es wurden auf Schiffen Anlagen zur nassen oder trockenen Entschwefelung eingebaut. Bei der »nassen Entschwefelung« (Abb. 3, 4) wird SOx zu schwefliger Säure und Schwefelsäure gebunden. Dabei wird unterschieden zwischen offenen Systemen, geschlossenen Systemen und Hybridsystemen (Kombination). Bei der trockenen Entschwefelung (Abb. 5) wird SOx an Kalkhydrat (Ca(OH)2) gebunden, es entsteht Calciumsulfat (Gips).

»Oceanex Connaigra« von der FSG

Das ConRo-Schiff »Oceanex Connaigra« wurde im Jahr 2013 mit der Baunummer 757 von der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG) an die kanadische Reederei Oceanex abgeliefert (Tabelle 1). Das Schiff ist der weltweit erste Neubau, der mit einer Trockenentschwefelungsanlage ausgestattet wurde. Die Anlage (Abb. 5) wurde von dem deutschen Unternehmen Couple Systems geliefert, die zuvor auf der »Timbus« eine Versuchsanlage betrieben hat. Inzwischen hat das Unternehmen jedoch Insolvenz angemeldet.

Neben den Hauptdieselmotoren wurden auch die Dieselgeneratoren mit einer Abgasreinigungsanlage ausgestattet. Die Hauptmaschinen wirken über Schaltkupplungen und ein Sammelgetriebe auf einen Verstellpropeller. Damit kann die eine oder andere Hauptmaschine ausgekuppelt werden und über einen Wellengenerator das Schiff mit Strom versorgen. Zur Stromerzeugung dienen außerdem zwei Dieselgeneratoren.

Die für Menschen und Ladung extremen Schiffsbewegungen in den rauen Gewässern von Nordamerika werden mit Rolldämpfungstanks (Flume-Tanks) und Flossenstabilisatoren reduziert. Das ConRo-Schiff transportiert seit Oktober 2013 Container sowie rollende Ladung im Liniendienst zwischen Montreal und St. John’s. Es ist für weltweite Fahrt ausgelegt, hat Eisklasse und wurde zur flexiblen Beladung mit einer Heckrampe sowie einer Seitenrampe ausgerüstet. Das über eine Rampe zugängliche Wetterdeck bietet Stellplätze für insgesamt 940TEU, davon 120 Kühlcontainer und 200 beheizbare Container. Insgesamt verfügt das Schiff über fünf RoRo-Decks, auf denen sich 210 Pkw und rund 100 Trailer (2.800 Lkw-Spurmeter) stauen lassen.

»Mein Schiff 3« von STX Finland

An TUI Cruises wurde im Mai 2014 das auf der STX-Werft in Finnland gebaute »Mein Schiff 3« abgeliefert [4], (Abb. 1, technische Daten in Tabelle 2). Das kombinierte System zur Abgasnachbehandlung wurde gemeinsam mit Wärtsilä entwickelt, es senkt die Schwefelemissionen nach Aussagen von TUI um bis zu 99%, und die Rußpartikel werden um ca. 60% reduziert. Die aus dem Abgas entfernten Schadstoffe werden aus dem Waschwasser herausgefiltert, an Bord gesammelt und an Land durch qualifizierte Betriebe fachgerecht entsorgt.

Die Stickoxyde werden mit den installierten SCR-Anlagen (Selective Catalytic Reduction) reduziert, sie erfüllen die ab 2016 vorgeschriebenen Grenzwerte für neue Schiffe. Es ist beabsichtigt, diese Anlage auch außerhalb der Emissionsgebiete zu betreiben. Neben dem Einbau von Abgaswäschern mit den entsprechenden Kreisläufen wird auf der »Mein Schiff 3« und dem Schwesterschiff »Mein Schiff 4« konsequent an der Einsparung von Brennstoff gearbeitet. Mit dem Energiemanagementsystem sollen täglich 2,2t und mit der Abgasnutzung 1,6t Brennstoff täglich eingespart werden. 1,3t Brennstoff werden durch den Einsatz von Energiesparleuchten, LED-Lampen [5] und durch das Lichtkontrollsystem eingespart. Die Klimaanlage nutzt in gemäßigten Fahrtgebieten auch die Kühlwirkung des Seewassers, wodurch sich auf das Jahr gesehen, im Mittel etwa 4,2t Brennstoffersparnis pro Tag ergeben. Mit diesen Maßnahmen werden täglich rund 9t Brennstoff eingespart, je nach Schiffsbetrieb (See- oder Hafenbetrieb) sind das bezogen auf den gesamten Tagesverbrauch etwa 5–10%.

»Quantum of the Seas« von der Meyer Werft

Das Kreuzfahrtschiff »Quantum of the Seas« (Abb. 6) der Reederei Royal Caribbean International entsteht zur Zeit auf der Meyer Werft. Es wurde im Februar 2011 als Project »Sunshine« in Auftrag gegeben und soll am 23. November 2014 in Dienst gestellt werden (Tabelle 3). Die »Quantum of the Seas« wird der erste Neubau der Meyer Werft sein, der mit Abgaswäschern (Scrubber, Abb. 7) ausgestattet ist [5, 6]. Sie erhält zwei Hybrid Scrubber und die dazugehörigen Systeme, die für einen maximalen Schwefelgehalt von 3,5% im Kraftstoff ausgelegt sind und von Wärtsilä Finnland geliefert wurden.

Die Systeme bestehen aus einem offenem Seewassersystem (Open-Loop), einem geschlossenem Frischwassersystem (Closed-Loop) und können auch als Kombination geschaltet werden (Hybridsystem). In dem Waschverfahren des geschlossenen Frischwasser-Systems dient eine 50-prozentige Natriumhydroxid-Lösung als Neutralisationsmittel. Die Abgaswäscher werden im Bypass zur Abgasleitung angeordnet. Jeder dieser Wäscher wird mit den Abgasen von zwei Dieselgeneratoren beaufschlagt und kann in zwei Stufen arbeiten, um auch den Hafenbetrieb abzubilden. Die Auspuffgase werden mit Kühlwasser auf rund 60 °C heruntergekühlt. Sie sind daher mit Wasserdampf gesättigt, und in kalten Gebieten kann die Kondensation eine weiße Wolke zur Folge haben. Mit dem sogenannten »De-Plume-System« wird heiße, trockene Luft zugegeben, um diesen Effekt einer »weißen Abgasfahne« zu beseitigen.

NCL-Neubauten von der Meyer Werft

Die bei der Meyer Werft für Norwegian Cruise Line (Miami) im Auftrag befindlichen Kreuzfahrtschiffe »Norwegian Escape«, geplante Ablieferung im Oktober 2015, und »Norwegian Bliss«, geplante Ablieferung Anfang 2017, erhalten ebenfalls Anlagen zur Abgasentschwefelung (Abb. 8). Diese Schiffe basieren auf der »Norwegian Breakaway« (Tabelle 4), werden jedoch ein zusätzliches Deck erhalten und damit eine Vermessung von ca. 163.000BRZ haben.

Diese Kreuzfahrtschiffe der künftigen »Breakaway Plus«-Klasse werden mit fünf GTM-R-Scrubber der norwegischen Firma Green Tech Marine ausgestattet. Die Nennleistungen der fünf Dieselgeneratoren betragen 3 x 14.400kW und 2 x 16.800kW, damit insgesamt 76.800kW. Jeder Dieselgenerator erhält sein separates Wäschersystem.

Das junge norwegische Unternehmen Green Tech Marine hat Versuche mit einem Abgaswäscher an einem Testaufbau in Norwegen über fast ein Jahr durchgeführt. Mit Royal Caribbean International wurde eine enge Zusammenarbeit vereinbart, um die Abgase der fahrenden Kreuzfahrtschiffe dieser Reederei zu entschwefeln. Ein kompakter Abgaswäscher (GTM R15) wurde zu Testzwecken und Ausbildung an Bord der »Liberty of the Seas« installiert.

Als Besonderheit wurde hierbei herausgestellt, dass der Wäscher keinen zusätzlichen Platz benötigte, da er auch die Funktion des Schalldämpfers übernimmt. Die Installation wurde in vier Monaten während des laufenden Kreuzfahrtbetriebes durchgeführt und abgeschlossen. Der Wäscher arbeitet je nach Fahrtgebiet und Salzgehalt des Meerwassers im offenen oder geschlossenen System. 2012 erhielt das System die DNV-Zulassung.

Weitere Systeme

Es sind bzw. waren weitere Abgasreinigungssysteme auf dem Markt, die in Tabelle 5 mit weiteren Informationen und den ersten auf Schiffen installierten Prototypen aufgeführt sind.

Zusammenfassung

Die ab 2015 für alle Schiffe in europäischen Häfen und weltweiten Sonderzonen geltenden Vorschriften im Ausstoß von schwefelhaltigen Abgasen betreffen alle Schiffe, das heißt die Bestandsflotte und die Neubauten.

Bei den in Betrieb befindlichen und besonders den neuen Fähr- und Kreuzfahrtschiffen, die vorwiegend in diesen Fahrtgebieten verkehren, erfolgen hohe Investitionen für Anlagen zur Abgasentschwefelung.


Dr.-Ing. Karl-Heinz Hochhaus