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Die Hamburg Süd, die Nummer 10 unter den Containerlinien,

will nach der Übernahme der chilenischen CCNI im laufenden Geschäftsjahr ihr Transportvolumen um 20 % steigern – auch durch den Einstieg

in die Ost-West-Verkehre.
Es ist ein radikaler Strategieschwenk. Traditionell ist die Reederei vor allem auf den Nord-Süd-Routen unterwegs, im Verkehr zwischen[ds_preview] Europa und Südamerika ist sie führend. Aus dem Hauptfahrtgebiet der weltweiten Containerschifffahrt zwischen Europa und Fernost hatte sich die Reederei mit den markant roten Schiffen dagegen immer herausgehalten. Das ändert sich jetzt.

Bereits im Herbst vergangenen Jahres hatte Hamburg Süd eine Kooperationsvereinbarung mit dem Wettbewerber United Arab Shipping Company (UASC) unterzeichnet. Beide Reedereien werden künftig wechselseitig Slots auf den Schiffen nutzen. Hamburg Süd im Verkehr von Asien nach Nordeuropa und nach Nordamerika sowie im westlichen Mittelmeer. UASC bekommt im Gegenzug ab Mitte des Jahres Kontingente auf den Hamburger Schiffen im Nord-Süd-Verkehr.

Indirekt hat die Hamburg Süd damit sogar Zugang zu Stellplätzen bei den anderen beiden Partner von UASC in der »Ocean Three«-Allianz, CMA CGM (Frankreich) und CSCL (China). »Zum Selbstkostenpreis«, wie Ottmar Gast, Sprecher der Geschäftsführung, bei der Vorlage der Bilanzzahlen für 2014 betont. »Wir können daher sehr wettbewerbsfähig anbieten.«

Das Unternehmen im Besitz der Oet­ker-Familie benennt mehrere Gründe für diesen Schritt. Als eine von ganz wenigen Top-Linienreedereien ist die Hamburg Süd bislang keiner der neuen Allianzen beigetreten, will aber dem wachsenden Konsolidierungs- und Kostendruck in der Containerschifffahrt mit Kooperationen begegnen und gleichzeitig das eigene Linien-Netzwerk vergrößern. Viele Kunden hätten nur darauf gewartet, berichtet Gast. Das zweite Motiv ist in den schwächelnden Volkswirtschaften in Südamerika zu finden.

Die schlechte wirtschaftliche Entwicklung Brasiliens, Argentiniens und Venezuelas trug dazu bei, dass die Nord-Süd-Verkehre im vergangenen Jahr nur ein geringes Wachstum aufwiesen, teilweise sogar rückläufig waren. Daher konnte das Transportvolumen nur um 2,3% auf rund 3,4Mio. TEU gesteigert werden, lag damit immerhin über dem Markt. Im Südamerika-Verkehr waren es 1,7%. Im Fernost-Verkehr dagegen nahm das Containervolumen um knapp 8% zu, nach Nordamerika um 6%. Im laufenden Jahr soll das Brutto­inlandsprodukt Brasiliens, des wichtigsten Landes für die Hamburg Süd, um 1% abschmelzen. »Wir brauchen künftig eine größere Unabhängigkeit von Südamerika«, sagt Gast.

Dabei hatte sich Hamburg Süd erst zu Beginn dieses Jahres in ihrem Hauptfahrtgebiet verstärkt. Die Transportleistung von zuletzt 3,4Mio. TEU bei einer Containerkapazität von 537.000TEU wächst durch die letztlich in diesem März vollzogene Übernahme der chilenischen Compañía Chilena de Navegación Interoceánica (CCNI) noch einmal um 10%. Damit haben sich die Hamburger mit ihren 112 Containerschiffen von Platz 12 auf Platz 10 im weltweiten Ranking der größten Linienreedereien vorgearbeitet. Der Marktanteil in der Südamerika-Fahrt soll von heute 10 auf 16 % wachsen.

Gleichzeitig verdrängen jedoch die in den Asien-Verkehren eingesetzten Mega-Carrier mit mehr als 14.000TEU die kleineren Schiffe von diesen Routen. Diese kaskadieren zunehmend in die Nord-Süd-Verkehre, verstärken dort den Ratendruck und mindern die möglichen Erlöse. In Verbindung mit dem schwachen US-Dollar sank der Umsatz der Hamburg-Süd-Gruppe 2014 um etwa 1% auf 5,2Mrd. €. Dank der Container- und Tankschifffahrt sei die Reederei insgesamt weiter profitabel, betont Gast. »Allerdings haben wir keine angemessene Verzinsung auf das eingesetzte Kapital erzielen können.« Denn die Bulkschifffahrt verharrte dagegen 2014 erneut in der Verlustzone.

Nun versucht die Reederei, in neue Fahrtgebiete vorzustoßen und auch dort zu wachsen. Gast gibt eine Steigerung der Containertransporte um 20% in diesem Jahr als Ziel aus. Etwa ein Viertel davon könnten die Fernost-Transporte beitragen, das wären für den Anfang rund 150.000 bis 200.00TEU. »Wir wollen dort schneller zulegen als in anderen Fahrtgebieten«, sagt Gast. Angepeilt werde eine »kritische Menge«, die eine ausreichend starke Marktposition sichere. Konkreter will man sich nicht festlegen. Angesichts eines Tonnageüberhangs sind die Linienschiffe kaum einmal komplett ausgelastet, freie Slots gibt es also.

Dass Hamburg Süd irgendwann doch noch einer Reederei-Allianz beitreten werde, sei nicht gänzlich auszuschließen, stehe derzeit jedoch nicht auf der Agenda. Sollten die neuen Bündnisse erfolgreich anlaufen, könnten sie künftig auch auf die Nord-Süd-Strecken übertragen werden. Dann wäre Hamburg Süd definitiv dabei. Endgültig vom Tisch sei auch eine mögliche Fusion mit Hapag-Lloyd. Da beide Reedereien jeweils einen chilenischen Konkurrenten übernommen hätten, wäre die Marktdominanz in der Südamerika-Fahrt zu groß und kartellrechtlich nicht durchsetzbar.

Zunächst sind reine Slot-Vereinbarungen wie mit UASC geplant oder auch Angebote wie ein neuer Dienst zwischen Asien via Südafrika nach Südamerika, der ab Juli gemeinsam mit Hapag-Lloyd und CMA CGM gefahren wird. Mittelfristig sei es auch vorstellbar, vielleicht sogar nötig, mit eigenen Schiffen in die Asien-Dienste zu gehen.

Bislang sind die Frachter der »Cap San«-Klasse mit 9.500TEU die größten Einheiten in der Flotte. Im vergangenen Jahr waren zwei weitere dieser Neubauten abgeliefert worden, inzwischen gibt es schon 13 dieser Schiffe in der Flotte. Weitere drei Nachbauten wurden in Korea bei DSME bestellt. »Um heute im Wettbewerb bestehen zu können, will und muss jede Reederei die für das jeweilige Fahrtgebiet größten und technisch effektivsten Schiffe einsetzen«, sagt Gast.

Mit knapp 10.000TEU habe man die geeigneten Einheiten für die Nord-Süd-Verkehre, heißt es bei Hamburg Süd. Nachdem in den vergangenen beiden Jahren fast 1Mrd. € in neuen Schiffsraum investiert wurde, sollen auch künftig weitere Neubauten bestellt werden. Gut möglich, dass Hamburg Süd dann auch bei den Schiffen in neue Dimensionen vorstößt.

Denn auf den Fernost-Routen sind weitaus größere Frachter konkurrenzfähig, zuletzt wurden von diversen Reedereien etliche ULCV mit 18.000+ TEU geordert. Ob Hamburg Süd da jemals mitzieht, ist fraglich. Denkbar wäre die Klasse von knapp 14.000 TEU – solche Schiffe könnten gerade noch den neuen Panama-Kanal passieren und wären vielseitig einsetzbar. »Das wird man zu gegebener Zeit sehen«, sagt Gast.

Auch andere Regionen finden sich auf der Strategieliste des Unternehmens. Afrika zum Beispiel, der Wachstumskontinent. »Das könnte in Zukunft interessant werden«, sagt Gast. Mangels Erfahrungen mit diesem schwierigen Fahrtgebiet würde man, wenn es denn soweit komme, sicher keinen Alleingang wagen, sondern nach einem passenden Afrika-Carrier suchen: für eine Kooperation, eine Übernahme oder eine Fusion – alles noch offen.

Der Konsolidierungsdruck in der internationalen Containerschifffahrt werde anhalten, schätzt der Hamburg-Süd-Chef. Die Tendenz zu Überkapazitäten bleibe angesichts eines Flottenwachstums von 8% gegenüber einer Zunahme von 5% im globalen Containertransport bestehen, weil über Kapazität und Transportmenge Kosteneffekte erreicht werden könnten. Das ist aus Sicht von Gast aber längst keine Krise mehr, sondern ein tiefgreifender Strukturwandel. »Es gibt immer noch zu viele Teilnehmer am Markt.« Containertransporte seien heute eine reine Commodity, eine Allerweltsware. Es gebe einen »brutalen Wettbewerb« um die Kostenführerschaft, die größte Zuverlässigkeit und eine hohe Dienstleistungsdichte – auch an Land, wo etwa 60% der Kosten je Container anfielen. »Wir wollen als Qualitäts-Carrier profitabel bleiben.«

Die Flotte der Hamburg Süd umfasst heute insgesamt 168 Schiffe, davon 46 gruppeneigene. 112 Schiffe wurden in den Liniendiensten und 56 ausschließlich gecharterte Schiffe im Trampbereich (Massengutschiffe, Produktentanker) eingesetzt. Das Unternehmen beschäftigt rund 5360 Mitarbeiter.


Krischan Förster