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Der Bunker-Markt ist ähnlich wie die Weltflotte von Überkapazitäten geprägt.

Beim Lieferanten Bomin stellt man sich auf die Gegebenheiten mit einer angepassten Strategie ein, von der auch Reederei-Kunden direkt betroffen sind. Die HANSA sprach mit Geschäftsführer Thomas Roller
Was sind im Moment die wichtigsten Themen für Bomin?

Thomas Roller: Die Schifffahrtskrise betrifft auch uns als Bunkerlieferant[ds_preview]. Das stellt uns vor Herausforderungen, auch und gerade für das Kreditrisikomanagement. Ein enger Kontakt zu den Kunden ist gerade jetzt nötig, um gemeinsam Lösungen zu finden.

Was heißt das konkret?

Roller: Es geht zum Beispiel darum, sich regelmäßig die Kreditlimits und Zahlungsziele der Kunden genau anzuschauen. Steht das noch im Verhältnis zur finanziellen Situation des Kunden? Können wir weiterhin Kredit in der Höhe an den jeweiligen Kunden geben? Können wir an den bestehenden Zahlungszielen festhalten? Das sind die Fragen, die wir uns stellen, um das Kreditrisiko auszubalancieren.

Den Kunden dürfte das weniger gefallen.

Roller: Viele Kunden hätten sicherlich gern längere Zahlungsziele. Aber sie müssen auch verstehen, dass wir als Lieferanten nicht das ganze Risiko tragen können. Dafür erfordert es gemeinsame Lösungen.

Ist der Ansatz erfolgreich?

Roller: Wenn beide Seiten bereit sind, auf die jeweils andere zuzugehen, findet man auch in der Regel eine Lösung. In den Gesprächen merkt man auch, was Reeder und Charterer in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten umtreibt, etwa der Ausblick auf 2020 und die erwartete nächste Stufe der ECA-Regulierung. All dies erfordert einen gemeinsamen Dialog.

Geht das auch in Richtung alternativer Treibstoffe?

Roller: Es ist ein breites Spektrum von hochschwefligem Treibstoff mit Abgaswäschern, sogenannten »Scrubbern«, bis hin zur Nutzung von LNG. Was wir heute im Markt sehen, ist bereits eine große Bandbreite an verwendeten Schiffsbetriebsbrennstoffen: High-Sulfur-Fuel Oil (Scrubber-Installationen), Ultra-Low-Sulphur Fuel Oil, Marine-Gasöl und -Diesel. Über das Joint Venture Bomin Linde sind wir auch im LNG-Segment aktiv. Das ist meines Erachtens eine gute Ausgangsposition, wir haben Erfahrungen in allen Bereichen. Viele unserer Kunden investieren in neue, effizientere Schiffe, einige setzen auf Dual-Fuel-Motoren. Wir sind gespannt, wie sich der Markt weiter entwickelt und werden uns entsprechend auf die Zukunft einstellen, da gibt es zunächst kein »richtig« oder »falsch«. Das wird manchmal zu »schwarz-weiß« hinterfragt. Ich denke, es wird auch mit Blick auf 2020 auf ein breites Spektrum an Treibstoffen hinauslaufen. Nach einer gewissen »Übergangszeit«, in der sich alle Marktteilnehmer mit dem neuen Umfeld vertraut gemacht haben, werden sich unsere Kunden positionieren und entsprechende Entscheidungen zur künftigen Einkaufstrategie treffen.

Werden Sie alle Segmente abdecken?

Roller: Ich gehe davon aus, dass wir alle Produkte anbieten werden. Dabei ist es unerheblich, was wir als Bunkerlieferant für richtig oder falsch halten. Am Ende kommt es darauf an, was für den einzelnen Kunden die wirtschaftlich beste Lösung ist. Die notwendige Flexibilität werden wir dafür mitbringen und mit unseren Kunden über diese Themen in den nächsten Jahren intensiv sprechen.

Wie lässt sich der derzeitige Bunkermarkt aus Ihrer Sicht beschreiben?

Roller: Der Bunkermarkt ist genau wie der Schiffahrtsmarkt gekennzeichnet durch große Überkapazitäten, die in der Erwartung weiteren Wachstums im Seeverkehr aufgebaut wurden. Aber nun sind wir an einem Punkt, an dem neu gedacht werden muss. Es ist ein Markt mit sehr niedrigem Margenniveau. Jeder mag gern große Tanks anmieten, jeder hat gern eigene, große Schiffe, um als Bunkerlieferant attraktiv zu sein. Die Zeiten haben sich aber geändert. »Cost-Leadership« ist definitiv eine Priorität. Der Kunde achtet mehr auf Preise und gleichzeitig auf Qualität und Zuverlässigkeit. Da sehen wir uns gut aufgestellt und diese Position wollen wir ausbauen. Aber nicht so wie früher, als es ausreichte, ausschließlich ein physischer Lieferant zu sein. Der direkte Kundenkontakt wird immer wichtiger, um Lösungen zu finden. So wollen wir als Bomin der bevorzugte physische Lieferant für unsere Kunden sein und die direkten Kundenbeziehungen weiter ausbauen. Die Insolvenz von O.W. Bunker hat unter anderem bewirkt, dass die Kunden bei der Komplexität der Themen vermehrt nach echter strategischer Beratung fragen.

Sehen Sie Wachstumspotenzial?

Roller: Wir schauen uns kontinuierlich den Markt an, werden aber nicht in jedem Bunkermarkt als physischer Lieferant auftreten. Dennoch haben wir ein paar Ideen für bestimmte Regionen. Ab Januar 2016 werden wir in Singapur in das physische Geschäft einsteigen. Damit sind wir in der Lage, auf den wichtigsten globalen Märkten zu agieren. Sollten die Kunden weitere Standorte nachfragen, werden wir uns auch das anschauen.

Allgemein gesprochen: Wie sieht ihre Strategie für die Zukunft aus?

Roller: »Cost-Leadership« hat ganz klar Priorität. Wir wollen nicht warten und darauf hoffen, dass sich die Margen erholen. Wer sagt uns, dass wir nicht ein neues »Normal« haben? Wir gehen davon aus, dass sich die Situation nicht über Nacht verbessern wird. Wir analysieren unsere internen Prozesse, dazu gehört auch die Logistik. An einigen Stellen muss man auch über seinen Schatten springen können und neue Denkansätze verfolgen und Lösungen erarbeiten.

Ist anorganisches Wachstum denkbar?

Roller: Wir sind auch für anorganisches Wachstum offen, auch wenn es derzeit keine konkreten Pläne gibt. Wir schauen uns aber aufmerksam den Markt an. Anorganisches Wachstum kann und möchte ich nicht ausschließen.

Welche Folgen hat der Zusammenbruch von O.W. Bunker auf Ihre Arbeit?

Roller: Was genau ist die O.W. Krise? Es gab zwar geringe Preisausschläge in der ersten Woche nachdem die Insolvenz angemeldet wurde, doch es gab keinerlei Versorgungsengpässe. Und wenn einer der Größten verschwinden kann, ohne dass es zu Lieferengpässen führt, ist das schon bemerkenswert. Auch das Margenniveau blieb unverändert.

Was der Markt allerdings daraus gelernt hat, ist, dass alle Beteiligten das Bewusstsein für das Kreditrisiko-Management schärfen müssen. »Too-big-to-fail« gilt nicht, das haben wir auch in anderen Märkten schon erlebt. Es wird sicherlich noch einige Zeit brauchen, um das Vertrauen in die Bunkerindustrie wiederherzustellen.


Michael Meyer