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Die Verdrängung konventioneller Kühlschiffe beschleunigt sich. Spezial-Carrier mit großer Tonnage auf Hauptrouten sind kaum mehr wettbewerbsfähig, schreibt Michael Hollmann

Der Überseehandel mit Obst, Gemüse und anderen verderblichen Waren legt weiter zu. Davon profitieren die Linienreedereien mit ihren Reefer-Abteilungen[ds_preview] mehr als zuvor. Der Niedergang der konventionellen Kühlschiffe hat sich dafür beschleunigt, wie jüngste Daten und Markteinschätzungen von Experten zeigen. Nach zwei finanziell extrem schlechten Jahren in Folge haben sich die Aussichten für große konventionelle Kühlfrachter auf den Hauptrouten im Fruchthandel stark eingetrübt. Höchstens für kleinere flexible Schiffe, die sich auf den Transport von fangfrischem Fisch spezialisieren, scheint es langfristig eine Zukunft zu geben.

Wie hoch der finanzielle Druck auf spezialisierte Reefer-Carrier und Schiffseigner in dem Segment sein muss, lässt sich aus dem Verlauf des Spotmarkts für konventionelle Tonnage in den vergangenen Jahren erahnen. Laut dem Hamburger Schiffsmakler Ernst Russ Shipbroker, der zu den wenigen noch existierenden Häusern mit eigener Befrachtungsabteilung für Kühlschiffe zählt, haben sich die Spot-Zeitcharterraten für größere Einheiten mit rund 425.000 Kubikfuß Kapazität im vergangenen Jahr noch einmal leicht verschlechtert. Im Durchschnitt fanden die Schiffe zu 35,36 US Cent/Kubikfuß (30 Tage Charterdauer) Beschäftigung. 2016 sollen es 35,63 ¢/cbft gewesen sein, 2015 – im letzten guten Jahr – rund 56 ¢/cbft.

Als »äußerst schwierig« bezeichnet die Schiffsmaklerin Ingrid Christensen von Ernst Russ Shipbroker die gegenwärtige Situation. Die Erträge der größeren Kühlschiffe lägen weiterhin unter den laufenden Kosten, an neue Projekte sei in dem Sektor kaum zu denken. Laut der »Reefer Analysis 2017« der niederländischen Marktforschungsfirma Dynamar, hat sich der Marktanteil der konventionellen Reeferschiffe im Seetransport temperaturgeführter Waren innerhalb von nur fünf Jahren bis 2016 von rund 30% auf 20% verringert. Die Zahl der konventionellen Frachter nähert sich nach vermehrten Verschrottungen jetzt der 600er Marke. Was für sie an Ladung übriggeblieben ist, wird auf Basis von langfristigen Verträgen transportiert. Für einen funktionierenden Spotmarkt reichen die Mengen seit 2016 kaum noch aus. Christensen macht das an Spot-Charterabschlüssen für Bananen ex Ecuador fest: »Früher gab es vier Charterabschlüsse pro Woche, heute einen pro Monat.«

Aber auch feste Kontraktladungen, welche die Basis für spezialisierte Liniendienste bilden, gehen im Volumen weiter zurück, weil die Exporteure und Händler ihre Ware günstiger per Reefer-Container durch Linienreedereien befördern lassen können.

2017 brachte einige schwere Rückschläge für große etablierte Carrier in dem Geschäft. Für Aufsehen sorgte vor allem der Rückzug des Branchenführers Seatrade aus dem Neuseeland-Europa-Linienverkehr. Der »Meridian«-Dienst der Belgier, der zuletzt auch die Westküste Südamerikas und US-Häfen mit abdeckte, sollte eigentlich Vorzeigeprojekt für die neue Schiffsstrategie der Reederei sein. Seatrade wollte den Dienst von konventionellen Kühlschiffen auf Containerschiffe mit sehr hoher Reefer-Kapazität umstellen. Durch Containerisierung der Ware sollte die Abfertigung der Schiffe in den Terminals beschleunigt und die Wirtschaftlichkeit des Verkehrs verbessert werden. Die Idee ging nach hinten los: Mit der forcierten Containerisierung öffnete Seatrade ein Einfallstor für die großen Containerlinien. Hatte das Unternehmen anfangs darauf spekuliert, den Dienst gemeinsam mit CMA CGM als Tonnage Provider betreiben zu können, waren es schließlich die Franzosen, die das Ruder übernahmen. Seit Januar betreibt CMA CGM den Dienst in Eigenregie.

Konsolidierung in der Transatlantikfahrt

Auch auf der Route aus der Karibik nach Europa bläst den Spezial-Carriern eine steife Briese entgegen. Aufgrund der scharfen Konkurrenz durch die Container-Linienreedereien rangen einige konventionelle Liniendienste mit Verlusten, was gegen Jahresende zu deutlichen Einschnitten führte. Nach 19 Jahren stellte die in Stockholm ansässige Reederei Cool Carriers ihren wöchentlichen »Coolman«-Service von Zentralamerika nach Europa ein. Die fünf zwischen 1996 und 1999 abgelieferten Schiffe der »Crown«-Serie (ca. 547.000 cft, 10.350 tdw) sollen anderswo im Streckennetz der Firma bzw. ihres Mutterunternehmens Baltic Reefer Management eingesetzt werden. Zudem verständigte sich Seatrade mit dem britischen Wettbewerber Geest Line auf eine Zusammenlegung ihrer Europa-Karibik-Dienste in einem Schiffssystem. Die operative Verantwortung für die dort eingesetzten fünf Schiffe liegt bei Geest Line als Zeitcharterer. Im Vergleich zum vorherigen System mit zwei getrennten Diensten sparen die Carrier zusammen einige Schiffe ein.

Das Betätigungsfeld der konventionellen Reefer-Carrier im volumenmäßig bedeutenden Fruchthandel engt sich damit zunehmend auf saisonale Verkehre ein. Wenn es darum geht, große Mengen frischer Produkte wie Kiwis aus Neuseeland oder Äpfel aus Argentinien zu den Absatzmärkten auf der nördlichen Halbkugel zu befördern, können konventionellen Frachter immer noch punkten gegenüber Containerschiffen, die stets zusätzliche Stückgutware in Dry-Containern benötigen, um auskömmliche Reiseergebnisse zu erzielen. Die Vorzeichen für die traditionelle Hochsaison ab Februar/März stehen aber nicht unbedingt gut. Im Markt kursieren Gerüchte, dass für Ende Januar ein großes Kühlschiff zu einer extrem niedrigen Rate von rechnerisch 20 ¢/cbft für eine Reise von Argentinien zur US-Ostküste und zurück verchartert worden sei. Zudem ist eine Reihe großer Schiffe in Spotposition gelaufen, was die Konkurrenz um Beschäftigung noch einmal schürt.

In Antwerpen liegen derzeit vier große konventionelle Frachter der ecuadorianischen Firmengruppe Noboa auf. Nach Umstellung der Bananenverschiffungen von Noboa auf Container waren die Schiffe an andere Operateure verchartert worden, doch die Chancen auf Anschlussbeschäftigung haben sich im vergangenen Jahr stark verringert. Ein fünftes Schiff der Noboa-Flotte, das noch eine Reise für Star Reefers absolviert, dürfte in Kürze ebenfalls auf die Spot-Liste kommen.

Ein Ausweg aus der Malaise, der für die Reeder im vergangenen Jahr noch attraktiver wurde, ist die Verschrottung. Bei steigenden Preisen für Alttonnage und einem Durchschnittsalter der Flotte von 26 Jahren hat sich die Zahl der Abwrackverkäufe von Reefer-Frachtern im vergangenen Jahr laut Ernst Russ Shipbroker auf 22 Einheiten mehr als verdoppelt. Dieses Tempo dürfte angesichts der beschränkten Vermarktbarkeit der Schiffe in den kommenden Jahren anhalten oder sogar noch zunehmen. In seiner »Reefer Analysis« prophezeit Dynamar, dass die Gesamtflotte der konventionellen Reefer bis 2025 radikal um rund ein Drittel auf rund 400 schrumpfen wird.

Übrig bliebe dann nur noch eine Kernflotte kleiner Reeferschiffe mit Kapazitäten bis 300.000 cbft die primär der Fischfangindustrie für den schnellen Transfer und Abtransport ihrer Ware dienen. Die Anforderungen in diesem Segment sind so speziell, dass Container-Reedereien dafür nicht in Frage kommen. Bereits im vergangenen Jahr hat sich die wirtschaftliche Situation der kleinen Schiffe deutlich aufgehellt. Bei den Spot-Charterraten erreichte der Abstand gegenüber den großen Reefer-Schiffen laut Dynamar einen ungewöhnlich hohen Wert von bis 80 ¢/cbft (30 Tage).

Laut der Maklerfirma Irish Shipbrokers mit Sitz in Dublin steuert das Segment der kleineren Tonnage sogar auf einen Kapazitätsmangel zu. Die zwölf Neubauprojekte für Frachter mit Kapazitäten bis 300.000 cbft, die in den nächsten 18 Monaten zur Ablieferung kommen, reichten bei weitem nicht aus. Den verladenden Unternehmen der Fischindustrie drohten »schwerwiegende Konsequenzen für ihre Lieferketten«, falls die Reedereien nicht stärker in kleinere Neubautonnage investierten, warnt Irish Shipbrokers in einem Report zum An- und Verkaufsmarkt für Reefer. Um die Nachfrage zu decken, hätten zahlreiche sehr alte Schiffe (30 Jahre und älter) noch einmal eine Klasseerneuerung absolviert. Der Spielraum dafür werde in den kommenden Jahren geringer.

Reefer-Containermarkt zeigt aufwärts

Obwohl die Container-Linienreedereien in der Kritik stehen, ihre Transportleistung für temperaturempfindliche Waren zu günstig und nicht »marktgerecht« zu bepreisen, sehen Experten die Frachtpreise seit einiger Zeit im Aufwind. Der »Global Reefer Freight Rate Index« der britischen Schifffahrtsberatung Drewry kletterte im vergangenen Jahr von 2.990 $/FEU im ersten Quartal auf 3.043 $/FEU im dritten Quartal. Der vorläufige Wert für das vierte Quartal liegt den Angaben zufolge noch höher bei 3.085 $/FEU. Für Stijn Rubens, Supply-Chain-Berater bei Drewry, ist die Ratenentwicklung frappierend, weil sie die üblichen saisonalen Trends konterkariert. Nach der Hochsaison im globalen Fruchthandel im Frühjahr sollten sich die Preise zum Herbst hin eigentlich abschwächen. Dass der Markt bereits in der Nebensaison fester tendiert, führt der Experte auf zwei Faktoren zurück. »Entweder hat es mit einem Mangel an Reefer-Containern zu tun oder mit der Konsolidierung in der Linienschifffahrt, vielleicht wirken beiden Faktoren auch zusammen«, erklärt Rubens im Gespräch mit der HANSA. In den vergangenen zwei Jahren hätten die Linienreedereien angesichts der schwierigen finanziellen Lage in der Branche bei den Investitionen in neue Kühlcontainer auf die Bremse getreten. Das lassen auch die Zahlen zum Reefer-Container-Bestand der führenden 15 Linienreedereien erkennen, die Dynamar in seinem jüngsten Report nennt. Demnach wuchs die Equipmentflotte zwischen Sommer 2016 und Sommer 2017 nur marginal auf 2,64 Mio. TEU an. Engpässe auf der Equipment-Seite mit einem entsprechenden Effekt auf die Frachtraten könnten eine logische Konsequenz daraus sein. Inwieweit die beschleunigte Konzentration in der Linienschifffahrt den Reedereien ganz allgemein die Oberhand bei der Preisfestsetzung gibt, lässt sich zu diesem frühen Zeitpunkt nicht mit Gewissheit sagen. Der zuvor schon erhöhte Konzentrationsgrad der Branche spricht laut Rubens aber dafür. »Im normalen Dry-Container-Segment hat die Fusions-und Übernahmewelle weitreichende Folgen. Der Markt entwickelt sich in ein Oligopol«, führt der Belgier aus. »Unsere erste Einschätzung ist, dass es bezogen auf das Teilsegment der Reefer-Container noch gravierender sein wird.«

Spedition und Logistik profitieren mit

Die weltweite Transportnachfrage für verderbliche Ware blieb derweil auch im vergangenen Jahr im Aufschwung. Laut der niederländischen Beratungsfirma Seabury legten die weltweiten Reefer-Containertransporte in den ersten zehn Monaten um 3.0% gegenüber dem Vorjahr zu – kein spektakulärer Zuwachs, dafür ist die Entwicklung in dem Sektor beständiger, nicht so volatil wie im allgemeinen Stückgutbereich. Wachstumstreiber seien zuletzt vor allem die Verkehre von Nordamerika und von Europa nach Asien gewesen, so Seabury-Analyst Michel Looten.

Der Speditionskonzern Panalpina sieht den chinesischen Markt weiterhin als Zugpferd für die globale Reefer-Nachfrage. »Die Chinesen nehmen mehr und mehr Ware ab, weil auch die Supermärkte dort das ganze Jahr über die frischen Produkte im Regal haben wollen«, sagt Claus Aagaard, Global Product Manager FCL Reefer bei Panalpina. Verstärkt durch Kapazitätseinschnitte der Linien im Verkehr zwischen Fernost und Südamerika seien auch die Reefer-Raten für Transporte Richtung Asien im vergangenen Jahr sprunghaft angestiegen. Einen Aufwärtstrend bei den Frachtpreisen verzeichnet Aagaard auch für Verschiffungen ex Neuseeland und Australien, nachdem die Abfahrtkapazitäten dort im vergangenen Jahr reduziert worden seien. Chronische Engpässe sieht der Däne zudem in den Verkehren nach Kanada.

Für Panalpina und andere Speditionen ist der Trend zur Containerisierung im Reefer-Bereich grundsätzlich positiv, weil die kleinteiligere Durchführung der Handelsströme mehr Zwischenschritte in Frachteinkauf und Logistik nach sich zieht. »Der Konsens in der Branche ist, dass der Markt jedes Jahr um 5% oder mehr wächst, und diesen Eindruck teilen wir. Seit zwei Jahren legen wir einen starken Fokus auf dieses Segment, um im Bereich der verderblichen Ware nach vorne zu kommen«, unterstreicht Aagaard.

Neben durchgehenden Vollcontainertransporten richteten sich die Bemühungen bei Palapina auf Spezialprodukte wie der Kombination von Luft- und Seefracht. Frachtkosten und Transitzeiten müssten dabei so abgewägt werden, dass für das jeweilige Produkt die optimale Lösung mit Blick auf Vermarktbarkeit und Haltbarkeit im Regal erzielt wird. »Man kann damit auch Kapazitätsengpässe in dem einen oder dem anderen Segment auf bestimmten Routen umgehen«, erklärt Aagaard. Will heißen: Seefracht auf Relationen mit knapper Verfügbarkeit von Luftfrachtkapazität, und Luftfracht auf Routen mit eingeschränkter Container- und Stellplatzverfügbarkeit. Beispiel: Exotische Früchte werden aus Indien nach Europa geflogen, um dann per Containerschiff von Rotterdam oder Antwerpen Richtung USA verladen zu werden.


Michael Hollmann