Zum siebten Mal fand die MS&D (The international conference on maritime security and defence) in Hamburg statt. Im Fokus der internationalen Fachkonferenz standen unter anderem die Sicherheit der internationalen Seewege, den Einsatz von Marinestreitkräften bei Krisenoperationen und Cyber[ds_preview]security.
Der Auftakt der internationalen Konferenz während der Messe SMM von ernsten Worten. Konteradmiral Thorsten Kähler, Chef des Stabes im Marinekommando in Rostock, beklagte den Bedeutungsverlust der Vereinten Nationen, deren Anstrengungen unterlaufen würden. Aus dem gegenseitigen Respekt der Nationen voreinander habe sich eine Situation entwickelt, in der die Okkupation zur Ausdehnung der eigenen Einflusssphäre die Oberhand gewinne. Seine Mahnung: »Wir sitzen alle in einem Boot. In der Freiheit der Meere liegt die Voraussetzung für eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung aller Länder.« Diese sei durch neue Gefahren multi-dimensionaler Kriegsführung bedroht.
Kähler bewertete die Gesamtlage der maritimen Sicherheit als fragil. Die deutsche Marine reagiere darauf. Es gebe bei den Operationen einen Paradigmenwechsel hin zu kleineren und spezifischeren Einsätzen. Trotz der Beteiligung an internationalen Missionen wachse die Bedeutung des Heimatschutzes zum Beispiel in der Mitverantwortung für die Ostsee-Anrainer. Gleichzeitig warnte der Konteradmiral vor neuen Gefahren wie zum Beispiel Cyberkrieg, machte sich für strategische Kooperationen stark und forderte mehr Investitionen in Personal und Ausstattung. Das Weißbuch der Bundeswehr 2016 sei hierfür eine gute Basis.
Chinas Marineoffensive
Wie unterschiedlich der Blick auf die Welt sein kann, demonstrierte Sarah Kirchberger: Die China-Expertin von der Universität Kiel betonte die Aufrechterhaltung des politischen Systems und der territorialen Souveränität als Hauptmotiv aller chinesischen Aktivitäten. »Das legitimiert aus eigener Perspektive alle Methoden«, so Kirchberger. Die Entwicklung der Marine sei somit weiterhin mit einer ideologisch begründeten Furcht vor dem Westen zu erklären. Die Leiterin der Abteilung Strategische Entwicklung in Asien-Pazifik stellte das rasante Wachstum der chinesischen Marine dar.
Neben der gesteigerten Quantität an Schiffen werde auch deren Qualität stetig verbessert. Während China früher oft auf russisches Material zurückgegriffen habe, erreiche man nun europäische Standards. Mit den neuen U-Booten gebe es zudem eine seegestützte nukleare Abschreckung, auf aufgeschütteten Riffs entstünden Militärbasen. Kirchberger verwies abschließend auf das Potenzial der Zusammenarbeit zwischen China und Russland. Diese werde im Westen immer noch unterschätzt.
Neue Konflikte durch den Klimawandel
Eine ganz andere Art der Herausforderung stellt der Klimawandel dar – mit erheblichen Implikationen für die Marinestreitkräfte. Christian Webersik, Professor für Entwicklungsstudien an der Universität Agder in Norwegen, belegte anhand zahlreicher Statistiken den Zusammenhang zwischen der Zunahme von Unwetterkatastrophen und bewaffneten Konflikten. Ein Beispiel für ein zukünftiges Konfliktszenario: Durch die Veränderungen in der Arktis drohten vermehrt Grenzstreitigkeiten.
Daran knüpfte auch Patricia Schneider vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg an. Die fehlende Regulierung in der Arktis und die Gebietsansprüche verschiedener Staaten könnten sich schon bald als Problem erweisen. Das Abschmelzen der Eisflächen öffne neue Seewege – so seien zum Beispiel auch neue Routen für den Tourismus zu schützen. Marineschiffe müssten baulich angepasst werden, um in diesen Meeresregionen navigieren zu können.
Verteidigung an allen Fronten
Die Komplexität der Gefahren und Bedrohungen mündet auch in den Bereichen Küstenoperationen und Hafensicherheit in ein nicht minder komplexes Szenario maritimer Verteidigung. Die Referenten stellten hierzu technische Lösungen wie operationstaktische Systeme vor. So sprach Kai Glasebach vom Propellerspezialisten Schottel über neue Antriebssysteme für verbessertes Manövrieren in schlecht zugänglichen und flachen Gewässern. Sezgin Kama von STL Systems präsentierte ein Beobachtungs- und Überwachungssystem mit Messtechnik für passive Detektion zum Schutz von Hafeneinfahrten.
Kapitän Stefan Becker von der Deutschen Marine erklärte die deutsche Vorreiterrolle bei der Luftüberwachung von Meeresverschmutzungen. Mit den Einsatzflugzeugen könnten radar- und sensorgestützt 15.000 km² auf Nord- und Ostsee in der Stunde überwacht werden. Patrick O’ Keeffe von AMC Solutions lieferte einen Überblick über neue Bedrohungen für Marineoperationen durch Cyberkriminalität. Über wirksame Methoden gegen Systemmanipulationen durch Cyberattacken und Ideen zum Schutz der Datenintegrität sprach Patrick Rossi von der Klassifikationsgesellschaft DNV GL. Er hob vor allem die Defizite bei der Bekämpfung von Attacken auf die Operationstechnologie hervor, die drastisch zunehmen.
Systeme für neue Arten der Kriegsführung
Einen tieferen Einblick in die Entwicklungen der Marinetechnik gab die MS&D in ihrem dritten Panel. Zunächst widmete sich Hans-Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, Fragen einer international strukturierten Zusammenarbeit. Er sehe in der Krim-Annexion einen Einschnitt für die europäische Verteidigung. Zudem zeige der Druck von außen zur Steigerung der europäischen Militärausgaben durchaus Wirkung. »In der Vergangenheit waren gemeinsame Waffensysteme nicht zu verwirklichen«, sagte Atzpodien. Die Widerstände einzelner Staaten in Hinblick auf eigene Spezifikationswünsche seien zu groß gewesen. Dies könne sich nun ändern. »Dafür brauchen wir eine Harmonisierung bei Regularien, um Kooperationen auch umsetzen zu können. Die Industrie ist bereit, es fehlt an langfristigen Plänen«, sagte Atzpodien.
Einen Einblick in den aktuellen Stand von Forschung und Entwicklung lieferte der abschließende Konferenzblock. Alexander Graf von Rheinmetall stellte Hochenergie-Laser und deren Einsatzmöglichkeiten auf Marineschiffen vor. »Die Treffsicherheit auf eine Ein-Euro-Münze liegt bei einem Kilometer Entfernung bei 98 %.«
Ein weiterer Fokus dieses Panels lag auf autonomen Waffensystemen. Mit der VSR 700 Hubschrauberdrohne wagte Airbus Helicopters bereits einen Blick in die Zukunft. Vorgesehen für die Seeaufklärung, befindet sich das System noch in der Testphase, eine Auslieferung wird für das Jahr 2020 angestrebt. Wohin sich dieser Zweig der Militärtechnik entwickelt, dürfte aber nicht nur von ökonomischen und militärischen Interessen geprägt sein.
Ulrike Franke vom Europäischen Rat für Auswärtige Beziehungen ging der Frage nach der roten Linie des Einsatzes automatischer und autonomer Waffen nach. Durch den Einsatz künstlicher Intelligenz bestimmen die Roboter oder Drohnen selbst, wo, wann und auf wen sie schießen. »Die Schwierigkeit der Kontrolle ist dabei eine Frage der Soft- und nicht der Hardware«, sagte die Expertin. Dennoch könnten zivile Opferzahlen reduziert werden. Franke wünscht sich hier mehr öffentliche Beteiligung.