Alexander Geisler (Foto: ZVDS)
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Alexander Geisler
Geschäftsführer – Zentralverband Deutscher Schiffsmakler

Bekanntermaßen ist die Digitalisierung kein neuer Prozess und der elektronische Datenaustausch gehört schon fast 30 Jahre zum Berufsalltag der Agenten und Makler. Gleichwohl ist dieser Prozess mittels neuer Technologien schneller. Aber schon das Phänomen der [ds_preview]disruptiven Technologien, also Innovationen, die die Erfolgsserie eines bestehenden Produkts oder einer bestehenden Dienstleistung ersetzen oder diese vollständig vom Markt verdrängen, ist nicht wirklich neu. Denn spätestens seit Karl Marx wissen wir, dass das Kartell nicht nur der Idealzustand des Unternehmers ist, sondern dass es die innovative Kraft der Technik ist, die vom Unternehmer genutzt wird, um sich einen Vorteil gegenüber der Wettbewerb zu verschaffen. So gesehen ist es vernünftig, dass jedes Unternehmen versucht, die Dynamiken der modernen, digitalen Technologien zur Optimierung seiner Prozesse und zur Erlangung eines Wettbewerbsvorteils zu nutzen. In dem sie dieses tun, geben sie dem alten Spruch »Die Linken haben Marx gelesen, die Kapitalisten haben ihn verstanden« Recht.

Von Monopolen entfernt

Natürlich sind wir trotz aller Anstrengungen zur Digitalisierung von monopolartigen Strukturen in der Schifffahrt noch weit entfernt. Und das ist auch gut so, denn die Schifffahrt lebte immer von einem kooperativen Miteinander der verschiedenen Akteure. Um Monopole und Abhängigkeiten zu vermeiden, wie wir sie in anderen Bereichen dank der digitalen Entwicklung sehen, sollte dieser Ansatz auch weiter gelten. Anstatt die Schaffung von exklusiven Systemlösungen zu fördern, sollte lieber verstärkt für wettbewerbsneutrale Plattformen geworben werden, bei denen die verschiedenen Akteure (Linienagenten, Reeder, Verlader, Spediteure, Terminals, etc?.) von Anfang an an der Entwicklung der gemeinsamen Standards und Prozesse beteiligt sind und auch Neulinge eine faire Chance auf einen Markteintritt haben.

Einsparung nur auf Seiten der Verwaltung

Die neue Begeisterung für die Digitalisierung darf aber nicht darüber hinweg täuschen, dass die Schaffung einer digitalen Struktur in erster Linie eine Investition in die eigene Wettbewerbsfähigkeit bedeutet. Diese kann sich durch Kosteneinsparungen amortisieren, dieser Erfolg ist aber nicht immer garantiert. Und insbesondere bei der Schaffung von elektronischen Meldewegen durch die Verwaltung sehen wir all zu oft, dass die Einsparungen nur auf Seiten der Verwaltung liegen, die Arbeitslast auf andere, allen voran die Agenten umverteilt wird.

Beispielhaft sei das National Single Window genannt. In Ermangelung einer leistungsfähigen IT-Struktur seitens der Verwaltung sind die Agenten gezwungen, kommerzielle Lösungen zu nutzen, was deutlich zeigt, dass mit der Schaffung von verpflichtenden elektronischen Meldewegen eben nicht automatisch Kostenersparnisse verbunden sind. Denn egal welches System man nutzt, egal wer letztlich wohin meldet, es muss jemand Daten in ein System eingeben. Das heißt, jemand muss diese Daten erheben, eingeben, kontrollieren und ggf. die IT-Struktur pflegen. Und dieses ist mit Kosten verbunden, die nicht der Agent tragen kann, sondern die an den Markt weiterzugeben sind. Wer also zukünftig über weitere Digitalisierung in der Schifffahrt spricht, sollte auch eine Antwort auf die Frage haben, wie sich die damit verbundenen Kosten amortisieren, oder auch deutlich sagen, wer die Kosten dafür zu tragen hat.