»Künstliche Intelligenz – Ein nützlicher Fachidiot«

Im März 2016 schlug die AlphaGo den weltbesten Profispieler im japanischen Brettspiel »Go«. Der Clou: AlphaGo hatte sich quasi autodidaktisch beigebracht, auf Weltmeisterniveau »Go« zu spielen – mit Hilfe von KI (Künstlicher Intelligenz). Das Web und die Medien überschlugen sich. Man schwankte zwischen Euphorie und Weltuntergangsstimmung. Künstlich[ds_preview]e Intelligenz schlägt menschliche Intelligenz. Und bald braucht man uns alle nicht mehr.

Wirklich?

So blöd kann ein Mensch gar nicht sein

Nein, nicht wirklich. Go hat 8 Regeln. Einfacher geht’s kaum. Wäre AlphaGo ein Kind, wir würden uns Sorgen machen. In den 3 Jahren seit seinem spektakulärem Sieg hat AlphaGo kein Interesse gezeigt, irgendetwas anderes zu lernen. Nicht einmal Halma oder Mensch-ärgere-dich-nicht.

Forscher am MIT haben KI-Software getestet, mit menschlichen Intelligenztests. Die besten Produkte schaffen es auf einen IQ von 30-40. So blöd kann ein einzelner Mensch gar nicht sein. Bei uns hört die Skala unten bei 70 auf.

Eine KI-Anwendung ist generell auf einem eng umrissenen Gebiet sehr gut und ansonsten unglaublich dumm, kurz ein Fachidiot. Fachidioten sind manchmal ganz nützlich.

Früher hieß »machine learning«, eine Schlüsseltechnologie der KI, noch »numerische Statistik«. Das klingt wenig bedrohlich, aber Euphorie kommt da auch nicht auf. KI ist meist Statistik 2.0. Besser als die alte Statistik, die sich meist auf Durchschnitt oder eine lineare Regression (= eine Gerade durch die Punktewolke der Statistik) für eine Variable beschränkte, aber eben auch keine Wunderwaffe.

Aber…

Statistik kennen wir in unserer Industrie: Leistungsprognose im Schiffsentwurf auf Basis vieler Modellversuche; Lastannahmen der Klassifikationsgesellschaft nach einem Seegangsspektrum; Abschätzung von Bauzeit und Baukosten auf Basis von Schiffstyp und Größe in einer Werft. Häufig sind wir uns gar nicht mehr bewusst, wo überall Statistik in Koeffizienten und Diagrammen eingeflossen ist. KI kann das jetzt alles ein bißchen besser.

Statt Durchschnitt (Punkt) oder Gerade werden biegsame, flexible Funktionen verwendet und die passen sich einfach besser an als die starre Gerade. Und das können sie auch bei vielen Variablen. Man braucht »nur« ausreichend viele Punkte, gut verteilt, um die beliebige Kurve zu beschreiben. Dann kann die KI das automatisch lernen, für jede Kurve oder jedes Muster – vorausgesetzt es gibt ein Muster.

Interpolation bei der Trimmoptimierung; Entwurfsformel für Schlepperleistung auf Basis von Entwurfsgeschwindigkeit und Pfahlzug; Stabilisierungsflosse angesteuert für aktuellen Seegang; automatische Erkennung von Schiffen; Schrottpreis-Vorhersage für Schiffe; oder auch Spracherkennung. Das Grundprinzip ist immer gleich: Kurven- oder Mustererkennung; die Anwendungen sind vielfältig und werden immer mehr, auch im maritimen Bereich.

Erwarten Sie nicht, dass KI im menschlichen Sinne intelligent ist, mal eine pfiffige Idee hat oder auch nur gesunden Menschenverstand. KI ist ein (Fach-)Idiot, aber ein nützlicher. Wir wären dumm, wenn wir das nicht ausnutzen bzw. KI einsetzen würden, dort wo es Sinn macht.